Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  August 2004



Die Charts rauf und runter…

Die Musikszene hat in diesen Tagen hart zu kämpfen. Seid man mit verschiedenen Programmen, aktuelle bis seltene Popsongs im Web nicht nur online stellen kann sondern auch in CD-Qualität herunterladen und auf Tonträger speichern kann, gehen die Verkäufe ständig zurück. Ein so genannter Pop-Star hat es schon deshalb nicht leicht. Ständig unter Leistungsdruck, ständig (äußerlich wie musikalisch) den Trends angepasst und immer jung, schön und sexy zu sein, gleichgültig, welches Geschlecht man hat, kann auch ganz schön nerven. Von den netten, jungen Burschen und Mädels, die so etwa im Teenageralter von einer Karriere im Rock- und Popbusiness träumen, hat im Grunde keine/r eine Ahnung, was auf ihn oder sie zukommt. Man könnte die Erfüllung eines solchen „Kinderwunsches“ auch gerne mit einem Zitat aus dem „Zauberlehrling“ von Johann Wolfgang von Goethe beschreiben: „…die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los

Es ist ein Fluch, ein Star zu sein und sicher nicht ohne Grund halten sich nur sehr wenige in der Szene längere Zeit oben. Unbeschadet tut das keiner, selbst ein Megastar wie Madonna hat vor Jahren schon zugegeben, von ihrem Management zu einer Abtreibung genötigt worden zu sein, weil die italienischstämmige Entertainerin in der Zeit der Schwangerschaft dann nicht zur Verfügung gestanden wäre: für die Aufnahmen von neuen Songs, für Konzerte, für PR-Gigs, etc. Was die unerwarteten Folgen sind, wenn man so aus dem Nichts einen riesigen Charterfolg einspielt, werden O-Zone, die den Sommerhit „Dragostea din tei“ an die Spitze der Hitparaden in ganz Europa geführt haben, begreifen, wenn das Feiern nach dem Sensationserfolg zu Ende ist und die ganze Welt auf einen Nachfolgehit wartet. In der nicht gerade beneidenswerten Situation befanden sich schon viele Acts in den letzen Jahrzehnten und viele sind an diesem Druck schließlich auch gescheitert und wieder in der Versenkung verschwunden.

Man wird sehen, was sich im Falle von O-Zone tun wird, ich selber bin eher skeptisch, dass man von ihnen noch viel hören wird. Aber ich bin kein Kenner der Szene und auch wenn mir aufgefallen ist, dass viel vermeintliche Sommerhits der letzten zwanzig Jahre Eintagsfliegen geblieben sind (so wie Robin Beck oder Prinzessin Stephanie), sollte man niemanden unterschätzen. Auch von einem Hit allein kann man eine Weile gut leben, wenn man sich das Geld aus den Tantiemen gut einteilt. In jedem Fall ist der Erfolg eine Sucht, auf die ich schon an anderer Stelle vor einigen Wochen hingewiesen habe. Noch mehr als der oder die Interpreten selber sind aber die wahren Nutznießer, nämlich Management und Plattenfirma etc. interessiert daran, dass der „Goldesel“ – und nichts anderes ist so ein Popstar – solange gemolken wird, bis wirklich nichts mehr rausgeht. Dann wird er – bildlich gesprochen – entsorgt und verliert seinen Vertrag. 

Andere drängen nach, so einem armen Teufel wird keine Träne nachgeweint. Der Konkurrenzdruck ist groß in der Galerie der Möchte-gern-Madonnas oder -Britney-Spears, da ist für Mitleid oder Verständnis kein Platz. Hinter jedem größeren Star läuft mittlerweile eine gigantische PR-Maschinerie, die auch das Privatleben ihrer Schützlinge fest im Griff hat. Robby Williams packte seinerzeit schon so manches aus, was hinter den Kulissen von Take That gelaufen ist und ich fürchte, die Repressalien sind seither sicher nicht weniger geworden. Sehr wichtig sind auch die Auftritte im Fernsehen und nicht erst seit Deutschland als zweitgrößter Plattenmarkt hinter den USA noch mehr an Bedeutung gewonnen hat, drängen die so genannten Stars in prestigeträchtige Sendungen im deutschen Fernsehen. Thomas Gottschalk und sein „Wetten dass…“ profitierten davon enorm und können fast in jeder Ausgabe des Fernsehformats ihrem mediengeilen Publikum etliche umjubelte Stars bieten, deren (Playback-)Auftritte wie Videoclips gefilmt und ins Fernsehen übermittelt werden.

Was auch in den letzen Jahren sukzessive zugenommen hat, sind die Fan-Clubs und die dazugehörigen Websites im Netz. Newsletter, Fanartikel, Fan-Treffs und organisierte Fahrten zu Konzerten gehören neben Informationen auf dem allerletzten Stand zu den Aufgaben dieser Vereine, deren Initiatoren völlig in dieser Arbeit aufgehen. Wenn schon selber kein Star, dann ihm/ihr wenigstens so nahe wie möglich kommen, scheint deren Devise zu sein. Man kann natürlich darüber philosophieren, ob es so erstrebenswert ist, für einen Star sein Leben auf den Kopf zu stellen, aber andererseits unterstreicht die relativ kurze Bedeutung der meisten Musik.-Acts, dass diese Arbeit wohl auch nur für eine eher kurze Zeitspanne wirklich intensiv betrieben wird. Das Leben dauert meistens sehr viel länger als eine Karriere… oder „…they never come back…“

Trotzdem beweisen so manche Solokünstler oder Gruppen bei diversen Oldie-Sendungen, das man auch ganz gut von seiner vergangenen Kariere leben kann. Peter Kraus ist so einer oder auch Engelbert, es hängt nur vom eigenen Einfallsreichtum ab und von der Flexibilität, ob man der Zeit ein Schnippchen schlagen und noch ein wenig Geld aus den alten Hits herausschlagen kann. Scott McKenzi’s  „San Francisco“ zum Beispiel klingt noch immer in aller Ohren und begeistert jung und alt. Doch ob man es glaubt oder nicht: die Hippie-Hymne blieb der einzige Hit für den US-Amerikaner und dass er heute noch ein wenig im Geschäft ist, hat er vor allem diversen Samplern (Target Music) mit „seinem“ Song zu verdanken und der Tatsache, dass ihn die „Mamas und Paps“ gewissermaßen adoptiert, also in die Truppe aufgenommen haben. Auch Nena hat sich im letzen Jahr mit großem Erfolg neu erfunden. Man wird also sehen, ob uns so manche Kurzzeitstars der letzen Zeit in zwanzig Jahren auch in verschiedenen Auftritten erfreuen (oder auch langweilen) werden. Im Falle von O-Zone, das sei nur am Rande bemerkt, wünsch ich es mir ehrlich gesagt nicht unbedingt. Der Song quält jetzt schon meine Gehörgänge…

Vivienne

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