bohnenzeitung.com

 Home Kolumnen Kritisch betrachtet

03.04.2005, © Vivienne

Der Papst ist tot
Persönliche Gedanken zu Johannes Paul II

Nach längerem Leiden und nicht unerwartet ist der Papst am gestrigen Abend verstorben. Tausende Menschen säumten schon Stunden zuvor den Petersplatz, wie man in den Medien verfolgen konnte. Es werden sehr viel Gläubige unter ihnen gewesen sein, aber durchaus auch Neugierige, die mit mehr oder weniger Sensationslust auf Nachrichten über den Gesundheitszustand des Papstes gewartet haben. Das bringt unsere Zeit einfach mit sich und wäre wohl bei einem „normalen“ Staatsoberhaupt nicht viel anders gewesen. Dieser Papst, Johannes Paul II, stand wie kein anderer vor ihm im Blickpunkt der Medien und dass er sein Amt anging wie kein zweiter, beweisen allein schon seine rund hundert Reisen zu den Gläubigen, die er im Laufe seines Pontifikates in Angriff nahm.

Ich möchte hier an dieser Stelle keine „übliche“ Biographie zum Ableben des Oberhaupts der katholischen Kirche zu Papier bringen. Es gibt sicher Medien, in denen man detaillierter über das Leben des ersten polnischen Papstes nachlesen kann. Wie Sie, liebe Leser, längst wissen, bin ich außerdem kein üblicher Anhänger der Amtskirche, auch wenn ich offiziell Mitglied der Kirche bin und brav meinen Kirchenbeitrag bezahle. Außerdem habe ich als sehr kritischer Mensch meine persönliche Meinung zur offiziellen Linie der katholischen Kirche schon des Öfteren zu Papier gebracht – ohne mir dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Was ich heute an dieser Stelle versuchen werde, ist einen persönlichen Bezug zur einen oder anderen Station im Leben des Papstes herzustellen… als eine Art Reflexion.

Fast 27 Jahre war Johannes Paul der II also in Amt und Würden. Obwohl ich noch ein Kind war, gerade zwölf Jahre alt geworden, kann ich mich auch noch relativ gut an Paul VI erinnern, jenen Papst, der anscheinend dauernd vom nahenden Weltuntergang sprach, wie mir meine Erinnerung vermittelt. Zumindest waren das meine kindlichen Eindrücke. Detaillierter weiß ich über den Tod von Johannes Paul I Bescheid. Wir hatten Wandertag, das heißt der erste Schulwandertag des Jahres war geplant, ging aber im Regen unter und als ich früh wieder nach Hause kam, herrschte dort Betroffenheit: der neue Papst war nach gerade 33 Tagen schon wieder verstorben…

Und dem nachfolgenden Konklave – auch der Wiener Erzbischof Kardinal König gehörte damals dem engeren „Favoritenkreis“ an – ging schließlich der Erzbischof von Krakau als neues Oberhaupt der Kirche hervor. Als Kind berührte mich das wenig, man kann die Sensation über einen Papst aus dem Osten wenig nachvollziehen, wie mich überhaupt das Geschehen in Rom relativ kalt ließ. Mich ärgerte in dem Zusammenhang oft am meisten, dass im Fernsehprogramm nur Informationssendungen gebracht wurden. Mir wären die üblichen Unterhaltungsfilme lieber gewesen… Drei Jahre später – ich ging das erste Jahr ins Gymnasium –  war ich ein wenig reifer geworden und als ich das Attentat auf den Papst praktisch live im Fernsehen miterleben konnte, war ich mehr als nur betroffen.

Mord und Totschlag, Vergiftung und Intrige waren ja im Vatikan nichts Neues gewesen – man informiere sich nur in der entsprechenden Literatur über unzählige Skandale, zu denen man nur den Kopf schütteln kann, etwa, wenn ein früheres Oberhaupt der Kirche sich nachweislich ganz und gar weltlichen Genüssen hingab. Was man Papst Johannes Paul II aber definitiv nicht vorwerfen kann. – Die Medien hatten also den Mordversuch ins Wohnzimmer geliefert, was wohl auch reflektierte, dass dieser Papst als erster den Menschen immer medial präsent war und sich ständig im Licht der Öffentlichkeit bewegte. Eine schulische Erinnerung habe ich noch an das Attentat, im Zusammenhang an einen Geschichtsprofessor, der üblicherweise vor lauter Diskussion über das aktuelle Weltgeschehen gern auf den Unterricht vergas.

Ein Mitschüler von mir versuchte eine große Generalwiederholung zu verhindern, indem er plante, den Pädagogen in ein Gespräch über das Attentat zu verwickeln. Dieses eine mal blieb der Mittelschullehrer aber stur und prüfte die ganze Stunde… Der Papst genas nach Monaten wieder, setzte seine Reisen fort und schaffte es, die Mauern des eisernen Vorhangs ins Wanken zu bringen. Viele dieser Ansätze blieben mir lange Zeit verborgen. Für mich war es lange der alleinige Verdienst Michail Gorbatschows, des letzten Staatschefs der Sowjetunion, dass die Dinge ins Rollen kamen und der den ersten Schritt setzte. Aber zweifellos war Johannes Paul der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt, der anfing, „den Boden für das Neue aufzubereiten“, auch wenn mir das erst viel später bewusst wurde…

War ich als Teenager noch viel mehr und vor allem eher kritiklos der Amtskirche verhaftet, änderte sich das nach und nach als ich die zwanzig überschritt. Ich verstand viele Ansichten und offizielle Gebote der Kirche nicht mehr und besonders stieß und stoße ich mich auch immer wieder an dem Verbot der Wiederverheiratung Geschiedener Es ist nicht nachvollziehbar, dass man nach einer gescheiterten Ehe in einer neuen Beziehung automatisch exkommuniziert ist, während einem Mörder oder Kinderschänder nach tätiger Reue vergeben wird. Wie auch der Papst selber jenem Mann vergab, der wahrscheinlich im Auftrag des bulgarischen Geheimdienstes versuchte ihn zu töten. Eine derartige Diskrepanz – man vergleiche einmal die Schwere der Delikte – ist weder menschlich noch logisch nachvollziehbar.

Auch an die Besuche des Papstes in Österreich kann ich mich immer wieder recht gut erinnern. Einmal mit ein wenig Bauchweh, weil ich den Nachzipf im Herbst nicht schaffte (1983) und wiederholen musste. Ich gewann dabei stets den Eindruck, Johannes Paul II hat unser Land gern besucht, aber vielleicht verstand es der charismatische Pole einfach auch nur immer diesen Eindruck zu vermitteln. Immerhin bleibt er der erste Papst der zu den Gläubigen kam, sozusagen der Berg, der den Propheten besuchte und er hat unbestreitbar viel geleistet, um die Amtskirche den Menschen näher zu bringen: er befreite sie von einer gewissen Abgehobenheit…

In den letzten Jahren stand immer wieder die Gesundheit des Papstes im Vordergrund. Darmoperationen als Folgen der Schussverletzung, immer wieder auch das Gerücht, er hätte Darmkrebs, ließen manchen, so auch mich zweifeln, ob Johannes Paul das neue Jahrtausend begrüßen würde können. Persönlich schien er mir auch immer pragmatischer zu werden und kritische und offene Worte zu Missbrauchsfällen durch katholische Priester oder etwa auch im so genannten Pornoskandal im Priesterseminar St. Pölten habe ich sehr vermisst. Diese Altlasten werden seine Nachfolger dadurch ungleich schwerer ausmerzen können – davon bin ich überzeugt. Es bleibt die Erinnerung an einen Mann, einen Papst, der sich im persönlichen Kontakt mit den Gläubigen am wohlsten fühlte und der mehr als jeder seiner Vorgänger das Geschehen auf der Welt nachhaltig prägte…
 

 Redakteure stellen sich vor: Vivienne       
 Alle Beiträge von Vivienne

Schreibe einen Kommentar