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04.06.2005, © Vivienne
Was in der Privatwirtschaft unmöglich wäre…
Ich gebe zu, liebe Leser, die Themen Hotline und Kundendienst gehören zu jenen Bereichen, bei denen ich besonders sensibel reagiere. Das wurde schon bei meinem Streit neulich mit der Aon-Hotline offensichtlich, und als ich dieser Tage notgedrungen für eine Kundschaft bei den ÖBB anrief also nicht einmal in eigener Sache zog ich sozusagen wieder ein besonders widerborstiges Objekt der Spezies ÖBB-Mitarbeiter an. Ein frustrierter, arbeitsunlustiger Mensch nämlich, der mich nie ausreden ließ, seinen ganzen ÖBB-Ärger auf mich niederließ und als ich seinen Namen erfragen wollte, um mich zu beschweren, warf er mich aus der Leitung.
Natürlich hat der Mann nicht mit mir gerechnet, ich rief gleich noch einmal an, ließ mir die Emailadresse für Beschwerden geben, und ließ eine geharnischte Mail (schon im Hinblick auf diesen geplanten Artikel hier) an den zuständigen Bearbeiter los, der nach der Lektüre wohl kurz gähnte, um es dann zu löschen. Vielleicht hat er sich dann auch gefragt, warum der Tag heute auch überhaupt wieder nicht vergeht Dabei muss ich sagen bin ich kein grundsätzlicher Feind der ÖBB, ich fahre immer wieder gern mit dem Zug und kenne viele nette Schaffner und Fahrdienstleiter. Mit zwei oder drei ÖBB-Buschauffeuren auf der Strecke Linz-Perg verband mich vor ein paar Jahren so gar eine lose Freundschaft. Es gibt solche und solche.
Aber das Thema Beschwerden ist bei den ÖBB wohl ein sehr heikles, das weiß ich von früher. Wenn sich Zugverspätungen häuften oder sonstige Probleme auftraten, habe ich nämlich bisweilen hingeschrieben. Meistens mit Null Reaktion oder einer verfälschten Darstellung der Fakten als Resultat. Allerdings fällt mir in dem Zusammenhang immer wieder auf, wenn sich ein verärgerter ÖBB-Fahrgast über die Kronenzeitung und Ombudsmann Dr. Zilk beschwert, dann regnet es schnell einmal Entschuldigungen und bisweilen sogar Gutscheine. Österreichs größte Tageszeitung ist gefürchtet, und da nutzt man doch lieber die Gelegenheit, sich sehr positiv und werbewirksam zu präsentieren. Und von der Zuckerlseite
Eine Zuckerlseite, die aber niemanden täuscht, der so wie ich täglich mit der Bahn zu tun hat. Ich werde nie vergessen, wie letzten Winter ein kleines Mädchen aus der Siedlung von einem Schaffner regelrecht zur Sau gemacht wurde, weil es den Freifahrtsschein in der anderen Tasche vergessen hatte. Wäre das Mädel ein Taschendieb gewesen oder hätte es mutwillig ÖBB-Eigentum zerstört, wäre der Unmut vielleicht gerade noch angebracht gewesen. So aber habe ich das völlig verängstigte Mädchen zur Beschwerdestelle am Linzer Hauptbahnhof begleitet, mit ihm einen Beschwerdebogen ausgefüllt und es getröstet. Herausgekommen ist auch in diesem Fall nichts, trotz der genauen Angaben über den Schaffner ist dieser wahrscheinlich nicht einmal mit seinem Fehlverhalten konfrontiert worden
Beschwerden sind so oder so eine Gradwanderung. Aber man darf mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese in der Privatwirtschaft anders gehandhabt werden als in einem geschützten Bereich wie der ÖBB oder einem Amt. Privat wird kundenorientiert agiert, bei der Bahn etwa eher nach dem Motto: Was puddelst dich auf? Wenn s da ned passt, fahrt halt mit dem Auto! Darf ich Ihnen das Musterbeispiel einer Beschwerde aus der Privatwirtschaft erzählen? Die Bekannte, der das passiert ist, arbeitet für eine Kosmetikfirma im Außendienst und sah sich mit der Beschwerde einer aufgebrachten Kundin konfrontiert, die reklamierte, dass die teure Gesichtscreme im Tiegel aufgebraucht werden konnte! Sie haben richtig gelesen! Meine Bekannte wusste aber genau, wie ihr Boss reagieren würde, wenn sie selber diese Beschwerde nicht zu einem zufrieden stellenden Ergebnis bringen würde.
Sie beschwichtigte die Frau also und schenkte ihr dutzende Proben, bis diese zufrieden wieder ging. Ein Extrembeispiel, das gebe ich zu, aber auch ein klarer Hinweis darauf: als Privatkunde zählst du offenbar doch noch etwas. Bei den ÖBB wird auch in Fällen berechtigter Kritik oft nur mit den Schultern gezuckt. Wird aber wieder einmal ein Streik ins Augen gefasst und die Bahn steht still, dann tut sie das doch nur als Vorkämpfer für die Rechter aller Arbeitnehmer! Mitnichten, widerspreche ich da ganz klar, da geht es eindeutig nicht um alle Arbeitnehmer sondern nur um den geschützten Bereich. Und um Rechte und Privilegien, von denen unsereins in der Privatwirtschaft ohnedies nur träumen kann
Aber zurück zu meiner Beschwerde, die schnell im interaktiven Mülleimer gelandet ist. Im Kundendienst verdient sich die ÖBB kein Sehr Gut, oft nicht einmal ein Genügend, weil es nicht angehen kann, dass man als Mitarbeiter ein Gespräch mit einem zahlenden Kunden einfach beendet, weil mir der Kunde lästig oder unangenehm geworden ist. Bekommen die Leute bei den ÖBB keine Schulungen? In meiner alten Firma mussten Mitarbeiter der Telefonauskunft, die einen Kunden mutwillig aus der Leitung warfen, mit der fristlosen Entlassung rechnen. Wir Mitarbeiter wurden nämlich derart kontrolliert, dass dieses Fehlverhalten genau nachweisbar war. Deshalb wäre es wohl in meinem Fall (der ja im Grunde nur ein Paradebeispiel werden sollte) das Mindeste, auf eine derartige Beschwerde mit einer formlosen Entschuldigung zu reagieren für den Fall halt, dass man einigermaßen kundenorientiert eingestellt ist.
Vivienne
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