Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
17.04.2005, © Vivienne
Schwarzfahrerin wider Willen
Unbarmherzig signalisierte mir mein Handy um 7:00 Uhr früh: aufstehen! Mit dröhnendem Kopf erhob ich mich von der Couch. Ja, es war gestern spät geworden, nachdem ich eine Schulaufführung meiner Nichte Danièle besucht hatte und wir noch Stunden später über die Absurdität dieses Theaterstücks diskutiert hatten. Aber ich hatte nicht etwa einen Kater, nein, sondern der Föhn setzte mir so zu. Schon seit Tagen. Und ich musste trotzdem heute noch in die Arbeit, leider, die sechs Stunden hatte ich noch abzusitzen. Da fuhr der Zug drüber! Ich wankte also ins Wohnzimmer und setzte gleich eine Kanne Kaffee auf. Nur für mich
Der sollte nämlich meine Lebensgeister wieder wecken. Der Rest der Familie war längst ausgeflogen oder stand kurz davor. Meine Schwester und ihr Mann befanden sich bereits auf der Baustelle ihres zukünftigen Hauses. Der liebe Nachwuchs küsste mich zur Begrüßung noch und begab sich eilends aus dem Haus in Richtung Schule Ich verfolgte das alles etwas verwirrt, denn mein Kopf schmerzte nach wie vor und zwei Tassen Kaffee änderten daran gar nichts. Keine Schmerztabletten in Griffnähe! Schade. Ich packte meine Tasche und dachte kurz an Ali, als ich losging. Er hatte mich nicht begleitet, schon mangels Platz sondern wollte sich einen gemütlichen Fernsehabend machen. 8:09 zeigte die Uhr am Bahnhof. Richtig, ich musste mir ja noch ein Ticket besorgen, und zwar am Automaten, denn Bahnhofsvorstand gibt es in Traun schon lange keinen mehr.
Minuten später stand ich Schweiß gebadet vor dem Automaten und hatte noch immer kein Ticket. Verdammt wie funktionierte das? Immer wieder hatte ich die so genannte Kernzone im Ticket enthalten, obwohl ich diese gar nicht brauchte. Schließlich kaufte ich mir regelmäßig meine Monatskarte bei den Linzer Linien. Ich zahlte doch nicht doppelt, das wäre ja noch schöner! Ein Mann, den ich um Hilfe bat, zuckte nur die Achseln: Ich kenne mich selber nicht aus, leider! Mein dröhnender Kopf machte mich noch grantiger. Der Zug fuhr auch schon ein, also verließ ich mit wütendem Gesichtsausdruck den Automaten und stieg in den Zug ein. Vielleicht kam ja kein Schaffner, immerhin gab es bis Linz nur vier Stationen. Ich schwor mir, ich würde in keinem Fall eine Schreibgebühr bezahlen, wenn mir der Schaffner ein Ticket verkaufte. Niemals!
Der Tag war herrlich, die Sonne lachte wie schon im Mai vom Himmel. Konnte man an einem so wunderschönen Tag überhaupt schlechte Laune haben? Ich schon, denn mein Kopf schmerzte nach wie vor. Oder mehr denn je, wie man die Sache dann betrachtete. Ich zuckte zusammen. Nein! Der Schaffner war ins Abteil getreten. Sein Minidrucker begann auch fast zeitgleich zu surren. Da gab es jedenfalls viel zu tun, der Automat dürfte mehr Zugpassagiere überfordern, nicht nur eine oberlehrerhafte Maturantin wie mich. Was sollte ich bloß tun? Schließlich stand ich ganz ruhig auf und wechselte gemächlichen Schrittes in den letzten Waggon. Dort saß ich ganz verkrampft und betete, dass wir so schnell wie möglich in den Linzer Hauptbahnhof einfahren würden.
Gott war mir an dem Tag aber nicht gnädig gesinnt. Vielleicht war ihm auch mein Problem zu gering. Meine Fantasie ging schon mit mir durch. Ich führte im Gedanken ein Streitgespräch mit dem Schaffner, der mir statt 1,50 Euro das Ticket um das mehr als Doppelte verkaufen wollte. Schreibgebühr. Ich ballte die Faust. Niemals! Ich blickte erschreckt nach draußen. Der Zug blieb ganz plötzlich stehen, mitten auf der Strecke und fast gleichzeitig trat auch noch der Schaffner in dieses Abteil ein. Ich hätte aufschreien können. Das gabs doch einfach nicht! Schließlich stand der mittelgroße Mann Anfang Vierzig schon bei mir. Ich griff in die Tasche und holte meine Geldbörse heraus. Bahnhof Traun Linz, murmelte ich etwas gepresst.
Dann sah ich den Mann an. Die ganze Resignation dieses Morgens spiegelte sich in meinen Worten als ich ihm unvermittelt von meinem Frust erzählte. ich habe es einfach nicht geschafft, einen passenden Fahrschein aus dem Autoamten zu bekommen Der Schaffner lächelte mich verständnisvoll an. Da geht es Ihnen wie vielen. Er gestikulierte mit der Hand. Die Techniker, die so was bauen und programmieren, stellen es sich immer so einfach vor. Was hat denn bei Ihnen nicht geklappt? Ich presste die Lippen in tiefem Frust zusammen. Ich habe die Kernzone einfach nicht herausgebracht! Der Mann lachte leise. Sein Drucker surrte und dann meinte er. Den meisten Leuten geht es genau umgekehrt, die schaffen die Kernzone nicht in den Fahrschein. Macht 1,50 Euro, bitte. Ich erwiderte sein Lächeln. Danke. Schönen Tag noch!
Soll einer noch sagen: Typisch Bahn!
Vivienne
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