Nicht zu fassen! Duschi hatte mir wieder geschrieben, Ferdinand Duschanek, ein Schulkollege aus dem Gymnasium, den alle immer nur Duschi genannt hatten, oder auch Ferdl… Keine Ahnung, wie er Alberts und meine neue Adresse herausbekommen hatte. Als wir ihn das letzte Mal gesehen hatten, lebten Albert und ich noch in unterschiedlichen Wohnungen (ich selber damals noch am Bindermichl) und Duschi musste sich in der Tat die Mühe gemacht haben, uns nachzuforschen. Während ich grinsend über Duschis Brief saß und mich über seine „Ergüsse“ (anders konnte man das nicht nennen) amüsierte, hatte Ali auf meine Neuigkeit hin ein etwas verkniffenes Gesicht aufgesetzt, er hatte begonnen, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen und alles in allem wirkte er auf mich ein wenig wie ein beleidigter Kater, der in seiner beschaulichen Ruhe gestört worden war. Ich beobachtete meinen Mann eine Weile und schließlich entschloss ich mich, mit Albert ein paar offene Worte zu reden…
„Du bist aber nicht etwa beleidigt, weil Duschi zu uns kommen wird?“ Albert hob wenig begeistert seine markanten Augenbrauen. Er sog an seiner Zigarette und schließlich stand er auf um mir Auge in Auge gegenüber zu treten. „Verstehst du wirklich nicht, Vivi, dass ich nicht unbedingt begeistert bin? Im Übrigen ist er dein Freund und nicht meiner!“ Ich schüttelte den Kopf, etwas irritiert, aber ich hatte vor das ein für alle mal mit ihm zu klären. „Hör zu, Ali, der Duschi steht nicht auf mich. Er ist nur ein alter Schwerenöter, ein Charmeur und ein Alleinunterhalter, unglaublich selbstverliebt. Ich gebe zu, dass es nicht viele Männer von seiner Sorte gibt, mit denen ich mich so gut verstehe, aber bei ihm ist das einfach so. Ich sehe ihn alle paar Jahre einmal und nur weil er mich, wenn er dann wieder geht, auf den Mund küsst und mir sagt, in ein paar Jahren würde er mich für immer holen, heißt das nicht, dass er es je wirklich tun wird. Ich selber glaube nicht daran, nicht im Geringsten, aber du anscheinend schon ein bisschen, oder?“
Ich erinnerte mich wieder intensiv an unser letztes Treffen mit Ferdl in einem Weinlokal, es musste über drei Jahre her sein. Duschi hatte nicht nur Ali zum Abschied auf beide Wangen geküsst, wie ein Franzose (Duschi hatte damals gerade einige Zeit an der Cote d’azur verbracht!), sondern mich auch innig umarmt, so dass nach außen hin durchaus ein falscher Eindruck entstehen hatte können. Schließlich hatte er sich noch an Albert gewandt. „Schau gut auf sie, in ein paar Jahren hol’ ich sie mir!“ Ich hätte beinahe laut losgelacht bei Ferdls Worten, ein Blick in Alberts Augen belehrte mich aber, dass ich es besser bleiben lassen sollte. Mein Mann Ali, damals noch mein Lebensgefährte, hätte Duschi nach diesen Worten am liebsten angefaucht, das war unleugbar zu erkennen, aber Ferdl wirkte charmant wie immer, als er uns winkte und ins Taxi stieg. Sein Flieger nach Rom ging noch in dieser Nacht…
Albert starrte zu Boden und dämpfte schließlich seine Zigarette aus. „Sein Verhalten ist indiskutabel! Genau so als wollte er mich brüskieren…!“ „Du weißt es und du ärgerst dich trotzdem so!“ fiel ich ihm ins Wort. „Duschi wollte dich einfach auf die Palme bringen und es ist ihm gelungen. Dein Blutdruck muss um das Dreifache gestiegen sein, wie man dir deutlich ansehen konnte. Glaubst du wirklich, dass Duschi mich jemals holen wird? Das sagt er doch zu jeder Frau und es verfehlt seine Wirkung nicht, ungelogen. Man fühlt sich gut bei so einem Kompliment, aber er wird es nie in die Realität umsetzen, denn Duschi liebt alle Frauen, nicht nur mich. Allein der Gedanke, bis zum Lebensende mit einer einzigen Frau sein Auskommen finden zu müssen, würde Angstzustände in ihm wachrufen.“ Ich trat auf meinen Mann zu und legte sanft meine Arme um seinen Nacken: „Lass Duschi doch sein wie er ist, das tut niemandem weh. Genau genommen ist er ein bedauernswerter Kerl und wird nie zur Ruhe kommen. Und ehrlich, wenn er mich wirklich einmal holen wollte, bekäme ich Angstzustände!“
Albert lächelte etwas geknickt, dann barg er seinen Kopf an meiner Brust. Mir war schon klar, dass Männer wie Ferdl nie wirklich gut Freund sein konnten mit einem Mann vom Schlage Alis, der sich nicht gerne vor den Augen seiner Frau verärgern und aufziehen ließ, aber Duschi war im Grunde ein harmloser Kerl, der mir vor etlichen Jahren einmal in einer unangenehmen Situation sehr liebevoll und hilfsbereit beigestanden hatte – ohne mir dabei je zu nahe zu treten. Offenbar war ihm schon damals durchaus bewusst gewesen, dass er bei einer Frau wie mir nicht punkten konnte, wenn er versuchte, sie in seinen Teilzeitharem zu integrieren. Und er war mir trotzdem hilfreich zur Hand gegangen und das rechnete ich ihm noch heute hoch an, höher als Duschi das ahnen konnte. Sein oberflächliches Getue und der Schlafzimmerblick, den er zu seinen Komplimenten gezielt einzusetzen pflegte, prallten ohnedies an mir ab. Das wusste Duschi auch genau, er konnte es aber trotzdem nicht lassen… Wozu sich also darüber den Kopf zerbrechen?
Albert und ich standen Minuten in enger Umarmung mitten im Wohnzimmer. Schließlich schloss ich die Augen halb und lehnte mich an meinen Mann. „…also, wenn du darauf bestehst, dann ruf ich Duschi an und sag ihm, dass wir schon etwas anderes vorhaben. Du musst es nur sagen…“ Albert hob den Kopf von meiner Brust. Es arbeitete in seinem Gesicht, aber dann schüttelte er den Kopf. „Nein, natürlich nicht, wo denkst du hin… Das wäre lächerlich. Es ist ja nur ein Abend, und du sagst ja selbst, wir werden ihn dann wieder eine Ewigkeit nicht sehen…“ Dann legte er seine Arme um meine Schultern und seine Augen leuchteten mit einem Mal feurig, aber auch leicht angriffslustig. „…und falls er doch auf den Gedanken käme, dich mitzunehmen, wird er mich der gute Duschi richtig kennen lernen!“
© Vivienne