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14.08.2005, © Vivienne

Ein Tag bei Gericht

Vor fast einem Jahr erhielt ich (lesen Sie im Beitrag „Ungewollte Verantwortung“ aus dem Vorjahr nach) eine Verständigung der Bezirkshauptmannschaft, dass ich in das Verzeichnis der Schöffen und Geschworenen aufgenommen worden wäre und es nun möglich sei, dass ich bei Gericht in eben diesen Funktionen zu Verfügung stehen müsste. Ich habe meine damalige Sicht der Dinge in obig angeführtem Beitrag ausgeführt und schloss mit den Worten: Auf dass dieser Krug an mir vorübergehen möge! Um es kurz zu machen: liebe Leser: Der Krug ist nicht an mir vorüber gegangen.  Ich wurde im Juli per Einschreiber für den darauf folgenden Dienstag zu einer Gerichtsverhandlung im Landesgericht Linz in einer Strafsache vorgeladen.

So weit so gut brach zunächst einmal Hektik in mir aus. Musste ich doch in der Arbeit klären, ob ich für diesen Tag und mögliche weitere Sonderurlaub  bekommen würde und ob es nicht doch eine Hintertür gäbe, durch die ich dieser ungewollten Verantwortung entfliehen hätte können. Keine Chance allerdings sich dieser Pflicht zu entziehen, aber der Sonderurlaub stellte zumindest kein Problem dar. Insofern blieb mir nichts anders übrig, als mich an jenem bewussten Dienstag im Landesgericht einzufinden, ausnahmsweise ohne Jeans und meinen obligaten Rucksack sondern in dunkler Hose und mit Handtasche. Beim Eingang wurde ich gleich streng durchsucht – nach einem furchtbaren Blutbad vor etwa elf oder zwölf Jahren im Landesgericht, das ein Angeklagter angerichtet hatte, werden Versuche, Waffen oder Ähnliches einzuschmuggeln, rigoros unterbunden. 

Wir (vier Personen) wurden in einem Nebenraum mit etwas Verspätung in die Materie des Falles – auf den ich jetzt nicht näher eingehen möchte, da ich nicht weiß, ob ich über ein schwebendes Verfahren schreiben darf – eingeführt und als sich die Tür öffnete und wir im Gerichtssaal Platz nehmen durften (neben mir als Hauptschöffin und einem zweiten Hauptschöffen noch zwei Nebenschöffinnen als Ersatz) machte sich ein merkwürdiges Gefühl in mir breit. Fast wie im Fernsehen, aber wenn ich ehrlich sein soll: Im Laufe der Verhandlung wurde mir schnell klar, dass jene Gerichtssaal-Shows im Privat-Fernsehen mit der Realität einer Verhandlung wie dieser nicht das Geringste zu tun haben. Keine ordinären Frauen oder Mädchen in tief dekolletierten Tops und Kleidern, keine billig grell gefärbten Haarschöpfe, keine wüsten Schlägertypen mit Tätowierungen und keine abstrusen neuen Aspekte in der Verhandlung. Und keine ständig klingelnden Handys – das wusste der Richter zu verhindern.

Der Angeklagte, durchaus kein unbeschriebenes Blatt, ein schwerer Junge wie man so sagt, fiel zwar immer wieder auf mit Versuchen, die Fragen an die Zeugen selbst zu beantworten, aber der Richter (es gab im Übrigen deren zwei) ließ gar nicht zu, dass die Verhandlung entglitt, und wies den Mann zurecht. Schreiduelle wird man üblicherweise in österreichischen Gerichtssälen völlig vermissen, es geht hierzulande relativ gesittet zu und fast trocken verlaufen die Zeugenaussagen. Aber durchaus hoch interessant, auch als Laienschöffe ist man gefordert, dem Ablauf zu folgen und Zeugen zeigen nun mal selten die Tendenz, sich auf die wesentlichen Kernpunkte ihrer Informationen zu konzentrieren. Das kann es mühsam machen, die Übersicht zu behalten, aber mir ist es im Wesentlichen gelungen.

Mein Kollege und ich wechselten uns nämlich ab mit dem Notieren von wichtigen Fakten. Eine der beiden Nebenschöffinnen war nicht ganz so glücklich mit ihrer Funktion und langweilte sich etwas in der Verhandlung, wie sie später zugab. Jedenfalls kann ich mir schon vorstellen, dass sich in die Arbeit eines Juristen viel Routine einschleicht, wenn er tagein tagaus viele ähnliche Fälle bearbeiten muss und die Möglichkeit eines Vergleichs – der für Uneingeweihte immer etwas von einem Deal zum Nachteil der Gerechtigkeit an sich hat – nicht ungern in Betracht gezogen wird. Die Juristen selber, vor allem die beiden Richter, und die Gerichtssaalschreiberin – verhielten sich überaus nett und liebenswürdig uns gegenüber und sparten nicht mit Auskünften aller Art. Der Eindruck, den ich so erhielt, fiel überaus authentisch und real aus.

Mein Intermezzo bei diesem Fall wird kein einmaliges bleiben. Die ohnehin schon sehr lange Verhandlung (sie dauerte bis 17:30 Uhr) musste vertagt werden und der Fall wird im September fortgesetzt um weitere Zeugen zu befragen. Ich bin schon gespannt, wie das alles weitergehen wird, auch wenn an einem Schuldspruch für mich kein Zweifel besteht, ist doch der Angeklagte teilgeständig. Aber die Beratung mit den beiden Richtern zur Urteilsfindung bzw. um die Höhe der Strafe festzusetzen scheint mir doch noch ein besonderes Zuckerl zu sein, auf das ich mich freue. Ich möchte zwar nicht ständig an der Stelle der Richter und Staatsanwälte sitzen und regelmäßig ein Urteil über andere Menschen fällen, was durchaus auch belastend sein kann, aber mein Wissen wie den Horizont zu erweitern scheint mir auf diese Weise doch sehr reizvoll.

Vivienne

 

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