bohnenzeitung.com

 Home Kolumnen Kritisch betrachtet

31.03.2005, © Vivienne

Entarteter Fankult

Hooligans – gehören fast zu jedem Fußballspiel, ob auf nationaler Ebene oder international. Fans sein heißt für diese „Kranken“, dass die eigenen Mannschaft immer gewinnen muss und man dabei auch gern nachhilft, wenn möglich: mit Wurfgeschossen oder Feuerwerkskörpern auf gegnerische Spieler, zum Beispiel. Und selbstverständlich misst man sich auch gern mit den gegnerischen Anhängern, was ein echter Fan ist, der „lebt“ seinen Verein in jeder Minute seines Lebens und verteidigt ihn und seine Ehre mit schweren Geschützen. Und wenn nebenbei noch ein Geschäft geplündert wird und ein paar Passanten verprügelt werden, dann gehört das wohl dazu…

Besonders in Großbritannien ist dieser Unfug sehr stark ausgeprägt, aber auch andere Länder haben längst „nachgezogen“. Erst kürzlich gebärdeten sich gewalttätige Fans bei einem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft wie die Wahnsinnigen und machten dem Mutterland wenig Ehre. Auf diese Weise geht der Sinn des Sports verloren – „friedliche Völkerverständigung“ durch Sport gibt es längst nicht mehr, dabei geht es um zu viel Geld. Um Werbeverträge, um Prämien und eine möglichst lange, erfolgreiche Karriere. Trotzdem ist nicht wirklich nachvollziehbar, warum sich die Fans, vorzugsweise am Fußballplatz, wie der sprichwörtliche „12.Mann“ versuchen, Einfluss auf den Spielverlauf zu nehmen.

Auch in Österreich sind Vereine wie Rapid Wien schon lange wegen ihrer gewaltbereiten Fans berüchtigt. Angetrunkene, brutale Kerle größtenteils, die im Zug randalieren, Streit suchen und einem Angst machen. Ich habe früher bisweilen solche Züge mit den „Fans“ in den Bahnhöfen Linz und Salzburg beobachten können. Kein angenehmer Anblick, diese Typen stanken von weitem nach Bier und Härterem und ich war froh, als ich mich weit genug von diesem Haufen entfernt hatte. Diese scheinbar geistig eher unterentwickelten Leute kapieren in ihrer Beschränktheit oder mit ihrem Alkoholpegel nicht im Geringsten, dass sie dem Verein nur schaden – nicht selten werden Vereine mit entarteten Fans zu hohen Geldsummen verdonnert, die jene allerdings nicht beeindrucken: beim nächsten Spiel wieder auf in den Kampf gegen den Feind – und gegen die aufgerückte Polizei.

Dass man zu einem Match auch nüchtern fahren kann, sich dabei anständig aufführen und sich einfach an einer guten Partie erfreuen kann, auch wenn vielleicht die gegnerische Mannschaft das bessere Ende für sich hat, scheint nicht mehr möglich zu sein. Nicht nur wegen des Geldes, das dahinter steckt, sondern auch weil Sport oft eine Ersatzreligion ist: wenn die Beziehung am Ende ist, wenn der Job nur mehr anödet oder man seit Ewigkeiten nach einer Einkommensquelle auf der Suche ist, dann flüchtet so mancher in den Alkohol und den Sport. Wenn der eigene Verein gewinnt, ist alles in Butter und das Leben ist toll – zumindest, wenn es zusätzlich noch vom Alk umwölkt ist. Nein, es geht schon lange nicht mehr um ein gutes Match, um schöne Torszenen und Kicker, die um jeden Ball und mit Herz kämpfen…

Schade. Ich kann diese Entwicklung nicht begrüßen, obwohl ich selber einmal ähnlich gedacht habe. Auch wenn ich selber nur wie ein Dreschflegel gespielt habe, war ich einmal ein großer Tennisfan – der Einzelkämpfer Thomas Muster war es, der mich in seinen Bann gezogen hatte und ich versuchte, jedes Spiel im Fernsehen mitzuverfolgen. Niederlagen waren jedes Mal eine Katastrophe, über die ich mich tagelang ärgern konnte, obwohl ich nicht einmal selber betroffen war. Heute verfolge ich Tennis nicht mehr mit so großer Begeisterung, aber ich schätze ein gutes Spiel mehr denn je und vor allem: ich sehe es mit anderen Augen. Und ich freue mich über alle guten Ballwechsel, von welchem Spieler auch immer! Eine gute Tennispartie kann ein wahrer Augenschmaus sein….

Darauf sollte es doch ankommen im Sport, oder? Mit einem guten Gefühl heimgehen vom Fußballplatz oder vom Court und sich sagen: heute haben sie super gespielt! Man geht ja auch nicht ins Kino um nur Filme mit Happy End zu sehen, der Streifen soll gut sein! Schwer zu beurteilen, wie man Hooligans bremst, sie tauchen auch gern geballt dort auf, wo Arbeitslosigkeit und wenig Perspektiven den Optimismus und die Lebensfreude drastisch reduzieren – siehe das Beispiel Deutschland. Gebt den Burschen Arbeit, gebt ihnen die Möglichkeit zu einer versierten Ausbildung und einem geordneten Tagesablauf, dann kommen sie nicht auf dumme Gedanken, möchte man sagen – aber ich rede mir wohl leicht.
 

 Redakteure stellen sich vor: Vivienne       
 Alle Beiträge von Vivienne

Schreibe einen Kommentar