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02.07.2005, © Vivienne

Live 8 – Live Aid

Morgen, Samstag den 2. Juli 2005, steigt in zehn europäischen Städten ein unglaubliches Musikevent: Zwanzig Jahre nach dem Sir Bob Geldof, Kopf der Boom Town Rats, sich mit Live Aid unsterblich machte, griff er auf die alte Idee zurück um erneut auf das Elend der Dritte-Welt-Staaten aufmerksam zu machen. War es damals, im Dezember 1984, ein drohendes Hungerdesaster in Afrika, das Geldof mit Hilfe vieler internationaler Musikkollegen mildern wollte (Damals entstand auch „Do They Know It’s Christmas“.), möchten Geldof und angesagte Musiker aus aller Welt diesmal erreichen, dass den industriell unterwickelten Staaten die Schulden erlassen werden. Wie schon so oft versprochen, wie noch nie gehalten.

Gelegenheit für mich, auf das große Spektakel 1985 zurückzublicken, dass ich als blutjunge Frau, erst kurz zuvor mit der Matura ausgezeichnet, miterleben durfte. Eine Zeit auch, in der ich selber noch an große Ideale und echte Hilfsbereitschaft glaubte. Aber kehren wir vorerst zurück in den Dezember 1984, als ich noch mit ziemlicher Sorge im Herzen der Reifeprüfung entgegenblickte. Samstagmorgen 8:00 Uhr und wir Schüler der 8na plagten uns im Sprachlabor ab: auf dem damaligen Blue Danube Radio liefen die Nachrichten in Englisch und wiesen auf die drohende humanitäre Katastrophe in Afrika hin. Was mich damals weniger beschäftigte als den Text überhaupt zu begreifen. Aber um ehrlich zu sein, als wir diesen kurzen News Flash durcharbeiteten und mir bewusst wurde, was sich dort abspielte und was einige britische Musiker damals zum Rollen bringen wollten, bekam ich eine Gänsehaut.

Nicht nur „Do They Know It’s Christmas“ entstand damals und stürmte die Charts auf aller Welt. Jedes Land brachte damals einen eigenen Benefizsong heraus (im Falle Österreichs wohl eher gut gemeint als gut gemacht, wie danach völlig zu Recht bemängelt wurde), dessen Einnahmen den Hunger der betroffenen Länder mildern sollten. Auch die USA ließen sich nicht lumpen, zwei der angesagtesten Künstler Mitte der 80er Jahre, der damals noch menschlich wirkende Michael Jackson und Schwerenöter Lionel Richie, schrieben gemeinsam „We are the world“, den erfolgreichsten Benefizsong aller Zeiten, und im Juli 1985 ging in zwei Städten auf zwei Kontinenten, Philadelphia und London, das Live Aid Konzert über die Bühne, mit allen Stars, die damals Rang und Namen hatten.

Ein sensationeller Samstagabend, das weiß ich noch, die ich dieses Megaevent großteils vor dem Radio mitverfolgte. Phil Collins ließ sich nicht lumpen, trat an beiden Veranstaltungsorten auf und dieser große Aufwand machte ihn zu einem der größten und erfolgreichsten Stars der 80er Jahre. Wie mir auch später bewusst wurde, dass damals nicht alles nur eitel Wonne war, was wie die reine Selbstlosigkeit strahlen sollte. Was aber keinesfalls den enormen Einsatz Bob Geldofs nicht mildern soll. Denn immerhin kostet ihn das kräftige soziale Engagement auch die Karriere. Die Boom Town Rats trennten sich in Folge, solo blieb der Erfolg aus. Für den Friedensnobelpreis wurde Geldof zwar nominiert, er erhielt ihn aber nie.

Der Benefizgedanke breitete sich damals fast aus wie ein Virus. Kaum ein Anlass für den es keine Benefizsingle gab, Veranstaltungen wie Farm Aid kopierten den Gedanken ungeniert. Nur noch selten, etwa im Falle des Fährenuntergangs bei Zeebrügge (Ferry Aid) brachten die Songs auch wirklich noch etwas Nennenswertes ein. Der Grund war ganz simpel: das Besondere des Benefizgedanken ging mehr und mehr verloren, weil ständig irgendein Lied zugunsten irgendeines Anlasses veröffentlicht wurde. Das Interesse ebbte in den Jahren danach merkbar ab… Was blieb, waren eine Hand voll Songs, die tatsächlich Geschichte geschrieben haben, und leicht wehmütige Erinnerungen an das fantastische Konzert 1985, kurz nach meiner Matura.

Ob Geldof und all die Musiker diesmal wieder reell etwas bewegen werden können, muss man erst abwarten. Campino von den Toten Hosen begrüßte kürzlich in einem Interview das wieder aufgeflammte politische Engagement in der Musik, das sich in diesem Event nach einem Jahrzehnt der Bedeutungslosigkeit spiegeln würde. Die großen Schuldnernationen sind jedenfalls danach am Zug, und ich frage mich, ob humanitäre Gründe für diese etwas bedeuten können. Werden wir nicht alle nur vom Profit und wirtschaftlichen Erwägungen dieser Staaten regiert? Und trotzdem, trotz aller Sysiphusarbeit, kann man Männer wie Bob Geldof nicht genug hervorheben, denn sie tragen Sorge dafür, dass der Idealismus nicht völlig ausstirbt. Und den hat diese Welt bitter nötig…

Vivienne

 

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