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15.08.2005, © Vivienne

Sind Bayern die besseren Menschen?

Eine provokante Frage, die ich hier nicht ohne Grund in den Raum stelle. Im kurzen innerdeutschen Wahlkampf liegen offenbar die Nerven blank, da Edmund Stoiber die Ossis, die eher Oscar Lafontaine oder die PDS in Erwägung ziehen, mit wenig schmeichelhaften Attributen bedenkt oder gar mit Kälbern vergleicht. In seinem Bundesland Bayern gehen die Uhren schließlich anders und dass es dem Unionisten nicht schmeckt, dass sich der bayrische Trend gesamtdeutsch nicht so eindeutig fortsetzen lässt, liegt ja wohl auf der Hand. Die Wahl ist für die Union noch lange nicht gewonnen, vor allem auch, weil Spitzenkandidatin Angela Merkel nicht unbedingt eine Sympathieträgerin ist. Wahlhilfe à la Stoiber scheint mir da auch nicht der rechte Weg zu sein…

Ein üblicher Wahlkampf in westlich orientierten Landen scheint mir doch bisher eher auf die Vergabe der so genannten Wahlzuckerln aufgebaut gewesen zu sein. Man kennt das ja aus eigenen Landen. Man verspricht alles, man lügt, dass sich die Balken biegen. Nebenbei kriegt auch der politische Gegner das eine oder andere auf die Mütze, manchmal mehr oder weniger, aber die Wählerschaft eines bestimmten Bereiches einfach  herabzuwürdigen, das hat es doch in der Form noch nie so eindeutig gegeben. Kann das ein sinnvolles Mittel sein, diese Wähler umzustimmen? Eher nicht, wenn wir ehrlich sind, solche Verunglimpfungen wecken den Widerspruchsgeist nur umso stärker. Zumindest bei mir wäre das so, ich ließe mir das nicht gefallen und würde nun „erst recht“ die andere Partei wählen… ja, wenn ich noch wählen gehen würde, aber das ist ein anderes Kapitel.

Doch zurück zum Thema. Angesichts solcher Überlegungen stellt sich doch die Frage: Stoiber wird sich doch nicht insgeheim abwerben haben lassen und unterstützt jetzt Lafontaine? Auch wenn der Effekt derselbe ist, solche Seitensprünge traue ich dem aufrechten Bayern dann doch nicht wirklich zu. Aber klug ist er keinesfalls vorgegangen, alles andere als das, er hat keine feine Klinge geführt, sondern im Grunde genommen auf ziemlich plumpe Art und Weise zum Ausdruck gebracht: Wenn ihr uns, die Union, nicht wählt’s, seid’s ihr aber ziemlich dumm! Erinnert Sie das an etwas? Mich schon, nämlich an Streitereien in der Sandkaste und im Kindergarten. Das Niveau ist haargenau dasselbe.

Moderne Wahlkampfstrategen werden den Kopf schütteln über derartige verbale Fehlgriffe. Natürlich geht es um viel, die Union will nach zwei Legislativen wieder den Kanzler stellen und greift willig den Unmut vieler auf, um den Anspruch auf die Regierungshoheit zu unterstreichen. Ohne dabei aber einen Zweifel daran zu lassen: Wenn wir erst am Ruder sind, wird gleich noch mehr gespart. Zieht euch warm an! Was natürlich denjenigen, vor allem im Osten, die ohnehin schon fast nichts mehr haben, sauer aufstößt. Vielleicht ist Schröder für die meisten nicht mehr unbedingt eine Alternative, aber es gibt auch noch andere Parteien, die zur Debatte stehen… Argumente allein, warum „man da jetzt durchmuss“, bringen denen wenig, für die es scheinbar keine Zukunftsperspektiven mehr gibt.

Trotzdem sind Stoibers verbale Ausrutscher ziemlich letztklassig. In gewisser Weise prügelt er auf diese Weise noch auf die Leute ein, die zu den Ärmsten in ganz Deutschland gehören. Wenn er sich schon nicht mit ihnen solidarisieren kann und möchte oder nicht einmal zu menschlichen, mitfühlenderen Worten greifen kann, sollte er gefälligst den Mund halten. Was er von sich gibt, ist Zynismus pur, und man kann nur hoffen, dass er dafür auch den gebührenden Denkzettel bekommt. So kann man nicht mit Wählern sprechen, auf deren Stimmen er und die Union bitter angewiesen sind. Sie erinnern fast an die Schimpftirade eines Verkäufers bei einer „Kaffeereise“ (mit Werbeverkaufsveranstaltung) wie man in Bayern zu sagen pflegt, bei der die Senioren nicht besonders kaufwillig sind.

Möglicherweise sollte Stoiber ja das Metier wechseln, zumindest im weiteren Wahlkampf aber wieder mehr auf seine Berater hören. Was ich heute so mitbekommen habe im deutschen Fernsehen, gewinnt Gerd Schröder wieder leichtes Oberwasser und bei seinen Veranstaltungen herrscht ausgesprochen gute Stimmung. Fatale Folgen könnte Stoibers vorlaute Sprache also für die Union haben, und das alles nur, weil Stoiber das zum Ausdruck brachte, was sich vielleicht ohnedies die meisten Politiker der Union schon lange denken…

Vivienne

 

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