Der gottgesandte Präsident – Ansichtssache

Eine Woche ist es her, dass wir wissen, dass der Präsident der USA weitere viere Jahre George W. Bush heißen wird und ich bin mittlerweile gefasst genug um meine Sichtweise du diesem Wahlausgang zu artikulieren. Nein, ich will jetzt nicht übertreiben! Aber im Grunde genommen war ich mir im Unterbewusstsein schon im klaren, dass Bush Junior den für amerikanikanische Verhältnisse taktisch geschickteren Wahlkampf führt und es John F. Kerry nur schwer gelingen würde den amtierenden Präsidenten aus dem Weißen Haus zu verbannen. Für dieses Gefühl in mir war sicher keine Meinungsumfrage verantwortlich. Schließlich lagen in den Umfragen die beiden Kandidaten zuletzt praktisch gleichauf – wobei diese Prognosen im nachhinein gesehen auch recht gut gelegen waren.

Immer wieder wurden auch Umfragen veröffentlicht, dass eine fiktive Präsidentenwahl, bei der auch die Europäer wahlberechtigt gewesen wären, eindeutig zugunsten des demokratischen Kandidaten Kerry ausgegangen wäre. Ich kann mir dies auch vorstellen, da die Sichtweise auf die Kriegspolitik Bushs in Europa wohl sicher eine andere als in den USA ist. Man könnte hier nun anführen, dass der größte Terroranschlag der jüngsten Vergangenheit auch die USA und nicht Europa getroffen hat, andererseits der Bluttzoll für Bushs Politik auch zum überwiegenden Teil auf Seiten amerikanischer Soldaten zu verzeichnen war. Aber wahrscheinlich ist diese Betrachtungsweise auch zu pragmatisch.

Ich selbst hätte gar nicht mal nur aus außenpolitischen Gründen einen Wahlsieg Kerrys begrüßt, ich hätte mir auch für die Amerikaner einen politischen Wechsel, etwa in kommunalen Fragen, gewunschen. Fragen, mit denen Kerry erfolglos versuchte Wähler in sein Boot zu holen. Wie mir als Österreicher die Sanierung der Krankenversicherung wichtiger erscheint als der Ankauf von Abfangjägern würde ich als Amerikaner wohl die Kriegspolitik meines Präsidenten bei gleichzeitig nicht bestreitbaren sozialen Problemen nicht goutieren.

George W. Bush konnte über diese Fragen – es fällt mir bei seiner Person schwer das Wort in den Mund zu nehmen – „geschickt“ hinwegsehen. Einerseits konnte er als amtierender US-Präsident seinen Wählern glaubhaft vermitteln, der härtere Kriegsherr zu sein – was möglicherweise sogar zutrifft. Einen Kriegsherr am Weg zu seinem Endziel wollte man nicht absetzen. Ich verarge es den Amerikanern natürlich auch nicht, dass ihnen nach den Ereignissen des 11/9 der Kampf gegen den Terrorismus nicht egal sein kann. Ob Bushs Politik, vor allem am Beispiel Irak, der richtige Weg ist sei dennoch dahingestellt. Ich erinnere mich an eine Aussage Bushs im Wahlkampf, die sinngemäß lautete, sein erster Gedanke nach dem Aufstehen sei, wie er dieses Land vor seinen Feinden schützen könne. Das wirkt! Aber auch die wenige Tage vor der Wahl ausgestrahlte Videobotschaft von Osama Bin Laden hat meiner Meinung nach Bush eher geholfen – auch wenn Bin Laden diese Absicht kaum unterstellt werden kann.

Ein Aspekt dem ich bei weitem nicht seine Tragweite zugetraut hätte wird aber nun von europäischen Analysten besondere Bedeutung beigemessen. So habe ich offenbar zu lange Zeit die in den USA gegenüber Europa weitaus höhere Bedeutung der Religion nicht wahrhaben wollen. Das Mutterland des Big Mac muss doch modern und aufgeschlossen sein, so mein früher noch ansatzweise in mir sitzender Irrglaube. Ich denke, an dieser Stelle Missverständnissen vorbeugen zu müssen. Ich gehöre selbst (noch) der römisch katholischen Kirche an, habe mein Verhältnis zu Gott bereits in dem Beitrag ‚Agnostizismus‘ dargelegt und bekenne mich uneingeschränkt zur Religionsfreiheit, die jedem die Ausübung seiner Religion gestatten muss. Andererseits trete ich aber für eine strikte Trennung von Kirche und Staat ein und lehne selbstverständlich jede Verpflichtung zur Religiosität ab.

Den Aspekt der mich im Wahlkampf schwer irritiert hat, war jener wie sich George W. Bush ernsthaft als gottgesandt vermarktete, seine Politik sei gottgefällig und gottgeleitet. Dass dieser Clou aufgehen konnte ist eine andere Geschichte, wobei mein Weltbild dafür zwei Sichtweisen zulassen würde. Dieser Mensch gebraucht den Namen Gottes missbräuchlich zu seinem eigenen Nutzen, was meinen bescheidenen religiösen Kenntnissen zufolge gegen das zweite Gebot („Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren“) verstoßen würde. Oder der Mensch glaubt tatsächlich ein Gesandter Gottes zu sein, wobei ich ihm in diesem Fall einen Arzt empfehlen würde. Soweit meine Auslegung zu unserem von Gott auserkorenen Kriegsherrn.

Pedro

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