Ob ich eine gute Köchin bin? Ich weiß es nicht. Wenn ich ehrlich bin, mein Mann Albert isst normalerweise, was ich ihm auf den Tisch stelle, und das ist immer schnell und unkompliziert bereitet: vor allem Fisch, Gemüse und Gemüseaufläufe, Geflügel, frische Salate, Reis- und Nudelgerichte… Im Grunde, denke ich, könnte ich eine ganz gute Köchin sein, wenn ich nur wollte, aber ich nehme mir nicht die Zeit dazu. Ganz im Gegensatz zu meiner Schwester Jacqueline, die seit der Hauptschulzeit in der Lage ist, ihre unwiderstehlichen Gerichte gerade zu zelebrieren. Ihre Mehlspeisen, im Vertrauen, sind ein Gedicht, ihre Torten eine lukullische Versuchung schlechthin. Einige Zeit habe ich durchaus versucht ihr nachzueifern, aber dann ließ ich es bleiben. Dieser eine Guglhupf vor fast fünfundzwanzig Jahren lag mir nämlich wie Blei auf der Seele…
Vor einer halben Ewigkeit feierte eine Großtante von uns ihren 75er. Meine Eltern hatten sie deshalb zu uns eingeladen, und da sollte nicht irgendetwas zum Kaffee aufgewartet werden. Neben einer breiten Palette an Keksen – die Tante feierte im Advent ihren Ehrentag – sollte auch ein Marmorguglhupf von mir den Tisch schmücken und anschließend den Gaumen verwöhnen. Wenn ich wollte, dann konnte ich schon damals ganz passable Mehlspeisen kreieren und mein Lebkuchen schmeckte immer schon ganz gut. Aber in diesem Advent war ich schlecht beisammen: ich war noch Schülerin, hatte ein paar Fünfer bei den letzten Schularbeiten geschrieben und außerdem war ich unglücklich verliebt. Schon länger, aber diesmal quälte mich die unerwiderte Liebe wieder ganz besonders – denn mein Schwarm hatte bei seiner eigenen unglücklichen Liebe ausnahmsweise einmal Oberwasser…
Die Kekse hatte ich schon am letzten Wochenende gebacken. Aber der Guglhupf musste frisch sein – und Tante Margot würde von meinen Eltern kurz nach dem Mittagessen vom Bahnhof abgeholt werden. Also war es an der Zeit mich an die Arbeit zu machen, aber irgendwie war ich mit den Gedanken abwesend. Ich musste ständig an den Mitschüler denken, an dem ich so hing, aber trotzdem war es an sich nicht schwierig, die abgewogenen Zutaten zu mischen. Dann butterte und bemehlte ich die Guglhupfform und schob sie mit dem Teig ins Backohr. Und an dieser Stelle passierte mir der verhängnisvolle Fehler: ich stellte eine zu hohe Temperatur ein, in der Hoffnung, die Backzeit damit etwas zu verkürzen. Mir war nämlich gerade bewusst geworden, dass ich ein wenig getrödelt hatte und hinter meinem Zeitplan lag.
Meine Hast wäre aber nicht nötig gewesen – der Zug aus Graz, mit dem Tante Margot angereist war, hatte Verspätung gehabt. Sie kam daher einen Zug später in unserem Bahnhof an, und als wir uns endlich im Wohnzimmer zusammensetzen konnten, war der Guglhupf schon goldbraun gebacken. Ich hatte ihn noch mit Streuzucker geschönt und der Kuchen duftete verführerisch. Stolz trug ich mein vermeintliches Meisterwerk hinein und stellte es in die Mitte des Tisches. Dann langte ich nach dem Messer und begann einzelne Kuchenstücke herunter zu schneiden. Das heißt, ich wollte es, aber ich hielt schon nach dem ersten Stück inne – ich konnte deutlich erkennen, dass der Kuchen innen teilweise noch teigig war! Mir wurde auf einmal siedend heiß – welch eine Blamage vor der Familie! Und das auch noch ausgerechnet beim Besuch der gestrengen Tante Margot… Und während ich auf den teigigen Kuchen starrte, realisierte schließlich auch meine Familie, dass etwas nicht stimmte.
Ich war nahe daran in Tränen auszubrechen. Den missratenen Kuchen ließen wir schnell vom Tisch verschwinden, dafür stellten meine Schwestern zwei Schalen mit Keksen hin. Tante Margot verzog zunächst ihr Gesicht säuerlich, aber sie sagte kein Wort, nur ihr Blick ruhte kurz einmal leicht spöttisch auf mir, aber nicht böse. Die Kekse müssen der alten Dame dann doch ganz gut geschmeckt haben, denn später blieb sie einmal kurz bei mir stehen und nickte schon wieder wohlwollend. „Weißt du, in deinem Alter konnte ich auch noch nicht so gut kochen!“ Es war ihre Art mir Trost zu spenden, aber ich brauchte tatsächlich einige Tage, um mich von diesem „Versagen“ zu erholen, ein Versagen, das im Grunde keines gewesen war. Schließlich wurde mir klar, dass der Vorfall wahrscheinlich sehr schnell wieder vergessen sein würde…
Eine gewisse Scheu zu kochen ist mir trotzdem geblieben. Vor allem, wenn wir Gäste haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mir in meinem Hang zum Perfektionismus immer mehr Druck mache als nötig – und ich mir „Fehler“ oder „Mängel“ so absolut nicht zugestehe. Durchaus ein Punkt um einmal einzuhaken und nachzudenken, wem ich eigentlich wirklich etwas beweisen will…
© Vivienne