Der Tag des Filterkaffees

Vieles wurde in den letzten Tagen berichtet über Sauforgien und Exzesse oft noch sehr jugendlicher Menschen und mancher hat wohl den Kopf geschüttelt darüber, wie man sich mit fester Absicht bewusstlos trinken kann… Darüber wird oft vergessen, dass im Wein nicht nur Wahrheit liegt sondern Alkohol allgemein, in Maßen und mit Verstand genossen, durchaus die Kreativität fördert und Menschen vertrauter, bisweilen sogar zu Freunden machen kann – zu Freunden für’s Leben. Manchmal zumindest, und mir fällt dazu immer eine Geschichte ein, die mir mein Mann Albert von einer Firmenfeier vor ein paar Jahren erzählt hat und die meine Überlegungen zu bestätigen scheint…

Zu dieser alljährlichen Firmenfeier in einem Linzer Lokal hatte der Chef meines Mannes, Rossecker, wieder einmal gebeten und wie es der Zufall so wollte, bekam Albert einen Platz an dessen Tisch. Rossecker, der schon seit Tagen die schlechte Auftragslage lautstark beklagt hatte, war entsprechend übel gelaunt und schien allen die an sich gute Laune mit purer Absicht verderben zu wollen. Jedes banale Wort, jeder noch so harmlose Scherz wurde von Rossecker ins Gegenteil verkehrt. Seinen Mitarbeitern verging schnell jede Freude an dem vermeintlich geselligen Beisammensein und als sich Rossecker dann nach dem Essen noch einen Verlängerten bestellte, steuerte die allgemeine Stimmung vorerst einmal den nächsten Tiefpunkt an. Rossecker nahm nämlich einen Schluck vom Kaffee, verzog den Mund und krächzte. „Das soll ein guter Verlängerter sein? Der schmeckt ja wie Filterkaffee! Pfui Teufel!“

Albert, mein Mann, hat in den Jahren bei der Großhandelsfirma gelernt, mit seinem Boss umzugehen und vor allen Dingen weiß er längst, wann es besser ist, den Mund zu halten. In diesem Fall konnte sich Albert aber einen Kommentar nicht verbeißen. „Er hatte es irgendwie herausgefordert! Und mir war es in diesem Moment mehr als nur egal, ob er sauer sein würde.“ Mit diesen Worten erklärte mit Albert, warum er an jenem Abend das allgemeine Schweigen gebrochen hatte. „Filterkaffee muss nicht notwendigerweise schlecht sein!“ antwortete er also seinem Chef. „Der Geschmack hängt wohl eher davon ab, wie gut die Kaffeebohne selber ist. Kaffee aus der Espressomaschine muss auch nicht unbedingt eine Offenbahrung sein.“ Rossecker blieb einen Moment der Mund offen, als ihm Albert da so unverhohlen widersprach. Dann kräuselte er die Lippen verächtlich und meinte bissig. „Du hast vermutlich noch nie in deinem Leben guten Kaffee vorgesetzt bekommen. Sonst könntest du wohl nicht so ahnungslos daherreden! Filterkaffee oder Kaffee von der Espressomaschine – beides probiert, kein Vergleich!“

Genau genommen enthielt diese Unterhaltung einiges an Konfliktpotential. Rossecker war an jenem Tag so mies drauf, dass wohl ein handfester Streit aus diesem Dialog erwachsen hätte können. Aber dazu kam es nicht, denn ein weiterer Kollege, Felix Zeisner, mischte sich unversehens in das Gespräch ein. Und das mit dem Schalk im Nacken… „Filterkaffee ist großartig! Der beste Kaffee überhaupt. Und man müsste eigentlich etwas tun, dass das die Leute auch zu würdigen wissen. Denn nichts geht über echten Filterkaffee!“ Albert berichtete mir, dass Rossecker daraufhin große Augen gemacht hätte, er bemerkte zunächst nicht, dass Zeisner ganz gezielt mit dieser scheinbaren Provokation die leicht aggressive Stimmung aus der Runde nehmen wollte. Und Zeisner hatte Erfolg damit. Albert, selber ein sehr humorvoller Mensch und auch sonst nicht auf den Mund gefallen, stärkte dem Kollegen, mit dem er bis dato nie so viel zu tun gehabt hatte, den Rücken.

„Aber sicher! Man müsste doch wirklich eine Liga zur Verbreitung des Filterkaffees gründen! Filterkaffee darf nicht aussterben!“ Zeisner, der sich unerwartet gestärkt fühlte, wurde in diesem Moment unerwartet von der Muse – oder einem Geistesblitz – geküsst und gebar einen genialen Gedanken. „Genau! Wisst ihr was? Wir brauchen einen „Tag des Filterkaffees“! Wie den ersten Mai! Ein Tag an dem wir, die Freunde des Filterkaffees, auf die Straße gehen und uns für die Rechte der Filterkaffeetrinker engagieren. Wir halten Lobreden zu Ehren des Filterkaffees und machen eine breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam, wie wohlschmeckend der Filterkaffee im Grunde ist und protestieren für mehr Anerkennung für den Filterkaffee!“ Die Kollegen kicherten nun schon unverhohlen und verfolgten die Unterhaltung mehr als nur amüsiert. Wein wurde geordert und schön langsam kam Leben in die Runde. Zwanglos kamen die ersten Unterhaltungen an den Tischen in Gang und Rossecker selbst war sichtlich bemüht, ein Schmunzeln zu unterdrücken. Vor allem, als Zeisner schließlich vorschlug, die Mitglieder der Liga müssten allesamt Filtertüten als Kopfbedeckung tragen – zum Beweis ihrer ehrenvollen Gesinnung.

Albert und sein Kollege setzten aber noch eines drauf. Während sie sich noch scherzhaft bekriegten, wer von den beiden den Vorsitz der Liga zur Verbreitung des Filterkaffees übernehmen würde, legten sie schon den 8. Oktober als „Tag des Filterkaffees“ fest und begannen zu diskutieren, wie die Statuten aussehen sollten. Schließlich bot sich Rossecker schmunzelnd als Kassier der Liga an, denn mit Geld und Zahlen hätte er ständig zu tun – er wäre prädestiniert. Bei einem Glas Rotwein stießen die drei feierlich an und die Liga zur Verbreitung des Filterkaffees war damit offiziell gegründet. Die Liga überlebte diesen dann doch noch feuchtfröhlichen Abend allerdings nicht lange. Eine halbe Nacht wurde gefeiert, geschäkert und über den „Tag des Filterkaffees“ gelacht und philosophiert und vor allem immer wieder angestoßen. Ansonsten geriet der „Tag des Filterkaffees“ im Zuge des Arbeitsalltages schnell in Vergessenheit. Allerdings wurden Albert, mein Mann, und sein Kollege Felix Zeisner an diesem Abend Freunde – und blieben es auch…

© Vivienne

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