Dieser Tage flatterte meinen Eltern, kleinen Pensionisten, die auch heuer wie jedes Jahr den so genannten „Lohnsteuerausgleich“ gemacht haben, der Bescheid des Finanzamtes ins Haus. Die Verständigung war ein kleiner Schock für die beiden: Fast 350 € müssen meine Eltern bis Ende Juni nachzahlen, ein Betrag, den die beiden schmerzhaft spüren werden. Mein Vater war Zeit seines Lebens Schichtarbeiter, und ist seit 1990 in Pension, meine Mutter war nach der Heirat mit meinem Vater ohne eigenes Einkommen und hat keinen Anspruch auf eine eigene Pension erworben, weil sie nach der Heirat de facto „ausgesteuert“ wurde – wie es in den 60er Jahren noch Gang und Gebe war. Nicht nur deswegen würden meine Eltern einen Goldesel im Haus bisweilen durchaus begrüßen. Denn bei dem oben erwähnten Betrag an die Finanz wird es heuer nicht bleiben.
Auch wenn es nach normaler Logik kaum nachvollziehbar ist, wurde auf dem besagten Bescheid meinen Eltern auch schon eine „Vorauszahlung“ für das kommende Jahr angekündigt, noch ein wenig höher als die besagten 350 €. Alles in allem sind es umgerechnet fast 10.000 Schilling, die Grassers Schergen da von meinen Eltern ziemlich keck einfordern. Kein Pappenstiel, wenn man bedenkt, dass am Haus meiner Eltern dieses Jahr durch eintretendes Grundwasser nach dem Hochwasser ein nicht geringer Schaden verursacht wurde, der auch noch gerichtet werden muss. Leider hat mein Vater auch nicht die Möglichkeit, sich vor dem Lohnsteuerausgleich zu drücken, so wie ich es tue: er bezieht nämlich zusätzlich zu seiner ASVG-Pension eine Mini-Rente aus einer Auslandstätigkeit in den Nachkriegsjahren, und darum fordert ihn das Finanzamt alljährlich sogar verpflichtend dazu auf.
Diese Mini-Pension macht meinen Eltern im Grunde mehr Umstände als dass sie finanziell etwas bringt, verzichten darf mein Vater aber auch nicht, denn der Finanzminister hält schon seine Hand auf – zum Wohle des eigenen Landes und natürlich auch zu seinem eigenen. Was mich selber am meisten ärgert an diesen krausen Methoden und Vorschriften des Finanzamts zur Geldbeschaffung ist – im Falle meiner Eltern – die vorgeschriebene Vorauszahlung der im nächsten Jahr zu erwartenden Rückzahlungen. Genügt es denn nicht, meine Eltern ganz normal im kommenden Jahr zur Kasse zu bitten, wenn sie sich einmal mehr dem Abenteuer Lohnsteuerausgleich gestellt haben werden? Wenn Sie mich fragen: diese Vorauszahlung ist im Grunde eine bodenlose Frechheit, vergleichbar, als würde eine KFZ-Werkstätte einem Autofahrer, der das Pickerl dort machen hat lassen, auch gleich die Kosten für das nächstjährige Service hochgerechnet in Rechnung stellen.
Oder der Supermarkt für den nächsten Einkauf im Voraus kassieren… – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ich merke schon, wie Sie jetzt protestieren wollen, liebe Leser, und ich weiß auch warum. In diesem Fall hat dieses „merkwürdige Gebaren“, dass sich nur die Finanz oder eine sonstige staatliche Institution leisten können, natürlich einen ganz wichtigen Hintergrund, der offiziell gern verschwiegen wird. Da geht es nicht nur nach dem Motto: Was wir haben, haben wir! Und das geben wir nicht mehr her! Viel mehr braucht der Staat Geld, brennend, und darum fordert er im Voraus, was sich sonst keine einzige Branche in diesem Land erlauben dürfte. Um für diese Einnahmen zusätzlich in Form von Zinsen wieder Geld einzunehmen, Geld, das dem Staatssäckl fehlt wie einem Verdurstenden in der Wüste ein wenig Flüssigkeit.
„Rechtmäßig“ ist so das insofern, weil sich der Finanzminister diese Vorgangsweise natürlich gesetzlich abgesichert hat. Und ganz sicher wird sich Herr Grasser noch ganz andere Tricks einfallen lassen, um für noch mehr Einnahmen zu sorgen, wenn die Ebbe in der Staatskasse noch drängender werden sollte. Meine Eltern sind dabei in der Rechnung der Finanz zu vernachlässigen, ein Finanzkunde von vielen, die eine Zweitpension aus dem Ausland beziehen und die deshalb auch im Voraus geschröpft werden dürfen. Betroffen sind von dieser Geldbeschaffung allerdings auch viele Selbständige. Die Schwiegereltern einer meiner Schwestern sind selbständig und sie selbst hat erst kürzlich erwähnt, wie drastisch deren Steuervorauszahlungen in den letzten Jahren angestiegen sind. Die Vergleiche des Volksmundes, die in der Finanz die moderne Variante des Vampirismus erkennen, treffen wie so oft den Nagel auf den Kopf. Noch schlimmer: gegen echte Vampire sind wenigstens Knoblauch und Silberkugeln erfahrungsgemäß sehr hilfreich, gegen die Vampire im Dienste von Charly Grasser allerdings ist man völlig machtlos… Sie haben die Lizenz zum Geldklau!
© Vivienne