Ja, Ministerialrat müsste man sein! brachte es ZiB-Moderator Tarek Leitner heute, vor wenigen Minuten (27.09.), auf den Punkt. Die Geschichte des Gorbach-Mitarbeiters, der – auf dem Weg zu einem Termin mit Staatssekretär Kukacka in Schwarzach St. Veit – einen Intercity (!) in Neulengbach stoppen ließ, weil er eben den Herrn Staatssekretär nicht warten lassen könne, schlug schon hohe Wellen. Ein Otto-Normal-Verbraucher kann es sich wahrlich nicht leisten mit den Worten: „Ich bin Mitarbeiter des Verkehrsministeriums und somit Betreiber!“ einen Zug anhalten zu lassen. Der Herr Ministerialrat hatte von einer vermutlich nicht mehr aktuellen ÖBB-CD eine falsche Zugfahrzeit abgelesen und als er vergeblich am Bahnsteig wartete, war ihm die kecke Idee gekommen, sich auf diese Art und Weise noch Einlass in „seinen“ Zug zu verschaffen…
Nein, ich bin nicht erstaunt, dass so ein Vorstoß in Österreich erfolgreich ist und dass in unserem Staate, wo man titelgläubig ist wie sonst nirgends, sofort die Herrschaften von der Bahn vor dem Herrn Ministerialrat gekuscht haben. Mir fiel dazu wieder die Geschichte ein, als ich mich vor bald zwei Jahren kurz nach Weihnachten auf eine Städtereise nach Istanbul machte und der an sich pünktliche Zug kurz vor Linz wegen eines Stromausfalls stehen bleiben musste und fast zehn Minuten nicht weiterfahren konnte. Ich bat daraufhin den Schaffner im Zug händeringend, er möge doch Linz informieren damit man den Anschlusszug nach Wien warten lasse würde, weil ich doch zeitgerecht zu meinem Flieger musste.
Wenn Sie sich an die Geschichte nicht mehr erinnern, können Sie sie in meinem Reisebericht im Magazin gerne nachlesen. Am Linzer Hauptbahnhof verschwendete man übrigens nicht einen Gedanken daran, den Zug auf mich warten zu lassen, ganz im Gegenteil. Kurz vor dem Linzer Bahnhof musste mein Regionalzug sogar noch warten, weil „mein“ Zug nach Wien in die Gegenrichtung abfuhr. Eine Frotzelei im Grunde, eine bodenlose Frechheit, weil wie jeder Pendler längst weiß Regionalzüge häufig auf einen Inter- oder Euro-City aus Richtung Wien oder Salzburg warten müssen. Während umgekehrt, wenn man selber aus der Provinz kommt, sich die Fahrdienstleiter am Linzer Hauptbahnhof wenig darum kümmern, ob man möglicherweise einen passenden Anschlusszug eben nach Wien oder Salzburg braucht oder nicht.
Damals hatte ich Glück. Kollege Einstein sprang für die Bahn in die Bresche und lieferte mich trotz des Feiertages pünktlich in Schwechat ab. Wir fanden sogar noch Zeit für ein dienstliches Gespräch bei einem Kaffee… An sich kann man nur hoffen, nicht auf das Wohlwollen eines möglicherweise schlecht gelaunten oder völlig gleichgültigen ÖBB-Fahrdienstleiters angewiesen zu sein und wenn ich ehrlich bin, werde ich es in Zukunft sicher vermeiden, vom Wiener Flughafen aus in den Urlaub zu fliegen. Das ist mir nach dieser Erfahrung zu riskant. Aber angesichts dieser Geschichte über den Herrn Ministerialrat, der tatsächlich formulierte “Ich bin Betreiber der Bahn!“ kommt mir die Galle wieder hoch.
Um es einmal klar zustellen: „Betreiber“ sind wir im Grunde alle und das Verhalten des Herrn Ministerialrates kann man nur als gelebte Präpotenz umschreiben. Man stelle sich nur vor, ein Mitarbeiter eines beliebigen Unternehmens würde wegen eines dringenden Termins die Herrschaften von der ÖBB beknien, so einen internationalen Zug für ihn außerplanmäßig anzuhalten. Die Erklärung, die ÖBB-CD wäre nicht mit den aktuellen Fahrzeiten bestückt gewesen, würde die ÖBBler nur einen Lacher kosten. Wozu gibt es schließlich Internet und Zugauskunft 05/1717? Tatsächlich würde es uns allen so gehen, ob nun in der Provinz oder in einer großen Stadt am Bahnhof. Verantwortlich ist schließlich jeder selber dafür, dass er die korrekte Auskunft erhält und selbst wenn im Internet ein Fehler passiert oder ein Mitarbeiter der Zugauskunft Blödsinn erzählt – die Bahn wird darauf nicht Rücksicht nehmen.
Nur wenn sich ein Ministerialrat nach vorne drängt und auf seine Position pocht, dann stehen die Herrschaften sofort stramm. Das wurde uns anhand dieses aktuellen Beispieles wieder anschaulich vor Augen geführt. Die Ironie am Rande: Staatssekretär Kukacka, den der Herr Ministerialrat nicht warten lassen wollte, hätte eine mögliche Verspätung weniger dramatisch gesehen, das hat er die Medien längst wissen lassen. Im Zeitalter des Handys wäre es schließlich kein Problem gewesen, Kukacka beizeiten darauf aufmerksam zu machen. So was kann, wenn wir ehrlich sind, immer wieder passieren – wir sind alle nur Menschen. Sich aber Kraft „seiner Stellung“ Vorteile zu verschaffen, von denen ein Durchschnittsbürger nur träumen kann, setzt wohl auch eine gewisse Geisteshaltung voraus, die man mit Fug und Recht kritisieren kann und darf… Passieren wird dem Herrn Ministerialrat dem Vernehmen nach trotzdem nichts. Es lebe die Gleichheit der Menschen!
© Vivienne