In guten wie in schlechten Zeiten…

Nein, liebe Leser, ich kündige Ihnen heute nicht etwa völlig unerwartet meine Heirat an, nichts ist mir ferner. Wie ich die interessierten Leser wissen ließ, ist die Ehe als Institution für mich ziemlich verzichtbar und von mir keinesfalls gewollt – komme da wer wolle. In diesem Beitrag geht es um eine ganz andere Bindung, um eine persönliche, um eine sehr wichtige und besondere, nämlich um eine politische. Wie die meisten ohnedies schon wissen, bin ich eine deklarierte „Rote“, quasi von Kindesbeinen an. Ich besitze kein Parteibuch, aber ich pilgere zu jeder Wahl und leiste meinen Beitrag für die Stimmenzahl der Sozialdemokraten… Nicht immer erfolgreich zuletzt, aber es geht bei einer Lebenshaltung weniger um den „Sieg“ als vielmehr um eine Geisteshaltung – das ist entscheidend. Und wenn der Kreis der Leute, die diese Anschauung teilen, zur Zeit etwas kleiner ist, ändert das nicht meine Einstellung. Ich bin eine Rote, und das kann man nicht auslöschen in mir.

Als so etwas wie politische Meinung in mir aufkam, regierte Bruno der I. Sonnenkönig von Österreich. Ich beschreibe Kreisky bewusst etwas ironisch, aber viele seiner Leistungen haben mir erst die Ausbildung ermöglichst, von der ich heute zehre. Das Wissen und die Weltanschauung, die wurden in jener Zeit gesät und die Saat ging auf. Jahre später doch umso nachhaltiger und reicher. Ohne Schulbuchaktion hätte ich nie eine höhere Schule besuchen können – wer weiß wo ich heute wäre? Wahrscheinlich hätte ich nicht einmal eine Lehre absolvieren können, ich hätte einen ungelernten Job nach dem anderen ausgeübt und wäre versauert: vielleicht mit Mann und Kindern, aber das war mir Gott sei Dank nicht vorbestimmt. Ich bin nicht der Typ Frau, der im Familienleben allein aufgeht, und an einem derartigen Schicksal konnte ich meinen Lebensweg Gott sei Dank erfolgreich vorbeilenken. Und das habe ich natürlich auch indirekt Kreiskys sozialer Politik zu verdanken…

Es ist nicht länger modern, rot zu wählen. Viele bevorzugen schon Strahlemann Strache mit seinem Zahnpastalächeln (wäre er doch bei den Zähnen geblieben!), der vermeintlich ausspricht, was die Menschen denken und fühlen. Immer öfter wird man auch zum Looser abgestempelt, wenn man sich zur Sozialdemokratie bekennt. Neulich meinte man einmal sinngemäß zu mir, die wirklich guten Leute wären längst zur ÖVP gewechselt. Darüber kann man streiten, ob man sich zur „Elite“ der Konservativen rechnen möchte. Ich jedenfalls ganz bestimmt nicht. Bei mir liegt das wohl auch in den Genen, vielleicht bin ich auch infiziert von einem Virus, der sich durch kein „Medikament“ heilen lässt. In diesem Fall wohl Gott sei Dank. Auch wenn die politische Landschaft in diesem Land an sich nicht besonderes beeindruckend bestückt ist und auch wenn sich das Land weit weg bewegt hat von den beeindruckenden Wahlsiegen Bruno Kreiskys, ich kann halt nicht gegen meine Überzeugung wählen und denken. Wie sagt man? In guten wie in schlechten Zeiten… – eben, wenn man so schnell das Handtuch wirft, kann es mit der Gesinnung nicht sehr weit her sein!

Diese Zeiten sind für die Sozialdemokratie zweifellos nicht die „guten“, aber wie im Falle einer eigenen Lebenskrise kann man sich nur schrittweise vorwärts kämpfen. Und der eigene Standpunkt erhält dadurch eine ganz besondere Bedeutung. Politische Gesinnung ist so etwas wie eine eigene Lebensphilosophie, und die kann man auch nicht umwerfen oder biegen, sonst würde man sich wohl selbst verleugnen. Dass ein möglicher konservativer Lebenspartner meine Meinung beeinflussen könnte, halte ich für völlig ausgeschlossen. Ganz abgesehen davon, dass ich, mit ein paar ausgewählten Ausnahmen, gute Freunde und Bekanntschaften gezielt im linken Spektrum der Parteienlandschaft suche. Glauben Sie mir, es hat sich durchaus bewährt. Auch wenn gerade eine ultralinke Gutfrau vor einigen Jahren beinahe erreicht hätte, dass ich mich eines anderen besonnen hätte. Die persönlichen Untergriffe dieser Person in einem AMS-Kurs hätten beinahe geschafft, was der manchmal schon penetranten Überredungskunst so manches überzeugten „Schwarzen“ nie gelingen wird. Nach der Enttäuschung und Wut fasste ich mich wieder, weil man schließlich nicht ablegen kann, was man nun mal ist und denkt: eine Sozialdemokratin – und ein paar widerwärtige Schmeißfliegen gibt es schließlich im besten Stall…

In guten wie in schlechten Zeiten – so, wie man zu einem guten Freund hält, der in Nöten ist, werde ich auch weiter die SPÖ mit meiner Stimme stärken. Bei jeder kommenden Wahl – nicht aus Sturheit, sondern weil ich überzeugt bin. Und weil ich mich als bekennender Freigeist am besten in jener Partei finde, aus der in der Vergangenheit auch viele Freigeister hervorgegangen sind. Zugegeben, zur Zeit tummelt sich Rot bevorzugt in der Nähe des Zentrums und mancher politische Kompromiss ist nicht immer nachzuvollziehen. Ich weiß, wo ich hingehöre, ich weiß, wo ich daheim bin und ich heule ganz bestimmt nie mit den schwarzen Wölfen…!

© Vivienne

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