Albert, mein Mann ist ein recht geschickter Heimwerker. Im Grunde kann er mit fast allem umgehen, was man in einem Eigenheim so benötigt, um dieses oder jenes zu richten oder wieder auf Vordermann zu bringen. Auch wenn ich selber schon gelernt habe, mit einer Bohrmaschine zu werken, dränge ich mich bei uns daheim bei Reparaturen oder Ähnlichem nicht in den Vordergrund. Ali versteht sich auf das alles ja trotzdem besser und ich bin ja keine bitterböse Emanze, dass ich es mir um jeden Preis beweisen müsste, dass ich mit meinem Mann mithalten könnte. Er ist einfach geschickter als ich, und meine Qualitäten liegen eben anderswo…
Es ist ca. ein halbes Jahr her, dass ein Nachbar aus dem zweiten Stockwerk bei uns vorstellig wurde. Er war ein netter, älterer Herr, der schon auf die Sechzig zuging und seine Frau war wegen Problemen an der rechten Hüfte gehandicapt. Der Mann, ein gewisser Herr Karner, redete etwas umständlich herum, aber auf den Punkt gebracht hatte er ein Anliegen an uns. Die Karners wollten ihr Schlafzimmer neu streichen, weil sie ein neues Bett bekamen und einen neuen Kasten, alleine sah sich aber Karner außerstande, das zu schaffen. „Sie waren uns neulich so behilflich, als das Auto nicht anspringen wollte, und da dachten wir, vielleicht könnten Sie uns helfen, unser Schlafzimmer wieder auf Vordermann zu bringen…“
Ich war nicht besonders begeistert deswegen, noch dazu war ich etwas verkühlt, aber Ali nickte. „Ich helfe Ihnen, das schaffen wir schon Her Karner. Ist es Ihnen recht, wenn wir das nächstes Wochenende in Angriff nehmen?“ Karner strahlte. „Aber natürlich! Sie sind so nett, herzlichen Dank!“ ich sagte kein Wort, als der Mann gegangen war, aber Ali spürte, dass ich wegen seiner Entscheidung nicht glücklich war. „Das eine mal, Vivi! Und die Leute sind echt nett – willst du sie in der Situation allein lassen?“ Was hätte ich schon sagen sollen, ich fügte mich und am nächsten Samstag räumten wir, Ali und ich, das Schlafzimmer der Karners aus und begannen die Wände in einem angenehmen hellen Blau zu streichen. Der intensive Geruch der Farbe ließ meinen Schnupfen wieder akut werden und als wir spätabends in unsere Wohnung zurückkehrten, fühlte ich mich wie gerädert.
Aber mein Mann strahlte. „Siehst du? Wir haben es geschafft! Und die alten Leute haben eine Riesenfreude!“ Damit hatte Ali wohl Recht, allerdings in einer anderen Art und Weise, als er gedacht hatte. Keine zehn Tage später stand Karner nämlich wieder vor der Tür, druckste umständlich herum, aber er kam nicht ohne Grund: Das neue Bett und der neue Schlafzimmerkasten würden in ein paar Tagen geliefert werden. Ob wir den beiden nicht helfen könnten, alles zusammenzubauen und im Schlafzimmer aufzustellen? Ich dachte, ich würde nicht richtig hören, aber es bestand kein Zweifel am Wunsch des verschmitzt lächelnden Mannes. Und was ich noch weniger begreifen konnte, war, dass Ali zwar kurz schluckte, aber schließlich nickte. „Okay, wir helfen Ihnen. Geben Sie uns einfach Bescheid, wenn die Möbel geliefert werden.“
Ich schwieg auch dazu, obwohl ich schon ziemlich sauer war. Ali versuchte mich zu beschwichtigen. „Schau, Viv, die Leute sind überfordert mit so was. Da kann man ja nicht dabei stehen und zuschauen, oder?“ Ich war nicht in Laune zu streiten, aber ich denke, es war kein Zufall, dass es in unserem Liebesleben in Folge ungewohnt ruhig wurde – irgendwie war mir bei der Aussicht auf die ganze Arbeit nämlich die Lust auf Sex vergangen, ohne dass ich mich bewusst verweigerte. Aber schließlich machten wir uns auf, die Schlafzimmermöbel der Karners aufzustellen um die alten Leute wieder glücklich zu machen. Ich begann mich zu fragen, ob es das jetzt gewesen war, aber meine Skepsis ließ mich nicht mehr los. Und meine schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich als zwei Wochen später Herr Karner wieder vor der Tür stand.
Nachbarschaftshilfe war ja recht schön und gut, aber irgendwann hatte auch die ihre Grenzen. Herr Karner setzte wieder seine um Hilfe heischende Miene auf, als ich einen Blick von Ali erhaschte, ein Blick der leichte Verzweiflung anzeigte. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass Ali nicht nein sagen würde können. Nicht er, der geborene Pfadfinder, der alten Leuten in der Not beistehen musste, wo immer es notwendig war! Als Karner gerade ansetzte zu erläutern, dass er und seine Frau jemanden bräuchten, der ihnen das Bad fließen würde, unterbrach ich ihn, leise, aber mit unmissverständlichem Unterton. „Nein, Herr Karner, wir bedauern, aber das geht nicht mehr. Wir können nicht Ihre ganze Wohnung auf Vordermann bringen, wir möchten auch wieder mal ein Wochenende für uns haben, oder besser gesagt, wieder mal ein paar hintereinander. Ich bin sicher, jemand anderer im Haus wird Ihnen gerne helfen.“
Das Lächeln auf Karners Gesicht erstarb. Hilfe suchend wandte er sich an Ali, aber der atmete tief durch. „Sorry, Herr Karner, aber meine Frau hat Recht. Wir haben Ihnen gerne geholfen, aber wir können nicht immer einspringen…“ Karner verließ unsere Wohnung grußlos, und mir fiel später immer wieder auf, dass er und seine Frau nicht mehr besonders höflich grüßten – falls überhaupt. Aber das war vergleichsweise zu vernachlässigen – schließlich setzte unser, Alis und meines, Liebesleben, an dem Abend unerwartet zu einem neuen Höhenflug an….
© Vivienne