KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – November 2003
Alles Starmania!
Schon die zweite Staffel von Starmania flimmert über die Bildschirme. Auch wenn es angeblich, hinter vorgehaltener Hand so zu sagen, heißt, dass die Zuschauerzahlen denen der ersten Staffel nachhinken, so ist die Aufmerksamkeit in den Medien noch immer so groß, dass Österreichs kleinste größte Tageszeitung täglich über das Event berichtet. Ich selber, liebe Leser, kann nicht bestreiten, dass ich mich auch hin wieder zuschalte. Ich sah schon Michi Tschuggnal siegen und erblasste bei Arabella Kiesbauers fatalem Faux Pas (Sportsfreunde Stiller) konnte mich also einer gewissen Faszination ebenso wenig entziehen wie der Rest von Österreich. In solchen Hitfabriken werden also die Stars von morgen gemacht, nicht nur bei uns sondern auch in Germanien und weltweit, fast jeder Sender hat seine eigene Show. Aber Moment Mal kann man Stars überhaupt machen?
Der erste, der es im Zuge der Starsuche öffentlich wagte, das in Frage zu stellen, war ein Altstar des deutschen Schlagers, Freddy Quinn. Obgleich ich kein Fan von ihm bin (tja, da liegen doch ein paar Jährchen dazwischen…), befand ich, dass seine Argumentation Hand und Fuß hatte. Stars kann man nicht machen, man kann angehende Rocker oder Popstars pushen, man kann Geld investieren in eine groß angelegte Image-Kampagne, man kann ihnen zu einem Hit verhelfen, vielleicht auch zu zwei, aber erst wenn sich die Sternchen selber oben halten können, dann zeigt sich deutlich, wer wirklich das Attribut Star verdient. Und das, davon bin ich überzeugt, wird auf die wenigsten aus diesen Casting-Shows zutreffen.
Ein Pop- oder Rockkünstler muss sich in erster Linie rechnen für Plattenfirma und Produzenten, nach ein paar Flops wird bei den meisten beinhart der Geldhahn abgedreht. In Österreich noch schneller als sonst wo. Aber auch Daniel Kübelbeck und Konsorten wird rasch ein rauerer Wind entgegen blasen, wenn die Konkurrenz aus der zweiten Staffel frisch und unverbraucht gegen sie antritt. Ich bin davon überzeugt, dass allein der Markt für die üblichen Sampler aus den diversen Ausscheidungen schnell gesättigt sein wird. Wenn da unter dem Strich kein ordentlicher Gewinn mehr herausschaut, bezweifle ich stark, dass es eine dritte Staffel geben wird.
Zurück zum schnellen Starruhm ein Hit ist schnell gelandet, und die Musikbranche ist voll von so genannten One-Hit-Wondern. Wer erinnert sich etwa noch an die monegassische Prinzessin Stefanie und ihren Song Irresistible? Heute macht Stefanie, selber Jahrgang wie ich, nur mehr Schlagzeilen mit Liebschaften, bei denen sie zwischen dem Personal ihres Vaters und Zirkusartisten wechselt. 1985, dem Jahr in dem ich selber maturierte, war die Prinzessin ein bekanntes Modell, entwarf ihre eigene Mode und schließlich setzte ihr jemand ein Mikrophon vor die Nase. Der bekannte Name von Grace Kellys Tochter und der monegassischen Dynastie verhalf dem Song zu einer enormen Publicity in ganz Europa.
Irresistible gehörte 1985 letztlich zu den 10 erfolgreichsten Songs des Jahres, sie schlug sogar Madonna, aber dabei blieb es dann auch. Die nachfolgend produzierte CD und die Single floppten gewaltig, weil den potentiellen Käufern schließlich doch auffiel, wie dünn Stefanies Stimme wirklich war. Äußerlichkeiten können bei der Karriere sehr förderlich sein, man rufe sich nur in Erinnerung wie Tonie Braxtons Schönheitsoperationen nach ihrem ersten Album dem Wahnsinnserfolg ihres Megasellers Unbreak my Heart zu gute kamen. Aber mit Aussehen allein kann ein Pop- oder Rockkünstler auf Dauer auch nicht punkten. Die Stimme gepaart mit der Persönlichkeit, das größte Handwerkszeug noch vor der Qualität der Songs selber, gibt den Ausschlag, ob eine Karriere weitergeht oder im Sande verläuft.
Fast melancholisch denkt unsereins, die Generation des fortgeschrittenen Alters, an Zeiten zurück, als uns noch keine Konservenstars vorgesetzt wurden. Man denke nur an die legendären Beatles, denen ich, liebe Leser, übrigens das erste Kapitel in meinem neuen Rock- und Poplexikon widmen möchte, die sind ein Musterbeispiel für eine gewachsene Band. Schon als Schüler fanden sich die Burschen um John Lennon zusammen und ihr späterer Erfolg, ihre ungeheure Kreativität und Originalität schöpfte zu einem großen Teil aus diesen fruchtbaren Erfahrungen. Details demnächst in der Bohnenzeitung. Heute dominiert auf einer Plattenaufnahme technischer Schnickschnack, falsche Töne, Mängel beim Gesang oder die Stimme selber können problemlos manipuliert und verändert werden. Den jeweiligen Zielgruppen werden nur hübsche Larven und schöne Körper gestylt in perfekt geschnittenen Videos vorgesetzt. Welch ein so genannter Künstler heutzutage ist schon in der Lage, seine Songs life ebenso genial rüberzubringen wie sie auf CD ertönen?
Wenn man sich die Karriere der No Angels vor Augen ansieht, die ja aus der Großmutter dieser Casting-Shows hervorgingen, wird einem die ganz bewusst angelegte Schnelllebigkeit der Branche und so genannter Kurzzeit-Stars anschaulich vor Augen geführt: Ein Hit jagt den anderen, immer im Scheinwerferlicht, die Omniopräsenz in den Medien, der ständige Druck, bei Auftritten optisch und tänzerisch zu bestehen, kein Privatleben. Die Folge? Die Truppe bricht schließlich auseinander weil die Mädchen nicht mehr können. Wer wird ihre Songs in ein paar Jahren noch horten und anhorchen? Zu dieser Zeit stehen schon wieder andere im Scheinwerferlicht, quälen sich ab, ja, sie prostituieren sich um ein Zipfelchen vom großen Ruhm und vom Geld zu erhaschen.
Auch die Starmaniacs der zweiten Generation träumen davon, obwohl ein Leben als Star am Rande des Abgrunds nicht glücklich macht sondern nur aushöhlt. Vor Jahren war ich mit dem Lehrling in meiner damaligen Firma eng befreundet, uns verband die Liebe zur Musik, und dieser Alex, der als Hobbymusiker in einer Blasmusikkapelle seine ersten Erfahrungen sammelte, träumte auch von einer Karriere als Popmusiker genauso wie er sich ungemein aufregte über dieser Instant-Musiker, wie er sie treffend nannte. Stichwort Chesney Hawks. Selbst der Freitod seines großen Idols Kurt Cobain überzeugte ihn nicht davon, dass es im Grunde gar nicht erstrebenswert ist, ein Star zu werden, weil man in der Mühle des Ruhms aufgerieben wird: von der Plattenfirma, vom Management, von den Produzenten, von den Fans, von den Drogen…
Ich bezweifle, dass sich je ein Stamaniac, weder bei uns noch im Ausland, wirklich Gedanken darüber gemacht hat, was es heißt, ein Star zu sein….
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