Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  Oktober 2003



Kindersegen…

Ja, da hat sich Ministerin Liesl Gehrer ordentlich in die Nesseln gesetzt als sie vor einigen Wochen – Kollege Einstein berichtete davon – die junge Generation sinngemäß aufforderte, nicht dem süßen Nichtstun, dem Feiern und den ach so weltlichen Vergnügungen zu huldigen sondern gefälligst diese Zeit sinnvoller (oder angenehmer?) zu nutzen um Kinder zu zeugen und in die Welt zu setzen. Stichwort Generationsvertrag… Als ob unsere Gesellschaft so kinderfreundlich wäre…! Mütter könnten Ihnen, liebe Leser, etliche Erfahrungen ins Stammbuch schreiben, angefangen wenn eine Frau mit dem Kindswagen unterwegs ist: Nicht abgeschrägte Gehsteigkanten, rüpelhafte Bim- oder Busfahrer, die keine Sekunde Zeit aufwenden, einer Mutter mit dem Kindswagen beim Einsteigen behilflich zu sein. Haben Sie schon einmal versucht, in einen Zug einzusteigen, wenn Sie in der einen Hand einen dreijährigen Sprössling haben und mit der anderen einen Sportswagen nachziehen?

Eltern werden ist nicht schwer, man braucht ja nur auf Kontrazeptiva (Verhütungsmittel) verzichten und natur pur der Liebe frönen. Die Sprösslinge aber gut zu erziehen und glücklich und möglichst unbeschadet ins Erwachsenenalter zu geleiten, ist eine andere Sache. Wenn Sie Kinder haben, werden Sie mir Recht geben. Eltern zu sein, setzt normalerweise auch die nötige Reife dazu voraus, Bereitschaft zu Verzicht (Fortgehen gestrichen!) und zu schlaflosen Nächten, wenn Baby aus nicht ersichtlichem Grund schreit, „zahndelt“ oder einfach Blähungen hat. Wenn die Möglichkeit besteht, ein Kind mit drei Jahren für ein paar Stunden täglich zumindest in den Kindergarten zu schicken, ist der erste Stress einmal ein bissl vorbei. Aber auch nur dann, wenn die Mutter nicht wieder arbeiten gehen muss oder will. Dann wird es unumgänglich, Kindergartenzeiten und Arbeitszeit aufeinander abzustimmen, obwohl sich selbst im besten Fall, beides nicht immer ideal koordinieren lässt und ein Teil der hart verdienten Einkünfte beim Babysitter oder im Hort draufgeht. Aber die Pension muss ja trotzdem finanziert werden, in Zeiten wie diesen

Mancherorts gibt’s ja noch Omis, die sich gerne um die Enkel kümmern, aber sie werden immer seltener. Menschlich nachvollziehbar, dass z. Bsp. eine ältere Frau mit Rückenproblemen, die selber einige Kinder groß gezogen hat, nur sporadisch auf den Nachwuchs der Tochter oder des Sohnes schauen will und gerne ausreichend Zeit für sich selber nutzen möchte. Selbst wenn die Kinder dann in die Pflichtschule wechseln, brauchen sie am Anfang nachmittags noch eine Aufsicht. Sind da die Ganztagsschulen, die momentan propagiert werden, wirklich die Lösung des Dilemmas? Ich selber habe keine Kinder, es fällt mir natürlich schwer, mir die Schlage zu vergegenwärtigen, aber mir gefällt der Gedanke irgendwie trotzdem nicht, dass Lehrer, von denen ich nachweislich in meiner Schulzeit manipuliert worden bin, noch mehr Zeit und Gelegenheit haben, dieses an möglichen Kindern von mir zu wiederholen. Im Gegenteil: was ich so höre von manchen Lehrern in meiner ehemaligen Schule etwa und ihren Übergriffen macht mir keine Lust, selber Nachwuchs in die Welt zu setzten…

Zurück zum eigentlichen Thema: Warum schaffen sich kaum noch Eltern mehr als zwei Kinder an? Vor allem auch, weil Kinder im Laufe eines Schuljahres Unmengen von Geld brauchen: Klassenkasse, Schulbücher, Schülerfreifahrt, Eintritte für verschiedenste Exkursionen und Veranstaltungen, Schikurse, Landschulwochen, Jausengeld, Taschengeld, Handy, und, und, und… Wenn nicht beide Eltern verdienen, ist so eine Schülerkarriere mit viel Verzicht verbunden, was dann auch noch zu einem möglichen Leben als Außenseiter führt. „Was, du hast keine neuen Schi?“ „Deine Klamotten sind echt uncool!“ „Warum gehst du nie fort?“ … Wissen Sie, was ich meine? Kinder können sehr grausam sein und die Schwachpunkte von finanziell nicht so abgesicherten Kollegen sehr schnell herausfinden. Vielleicht haben Sie das ja auch am eigenen Leib verspürt. Ich war eines von 8 Kindern, und hatte in der Hauptschule einen netten Zeitgenossen als Klassenvorstand, der es liebte, die ihm anvertrauten Schüler bei diesen oder ähnlichen Mankos vor den Mitschülern bloß zu stellen….

Warum ich Ihnen das erzähle? Ganz einfach: ein Kind muss geplant werden, wie der Kauf eines Autos oder einer Eigentumswohnung. Ich weiß, das klingt hart, aber wer immer den Wunsch hat, Nachwuchs in die Welt zu setzen, muss sich darüber klar sein, dass man sein Leben umkrempeln muss und klar durchkalkulieren, ob mit dem Einkommen nicht nur die eigenen Bedürfnisse sondern auch die des Kindes finanziert werden können. Nicht: „Es wird schon irgendwie gehen…!“ Ganz abgesehen davon, dass ein Kind auch Aufmerksamkeit, Zuwendung und vor allem Liebe braucht, um sich gut zu entwickeln und die Gewissheit zu verspüren, dass es immer mit allen Problemen zu Mama und Papa gehen kann. Wenn ein Kind zwar mit Geschenken und Geld fast „zugeschüttet“ wird, was ja in anderen Familien auch immer wieder passiert, aber keine wirkliche Bezugsperson kennt, weil die Eltern Geld verdienen und die eigene Pension absichern müssen oder einfach karrieregeil sind, darf man nicht erwarten, dass es glücklich und zufrieden lebt sondern sich die Probleme früher oder später von selbst einstellen werden, leider.

Zurück zu Gehrers Ansinnen: Wir sollen also unseren Generationsvertrag erfüllen, wir die mehr oder weniger junge Generation, die dazu in der Lage ist? Wir sollen also noch flexibler arbeiten, uns auch am Wochenende beruflich zur Verfügung halten, Geld für eine Privatpension abzweigen, für Lebensversicherungen, für ein Zweitauto und für eine Wohnung, die eine kleine Familie bequem beherbergen kann? Und nebenbei sollen wir auch noch Zeit für unseren Nachwuchs aufbringen, dass er oder sie sich geborgen fühlt und nicht später als Schlüsselkind der Gesellschaft zur Last fällt? Ich merke schon, ich werde wieder zynisch, aber meiner Meinung nach werkt Frau Minister Gehrer völlig ahnungslos und realitätsfremd. Wie wär’s einmal mit richtig nachdenken, Frau Minister? Im Grunde kann man Menschen, die bewusst sagen, ich möchte jetzt noch kein Kind, weil ich es mir nicht leisten kann oder weil ich mein Leben noch ein paar Jahre genießen möchte, nur für ihr Verantwortungsbewusstsein und zu ihrer realistischen Einschätzung gratulieren. Gott sei Dank ist ja im 21. Jahrhundert ein Kinderwunsch regulierbar…

Ein paar Worte noch zum Generationsvertrag: Ist ja recht schön und gut, wenn wir Österreicher und Österreicherinnen für mehr Nachwuchs sorgen sollen um die Pensionen in der Zukunft zu sichern. Aber wenn wir uns tatsächlich zur Zeugung und Geburt von mehr Kindern manipulieren lassen: wer garantiert uns denn, dass der Staat in 20 Jahren auch die nötigen Ausbildungs- und Arbeitsplätze parat hält, damit unsere Kinder den Generationsvertrag fortführen können? Mehr Nachwuchs nützt nämlich gar nichts, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht stimmen. Die kann uns aber Kanzler Schüssel, die kann Liesl Gehrer, die kann Charly Grasser (der momentan sicher andere Sorgen hat!) nicht garantieren. Wenn Sie mich fragen, wir sollten das laut gedachte Gefasel von so manchem unserer Staatsdiener nicht so ernst nehmen. Erstens sparen wir uns Magengeschwüre und zweitens macht es im Lauf der Zeit Spaß, solch wilde These zu zerpflücken…

Vivienne

 

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