Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  Juli 2003



Motivation, Motivation!

Alles ist möglich! versprach vor einigen Jahren der Motivationskünstler Jürgen Höller und es schien, als läge ihm ganz Deutschland zu Füßen. Still ist es zuletzt um ihn geworden. Nur wenige bei uns wissen, dass er sich völlig übernommen hat mit seinen hochtrabenden Plänen und sein Imperium ist mit lautem Krachen über ihm zusammengestürzt. Dieser Tage „stolperte“ ich beim Surfen über einen Artikel im Internet: Höller „sitzt“, er wurde rechtskräftig verurteilt und nur ein Geständnis – Höller hatte mit gewieften, wohlüberlegten Transaktionen Firmengelder auf seine privaten Konten übertragen – bewahrte den Mann, der den Leuten beredt predigte, wie sie 50, 60 und noch mehr Prozent Gewinn scheffeln können, vor einer noch höheren Haftstrafe. Es wäre nicht Jürgen Höller, wenn er nicht im Gefängnis sofort wieder ein Buch geschrieben hätte, das seit April auf dem Markt ist und in dem er den „Weg aus seiner größten Krise“ beschreibt.

Um die Jahrtausendwende waren Motivationskünstler à la Jürgen Höller total angesagt, es gab im deutschsprachigen Raum dutzende Leute wie ihn, die diesen Trend auszunutzen versuchten um damit in jedweder Form Geld zu scheffeln: Bücher, Hörkassetten, CD’s und natürlich Veranstaltungen in denen das zahlende Publikum life erfahren durfte, wie man reich, erfolgreich, glücklich oder gesund werden kann. Die Ideen dafür waren nicht neu, sie kamen von Vordenkern wie Dale Carnegie, im Grunde teilweise durchaus Binsenweisheiten (wie heute vermehrt kritisiert wird), die zugkräftig vermarktet und von mehr oder weniger charismatischen „Stars“, untermalt von Popmusik und „Schlachtrufen“ („Tschakka“) für teures Geld unter die Leute gebracht wurden.

Sie werden diese Fakten zumindest teilweise kennen, sich aber in jedem Fall fragen, was mich bewegt, mir diese Materie und diesen Jürgen Höller heute zum Thema zu machen Der Grund ist simpel, ich habe einmal einige Monate für eine Firma gearbeitet, die damals eng mit Höllers Maschinerie kooperierte und hatte zwei oder drei Mal eine „Begegnung“ mit ihm, der indirekt mein Boss war. „Begegnung“ sag ich deshalb, da Höller privat wie zuletzt auch beruflich alles andere als ein umgänglicher Mensch war sondern sehr arrogant, ein Mensch eben, der z. Bsp. höfliches „Grüßen“ nur vom Hörensagen kannte. Ich habe einige Frauen gekannt, die ihm – bildlich gesprochen – zu Füßen lagen, die teilweise sogar ihre Männer belogen um das Geld für den Besuch seiner Veranstaltungen zusammen zu bekommen. Andererseits hab ich oft genug erlebt, wie er Leute aus dem Publikum wegen deren Fragen brüskierte oder beleidigte. Bei einer mehrtägigen Veranstaltung in Österreich konnte ich erleben, wie deshalb ein aufgebrachtes Unternehmerehepaar aus Deutschland binnen einer Stunde das Hotel verließ.

In den „Nachrufen“ auf Höller konnte ich auch immer wieder lesen, wie Höller sich nach dem „Fall“ beklagte, dass sich so viel „Freunde“ und Nutznießer um ihn geschart hätten, die alle mit der Marke „Jürgen Höller“ Geld machen und von seinem Erfolg profitieren wollten. Das mag fraglos richtig sein, auch meine Chefin, die Leiterin jener kleinen Firma, für die ich tätig war, gehörte dazu, die sich nicht nur vom „Dollarzeichen“ in Höllers Auge anstecken ließ sondern auch selber ein Stück vom Kuchen – oder besser formuliert: von der Torte – abschneiden wollte. In dieser Weise gab es im ganzen deutschen Sprachraum kleine Unternehmen: Lizenznehmer, Vertriebspartner und  Ähnliches, die nicht nur auf Dauer für die europaweite Verbreitung der Höller’schen Doktrinen sorgen sollten sondern stets auch den eigenen Profit mitverfolgten.

Ich glaube es Höller aufs Wort, dass er in diesem Konglumerat nach und nach die Übersicht verloren hatte. Erfolge, Anerkennung und Medienpräsenz stiegen ihm zu Kopf. Freunde, denen er vertraute, hintergingen ihn erwiesenermaßen. Nach meinem Dafürhalten hatte er aber auch schon lange das Gefühl dafür verloren, was noch möglich war und was nicht mehr. In den Artikeln im Web, die ich mir zu Gemüte führte, wurden nach dem Desaster viele Stimmen laut, in denen im Nachhinein heftige Kritik an seinen Thesen geübt wurde und dass klar gewesen sei, dass er (und andere) damit irgendwann auf dem Bauch landen müsse/n. Tatsache ist aber, dass zu Höllers Blütezeit (fast) alles voller Lob und Begeisterung über ihn war und die Leute, die dieses System schon vor dem Crash ernsthaft hinterfragt hatten, sich anscheinend sehr bedacht im Hintergrund gehalten haben.

Der Konkurrenzkampf der „Motivationskünstler“ untereinander, ob sie nun Höller, Birkenbihl oder Schäfer heißen, wurde verdeckt aber trotzdem sehr heftig und teilweise auch auf unterstem Niveau geführt. Zu einer Veranstaltung in Deutschland, bei der ich als Vertreter der kleinen Firma zugegen war, brachte einer der Lizenznehmer einen Artikel mit, in dem die Pleite von Bodo Schäfer, einem Konkurrenten, ausführlich geschildert wurde. Höller veranlasste, dass der Artikel für alle Teilnehmer zum Lesen kopiert wurde und im Anschluss weideten sich die Anwesenden mit großer Häme und in allen Details am „Versagen“ Schäfers, der zu diesem Zeitpunkt ein schwerkranker Mann war. Alles kommt zurück im Leben, und Höller hat damals wohl nicht im Mindesten geahnt, wie sehr er wegen des Zerfalls seines eigenen Unternehmens wenige Jahre später Zielscheibe von Spott und Hohn werden würde.

Die meisten dieser Motivationskünstler verfügen über bemerkenswerte verbale Fähigkeiten und das große Talent, ihr Publikum zu überzeugen, mehr noch verzaubern zu können, zeichnet sie zusätzlich aus. Untereinander wurden aber, wie oben schon erwähnt, schwerere Geschütze ausgefahren. Aber vom Wirtschaften selber dürften sie alle miteinander wenig Ahnung gehabt haben bzw. sie setzten in dem Bereich auf falsche Berater: das Chaos regierte bei Höller, wie auch eine Journalistin in einem Artikel negativ aufzeigte, die auf Irrwegen zu den Pressekarten für eine Veranstaltung kam, wie sie peinlich berührt beschrieb: kein Mitarbeiter hatte sich zuständig gefühlt. Ich kann nur bekräftigen, dass die Fluktuation bei Höllers Truppe enorm war, und die Firma, in der ich selber tätig war, spiegelte diese Situation im Kleinen wider. Man brauchte daher kein großer Prophet zu sein, um irgendwann schwerwiegende Probleme für Höllers Imperium aufsteigen zu sehen, was wir Mitarbeiter auch untereinander immer wieder diskutierten. Schon allein das ständige Aufschieben des zunächst groß angekündigten Börsegangs war für mich, die ich als kleines Rädchen über keinen wirklichen Einblick verfügte, ein „Zeichen“, dass es hinter der noch glänzenden Fassade der „Inline“ ordentlich brodeln musste.

Höllers Mitbewerber ging es vielfach nicht besser und auch sie gerieten mehr oder weniger  ins Strudeln. Etwa der schon mehrfach erwähnte Bodo Schäfer, dem „das Geld nun nicht mehr nachläuft“. Aber auch Vera Birkenbihl musste ihre Firma in Österreich schließen und fährt in Deutschland nun mehr mit dem „Schongang“, sprich: sie fängt wieder langsam von vorn an. Meiner Meinung nach sind es aber nicht nur die mangelnden wirtschaftlichen Talente oder Selbstüberschätzung, die so manche Karriere in diesem Bereich auf Sand bauen ließ. Viel mehr vermute ich, dass (fast) allen dieser mehr oder weniger selbsternannten Motivations-Heinis gleich ist, dass sie ihre eigenen Regeln in ihrem Leben gar nicht oder nur sporadisch umsetzten. Oder anders formuliert: Wasser predigen, aber Wein trinken – und das in großen Zügen.

Der Umgang der Menschen untereinander sei so wichtig, hieß es doch immer wieder in den Seminaren, aber der Umgang der großen Zampanos mit ihrem „gemeinen Fußvolk“ (den Angestellten) beweist das Gegenteil. Auch Veranstalter beklagten sich oftmals über die Art und Weise, wie die Verhandlungen für diverse Veranstaltungen geführt wurden. So gesehen war sicher absehbar, dass Leute wie Höller auf Dauer nicht mehr und mehr Menschenmassen für ihre Seminare begeistern würden können. Der Bedarf ist irgendwann einmal gesättigt und diese Veranstaltungen waren einfach zu teuer, trotz des von Höller entwickelten „Abo-Systems“, als dass sich die Zahl der Anhänger ständig vervielfachen ließe. So viel Weitsicht fehlte „Mr. Motivation“ aber, als er seine hochtrabenden Pläne entwarf, und die späte Einsicht nach der Verhandlung, „er habe abgehoben und den Kontakt zum Boden verloren“ hat ihm die Haftstrafe nicht erspart.

Höller musste also den Kopf hinhalten, und das sicher nicht zu Unrecht. Seine Lizenznehmer, so genannte Freunde oder Vertriebspartner sind mit einem blauen Auge davongekommen oder schafften es gar, ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Auch die kleine Firma, in der ich selbst gearbeitet hatte, kam zwar ins Straucheln (Höller blieb meiner Ex-Chefin eine runde Summe an Provisionen schuldig!), dank den hervorragenden Beziehungen ihres Gatten existiert das Unternehmen aber noch immer. Die Frau ist halt ein Stehaufmännchen und das Geld des Ehemanns gleicht aus, wo der Erfolg ausbleibt. Ich persönlich denke mir aber: Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht – wie bei Höller, wird es auch bei ihr und den anderen, die sich rechtzeitig vor Höllers Pleite absetzten, nicht ewig weitergehen. Was für ihn galt, gilt auch für sie alle: Wer nicht lebt, was er predigt, wird irgendwann von den eigenen Lügen eingeholt.

Vivienne

 

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