KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – Mai 2003
„… sorry seems to be he hardest word“
Nein, liebe Leser, ich möchte heute keinen Beitrag über den genialen britischen Songwriter und Pianisten Elton John schreiben, auch wenn ich hier einen seiner schönsten Songs im Titel des Beitrages zitiere. Es geht mir viel mehr darum, wie Bernie Taupin, Elton Johns co-genialer Texter, an das Thema sich entschuldigen können herangeht. Sie kennen die Situation doch? Eine harmlose Meinungsverschiedenheit: Fußball oder Rosemunde Pilcher? eskaliert vor dem TV-Gerät. Und plötzlich fallen heftigere Worte, der Tonfall wird merklich lauter und mit einem Mal geht es nicht mehr ums abendliche TV-Programm sondern um einen Vorfall, der schon länger zurückliegt. Und beide Seiten sind verletzt, keiner gibt nach, der Kalte Krieg bricht aus. Wer macht den Anfang und sagt: Es tut mir leid. Komm, samma wieder gut.?
Es ist so schwer den Anfang zu machen, vor allem dann, wenn man selber wirklich etwas ausgefressen hat. Weil man die Zurückweisung fürchtet, weil man sein Gesicht wahren möchte, weil man einen stolzen Charakter hat und sein (oder ihr) Haupt deshalb nicht beugen will. Beziehungen scheitern oft an derartiger Sprachlosigkeit des jeweiligen Partners, und Österreichs Scheidungsrate steigt sprunghaft. Nicht allein, aber auch deswegen. Die Menschen haben es verlernt, ihre Fehler zuzugeben, für diese ein zu stehen und sich zu entschuldigen. Das ist aber nicht nur in Beziehungen ein Problem sondern ganz speziell im Umgang mit (höhergestellten) Leuten in Behörden, Ämtern oder Ähnlichem, wo man selber nur der kleine Bittsteller ist…
Mir ist vor ein paar Jahren auf meiner Ex-Bank eine ziemliche Frechheit widerfahren. Ich wollte einen Mini-Kredit von 40.000 Schilling aufnehmen für ein paar kleine Renovierungsarbeiten bei mir daheim. Die Bankbeamtin, an die ich mich wandte, war mit einer Kollegin allein am Schalter. Normalerweise hätte sie mich zu einem späteren Termin wieder herbestellen müssen, weil das Kundenaufkommen zu groß war, um mich in einem Nebenraum zu betreuen. Aber wegen der Prämie für den Kredit, den sie sich nicht entgehen lassen wollte, zog sie das Gespräch mit mir am offenen Schalter durch. Und ich war so perplex, dass ich es zuließ, dass mich diese Person ich hatte drei oder vier Leute hinter mir stehen, die mithören konnten öffentlich u.a. wegen des Kontostandes und meiner Fixausgaben im Monat befragte. Ich war wie betäubt als ich raus ging.
Ich schlief drüber, aber mir wurde klar, dass so ein Verhalten inakzeptabel ist. In einem Schreiben an den Leiter der Bank widerrief ich den Kreditantrag und verurteilte das präpotente Verhalten der Bankbeamtin aufs Schärfste. Null Reaktion, außer dass Eltern und Bruder auf der Bank plötzlich wie Kunden zweiter Klasse behandelt wurden. Ich wartete fast einen Monat auf eine Entschuldigung, dann wandte ich mich an die Landesdirektion der Bank. Dort reagierte man erheblich schneller. Eine Art Ombudsmann lud mich zu einem Gespräch nach Linz ein, schmierte mir Honig ums Maul und bat mich, das Konto bei besagter Bank zu behalten. Momentan war ich besänftigt, aber allein schon wegen der Sippenhaftung der meine Familie ausgesetzt war, eröffnete ich ein Konto bei einer anderen Bank, löste den Bausparvertrag und das Konto auf.
Als ich der Bank diesen Entschluss schriftlich mitteilte, kam ein formloses Schreiben retour, dass man meinem Wunsch entsprechen werde. Aber weiters keine Entschuldigung oder zumindest einen Ausdruck des Bedauerns. Ich schrieb dem Leiter daraufhin eine böse Mail wegen dieses nicht mehr nachvollziehbaren Schweigens. In seiner Reaktion bedauerte dieser weiterhin nichts, er wies mich nur sozusagen als Rechtfertigung darauf hin, dass er es eben nicht ungeschehen machen könne. Spätestens in diesem Moment war ich mir endgültig sicher, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte indem ich eine andere Bank gewählt hatte. Besagte Bankangestellte übrigens, die sonst sehr rührig ihre Kunden wegen auslaufender Bausparer und Prämiensparer anruft, um sie gleich zum Abschluss von neuen Verträgen zu überreden, hat nie zum Hörer gegriffen um sich bei mir wegen ihres eindeutigen Fehlverhaltens zu entschuldigen. Nachteil hat es ihr auch keinen eingebracht, denn sie übernahm in späterer Folge die Leitung einer kleine Filiale. Es kann ja auch nicht falsch sein, wenn man einen kleinen, unauffälligen Bankkunden entgegen aller Datenschutzbestimmungen behandelt, oder?
Solche Vorfälle ereignen sich öfter als man glaubt. Pr
äpotenz ist speziell in Banken zu einer ehernen Doktrin geworden. Für die meisten Banken ist halt der normale Staatsbürger nur minderwertiges Kroppzeug, und dementsprechend wird unsereins auch behandelt. Aber trotzdem ist selbst dieser Vorfall, den ich Ihnen eben schilderte, nur eine harmlose Kleinigkeit im Vergleich zu dem was jenem Oberösterreicher passiert ist, der acht Jahre schuldlos im Gefängnis saß, dem diese Jahre gestohlen wurden, weil sich einige Leute bei der Justiz profilieren und der Öffentlichkeit einen gesuchten Mörder präsentieren wollten, auch auf die Gefahr hin, dass der falsche Mann sitzt. Hauptsache irgendwer muss den Kopf hinhalten. Dieses Justizopfer, das zuletzt in einigen Medienauftritten über das zugefügte Unrecht berichten konnte, wird nie mehr das Leben führen können, dass ihm vor seiner Verhaftung für seine Zukunft vorgeschwebt war. Acht Jahre Gefängnis schüttelt man nicht ab wie ein paar Regentropfen, daran wird auch die Haftentschädigung nichts ändern, die sein Rechtsanwalt für ihn erkämpfen will. Und entschuldigen wird sich auch bei ihm niemand, er hat ja auch durch das falsche Geständnis, zu dem man ihn getrieben hat, selber zu dem Justizirrtum beigetragen…
In einer vergleichbaren Situation befindet sich auch jene Frau, bei der fälschlich in einem Krankenhaus eine Eierstockschwangerschaft diagnostiziert worden war, und bei der man deshalb Zwillinge abtrieb, die sich völlig normal in der Gebärmutter entwickelt hatten. Auch bei dieser Frau hat sich noch niemand aus dem Krankenhaus gemeldet um sich für den ärztlichen Pfusch zu entschuldigen. Schlimm ist im Fall dieser Patientin, dass sie schon lange den Wunsch nach einem Kind hatte und im Fall dieser Zwillingsschwangerschaft das erste Mal Nachwuchs erwarte
te. Zweifellos macht auch eine Entschuldigung nichts ungeschehen, aber das soll sie auch gar nicht. Sie soll menschliches Interesse und die eigene Betroffenheit und Anteilnahme ausdrücken aber das ist wohl zu viel verlangt. Vor allem in solchen Situationen wie den von mir geschilderten wird einem bewusst, dass es sich bei solchem (Miss-)Verhalten um ein schwerwiegendes menschliches Manko geht, also um eine (erfolgreich) gelebte Präpotenz und Rücksichtslosigkeit.
Des kaun hold passieren, wo kemman mir hin, waun ma in jedem Fall so an Aufwaund machn? Es lässt sich nicht ändern, und deshalb wird betont gelassen zur Tagesordnung übergegangen Zwei Methoden haben sich dabei bewährt. Man versucht entweder alles unter den Teppich zu kehren, damit es keiner merkt oder man blickt betont zur Seite, als ginge es einen gar nichts an und schweigt in bester Kanzler-Schüssel-Manier. Banken, Krankenhäuser, Behörden, Ämter, etc. sie fahren bestens auf diese Art. Unser Zeitgeist fördert diese unschönen und kalten Eigenschaften noch enorm. Wer Karriere machen will oder im Leben viel erreichen möchte, der braucht nur sein Rückgrad ausbauen, denn Rücksichtnahme und Menschlichkeit sind nicht gefragt in dieser Welt. Was sind schon ein paar Leute, die ein präpotenter Erfolgsmensch seinen Zielen opfert? Nichts, denn für sorry findet sich da kein Platz. Wichtig ist wie man oder frau nach außen hin dasteht: mit makellos weißer Weste und hohem Ansehen! Aber seien Sie ehrlich: Finden Sie das auf diese Weise erstrebenswert?
Vivienne
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