Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  Jänner 2003



Gedanken zum „Niedergang“ der SPÖ…

Vielleicht werden einige von Ihnen auf Grund dieser Behauptung von mir den Kopf schütteln…. Niedergang? Als zweitstärkste Partei mit knapp 36 % der Stimmen – kann man da von Niedergang sprechen? Würde so ein Vergleich nicht viel besser auf die FPÖ zutreffen, die bei der letzten Wahl am 24. November  fast 16 % Ihrer Wähler verloren hat? Solchen Überlegungen kann ich aber nur bedingt zustimmen. Für mich, als deklarierte Rote – das wissen Sie ja als meine Leser ohnedies – ist der momentane Status Quo nur der Ausdruck einer Stimmung in der einstigen SPÖ-Hochburg Österreich, die schon lange nicht mehr im Einklang mit den gelebten sozialdemokratischen Doktrinen und Ansichten steht.

Woran liegt das? Ich setzte mich in den letzten Wochen verstärkt mit diesen Gedanken auseinander und habe dabei weniger statistisches Material, mit dem mein Kollege Einstein so prägnant wie eindeutig seine Beiträge untermauert, zusammengetragen, sondern habe weit mehr für mich selber rekapituliert, wie sich die sozialdemokratische Politik der letzten Jahre in meinem Leben, in meinem Umfeld ausgewirkt hat. Und da sind mir interessante Dinge aufgefallen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Für mich sind diese Beobachtungen symptomatisch für die Entwicklung einer Partei, eine Entwicklung, die man am besten mit „Hochmut kommt vor dem Fall“ beschreiben könnte.

Kurz ein paar Worte zu meinem eigenen politischen Background: mein Vater ist über 40 Jahre Parteimitglied bei der SPÖ und ebenso lange Mitglied der Gewerkschaft. Das prägt natürlich in der persönlichen Entwicklung und Reife. Dazu kommt, dass ich in den 70er Jahren aufgewachsen bin, in der Blütezeit der Sozialdemokratie in Österreich: Mutter-Kind-Pass, niedrige Rezeptgebühr, Vollbeschäftigung,… Da ich aus einer kinderreichen Familie stamme, hätte ich ohne Schulbuchaktion wohl kaum ein Gymnasium besuchen können. In meiner Heimatgemeinde gab es im Grunde nur sozialdemokratische Bürgermeister, was im eher konservativ gefärbten Oberösterreich mit den Landeshauptleuten Wenzel, Ratzenböck und Pühringer schon ungewöhnlich genug ist.

Heimatgemeinde ist in dem Zusammenhang schon das richtige Stichwort. Unser langjähriger Bürgermeister war vor Jahren mein Physiklehrer in der Hauptschule, ich kenne ihn daher noch ganz gut aus meiner Schulzeit. Und das dürfte mit Sicherheit auf viele Gemeindebürger in meinem Alter zutreffen. Signifikant für eine Begegnung mit dem Herrn Bürgermeister war für lange Jahre, dass er nie grüßte. Ich selber gab es nach einiger Zeit auf, ihn zu grüßen, weil ich mir wie ein Trottel vorkam, wenn das Oberhaupt unserer Gemeinde prinzipiell in eine andere Richtung blickte, wenn man „Guten Tag“ oder „Grüß Gott“ sagte, wenn man den Herrn auf der Straße oder in einem Geschäft traf.

Glauben Sie aber nicht, dass es nur mir so ging, weil der Herr Bürgermeister vielleicht aus seiner Lehrerzeit so unangenehme Erinnerungen an mich hatte. Seine Popularität war rasch in der ganzen Gemeinde unter jeder Kritik, was sich am deutlichsten vor ein paar Jahren in der ersten direkten Bürgermeisterwahl zeigte: er trat als einziger Kandidat überhaupt an, die anderen Parteien stellten keinen Kandidaten auf. Trotzdem erreichte der Herr Bürgermeister nicht einmal 2/3 der Stimmen, dazu kam noch, dass ein Drittel der Wahlberechtigten bei dieser Wahl gar nicht zur Urne schritt. Rechnen Sie sich selber aus, wie viele Prozent man als Befürworter des alten wie neuen Bürgermeisters bezeichnen kann, wenn man die Wahlverweigerer als indirekte Gegner des Bürgermeisters deklariert…. Ein Debakel im Grunde genommen, da in anderen Gemeinden so mancher Bürgermeister gegen ein oder mehrere Kandidaten mehr Stimmen erreichte als unser „Roter“ in meiner Gemeinde konkurrenzlos…

Die Partei hat dann begriffen, dass sich was ändern muss und der Herr Bürgermeister arbeitet seither hart an seiner Popularität. Er macht als prominenter Marathonläufer Schlagzeilen in den Bezirkszeitungen, gibt sich leutselig und volksnah, und … er grüßt wieder, auch mich. Diese Geschichte aus meiner Heimatgemeinde ist für mich symptomatisch für die Arroganz einer Partei, die ihre Popularität vor vielen Jahren wegen ihrer „Volksnähe“, als „Partei des kleinen Mannes“ erreicht hatte. Aber von „Volksnähe“ sind die Sozialdemokraten vielerorts weit entfernt, auch wenn sich im Kleinen, so etwa wie sich unser Bürgermeister jetzt darum bemüht, mehr Kontakt zum „gemeinen Fußvolk“ zu demonstrieren, die Linken wieder basisnäher geben. Aber die solcherart Umworbenen sind natürlich misstrauisch, und deuten oder durchschauen durchaus auch solche Aktionen nur als reinen Selbstzweck.

Was mir allgemein im Umgang mit einigen Roten, zu denen ich mich selber grundsätzlich ja auch zähle, auffällt, ist eine gewisse „Abgehobenheit“: viele dieser Leute haben jeden Bezug zu den einfachen Leuten, denen sie früher ihre größten Wahltriumphe zu verdanken hatten, verloren. Ich fragte mich ja früher selber oft, wie ich mich mit einem SPÖ-Politiker in der Bundesregierung identifizieren soll, wenn er ein fürstliches Gehalt bezieht und ihm trotzdem noch ein Dienstwagen und ein Chauffeur bezahlt werden? So lebt man keine Volksnähe vor! Der Vergleich, dass Österreich einen guten Mann (oder eine gute Frau) in der Regierung mit solchen Zuckerln halten muss, weil er in der Privatwirtschaft so viel mehr verdienen würde, hinkt auf allen vier Beinen: Bill Clinton, Ex-Präsident der Vereinigten Staaten, hätte während seiner Amtszeit in andern Konzernen ein Vielfaches seines Einkommens als Präsident beziehen können. Er hat trotzdem nicht gezögert, das „höchste Amt der Welt“ zu führen…

Skandale wie etwa in der Arbeiterkammer in den letzten Jahren (vielen noch bekannt!), in denen auch die ganze Freunderlwirtschaft der SPÖ offenbar wurde, erschütterten die Partei weiter.  Dass die Genossen Wasser predigen und Wein trinken, und das in großen Zügen, das stieß nicht nur mir sauer auf sondern auch vielen anderen Leuten. Die Partei hat auch vielfach das Gefühl dafür verloren, was geht, was noch zumutbar ist, und was nicht. Sehr oft bekommt man im Gespräch mit besonders extremen Roten das Gefühl, das diese glauben immer Recht zu haben, schon deshalb nämlich, weil sie eben Sozialdemokraten sind – eine besonders deutlich ausgeprägte Arroganz, frei nach dem Motto: „De Trotteln kapiern ja des so wieso ned, was guat is fia se.“ Oh, sie kapieren, sie kapieren sehr wohl, und sie haben ihre Konsequenzen daraus gezogen.

Besonders schlimm sind die Linken, die sich mit dem scheinbar edelsten Mäntelchen unter den hehren sozialdemokratischen Eigenschaften schmücken: das sind nämlich die mit dem „großen Herz für die Ausländer“, so groß, das man meinen  müsste, die Leute würden unter der schweren Last nur gebückt gehen können. Verzeihen Sie meinen Sarkasmus, ich habe nichts gegen Ausländer, weil viele von ihnen es ohnedies schwer genug haben, auch bei uns. Aber erstens gibt es auch unter ihnen wie unter den Österreichern selber Gauner und unehrliche Leute, so dass man nicht unter völliger Verkehrung des bösen Vorurteils: “Alle Ausländer sind Gesindel!“ ausschließlich sagen kann „Alle Ausländer sind verfolgte Menschen.“ Zweitens muss man solche scheinheiligen Sprücherl wie vom „Herzen für die Ausländer“ nicht in jedem zweiten Satz zur Selbstbeweihräucherung wiederholen (wie ich es durchaus erlebt habe), weil der Selbstzweck da noch deutlicher offenbar wird. Und drittens reicht es, sich als Mensch im Sinne von „edel sei der Mensch, hilfreich und gut“, ein Herz für alle Menschen zu bewahren – da haben auch alle Platz, vor allem die, die es wirklich nötig haben, dass ihnen geholfen wird, gleich welcher Nationalität.

Ich denke, Sie verstehen was ich meine. Die Linken sind in den Jahren der Wahlsiege sehr überheblich geworden und haben oft nichts mehr gemein mit den Leuten, die sie (früher) in einer Regierungsfunktion oder im Nationalrat vertreten haben. Und dass sie einmal nicht mehr stärkste Partei werden könnten bei einer bundesweiten Wahl, das haben sich die Sozialdemokraten wohl in ihren schlimmsten Albträumen nicht erwartet. Da spielt es keine so große Rolle, dass mit Alfred Gusenbauer nicht unbedingt der charismatischeste Genosse an der Spitze einer Partei steht, die ihren völligen Tiefpunkt vielleicht noch immer nicht erreicht hat, vor allem, wenn sie nicht lernt, den kleinen Leuten wieder aufs Maul zu schauen und danach zu arbeiten und zu agieren. Die letzten drei bitteren Jahre haben die Linken ja vor allem damit verbracht, sich die Wunden zu lecken – Regierung, von der Opposition aus zu machen, wie es Alfred Gusenbauer nach Bildung der blau-schwarzen Koalition angekündigt hat, ist ihnen ja nicht annähernd gelungen. Aber Wehleidigkeit wird die SPÖ nicht weiterbringen, und Österreich schon gar nicht, meint

Vivienne

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