Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  August 2004



The Others

Horror sorgt seit den Anfängen des Films in den Kinos immer wieder für volle Reihen in den Sälen und bei grässlichen Fratzen und allerlei Grauslichkeiten wird eifrig Popcorn gekaut und Cola geschlürft. „The Others“ aus dem Jahr 2001 ist hingegen ein waschechter Grusel-Streifen, in dem Spannung noch subtil und ganz unspektakulär erzeugt wird. Denn in dem Film, den der spanische Nachwuchsregisseur Alejandro Amenabar so eindrucksvoll inszenierte, spritzt kein Blut und gibt es keine jähen Schockeffekte, sondern ganz im Gegenteil schleichenden Schrecken und wohligen Grusel, der Ihrer Vivienne desto gründlicher unter die Haut ging. Schlaflose Nacht inklusive…

Hauptdarstellerin in „The Others“ ist die spätestens seit ihrem Auftritt in „Moulin Rouge“ auch hierzulande anerkannte und hoch gelobte Leinwanddiva Nicole Kidman, die sich von Ex-Ehemann Tom Cruise erfolgreich freigeschwommen hat. Sie spielt die etwas verstörte wirkende Grace, die mit ihren beiden Kindern ein düsteres viktorianisches Haus bewohnt. Düster zum einen deshalb, weil eine Lichtallergie der Kleinen die neu eingestellten Bediensteten, die nach eigenen Angaben in diesem Haus vor vielen Jahren auch schon einmal gelebt haben, dazu zwingt, die Räume stets in bedrückendem Dunkel zu halten. Düster aber auch, weil über dem Haus und dieser Familie der geheimnisvolle Schatten einer dunklen Vergangenheit zu lasten scheint. Grace Mann ist angeblich im Krieg gefallen, jedenfalls schildern die Kinder das gegenüber ihrem neuen Kindermädchen.

Geheimnisvolle Vorgänge beherrschen also das Leben in den dunklen Hallen, die immer unter einer dichten, undurchdringlichen Nebeldecke zu liegen scheint. Die Kinder selber erzählen immer wieder von einem geheimnisvollen anderen Jungen, den nur sie sehen können und mit dem sie auch manchmal in Kontakt treten. Außerdem sind eines Morgens die Vorhänge in den Zimmern, entfernt, was Grace in tiefe Hysterie stürzt. Grace scheint ohnedies sehr labil und extrem aufbrausend zu sein, und es mehren sich auch die Anzeichen, sie könnte an einer Geisteskrankheit leiden. Aber auch die Dienerschaft selber scheint ein paar Geheimnisse zu hüten und als Zuseher ist man immer wieder hin und her gerissen zwischen den Protagonisten. Spukt es in dem Haus tatsächlich, und manches scheint darauf hinzuweisen, oder ist alles nur Wahn?

Graces Mann taucht zudem unvermittelt für kurze Zeit auf, die Beziehung der beiden ist nicht konfliktfrei, wie mehrfach deutlich wird. Es geht ihm nicht gut, trotzdem verlässt er seine Familie wieder, und der Nebel zieht sich noch dichter über dem Haus zusammen. Grace wird danach noch fahriger und die neuen Dienstboten scheinen ihr mehr und mehr obskur. Die Handlungsstränge scheinen unentwirrbar. Jetzt das Ende zu verraten, dem der Zuseher gespannt entgegenfiebert, würde dem erstklassigen Streifen Alejandro Amenabars die ganze Wirkung nehmen. Ich möchte nur eines sagen: Nichts ist so wie es scheint, alles ist in Wirklichkeit ganz anders und wem am Finale des Films das Herz nicht in den Hosen sitzt, der lügt oder er hat Nerven aus Drahtseil. (Vivienne flüchtete übrigens vor Zeugen unter die Bettdecke!)

Grusel liegt nicht jedem, und ich selber bin, das muss ich zugeben, normalerweise viel zu ängstlich für diese  Materie. Trotzdem ist „The Others“ für mich ein genialer Streifen, der ohne billige Schockeffekte auskommt und einzig durch die Schauspielkunst der Darsteller besticht. Darunter ragt speziell – wie schon erwähnt – Nicole Kidman hervor, die schon in diesem Film oscarreif agierte. Nichts für schwache Nerven also, aber wer durchhält, bleibt nicht unbeeindruckt von dieser Riege erstklassiger Protagonisten und ihrem Zusammenspiel. Und lernt, dass weniger manchmal mehr ist – es müssen nicht immer Totenköpfe, ekeliger Schleim und Zombielarven sein!

Vivienne

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