von Vivienne – Mai 2004
EU-Erweiterung – Segen oder Fluch?
Heute, am 1. Mai, wird europaweit der Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten zelebriert. Hand aufs Herz können Sie ohne nachzuschauen alle diese Staaten auf einmal nennen? Nun, mir würde das wohl auch nicht auf Anhieb gelingen. Unsere Regierung, geführt von Dr. Schüssel, ergibt sich seit Tagen in Euphorie, Schüssel sieht auch keine Alternative zur EU. Auch die sonst so kritische Opposition freut sich, dass mit diesem historischen Schritt die alte Ordnung nach 1945 endgültig auf den Kopf gestellt wurde. In Deutschland ist der Tenor ähnlich, kein Politiker sieht Probleme.
Aber gibt es wirklich keine? Da bin ich mir nämlich nicht so sicher. Die aktuelle Begeisterung erinnert mich stark an den Juni 1995, als Österreich selber EU-Mitglied wurde. Eine unsägliche Staatssekretärin, die Gott sei Dank schon lange in der Versenkung verschwunden ist, versprach den österreichischen Familien damals mit der EU-Mitgliedschaft einen Tausender (Schilling) Ersparnis im Monat. Weit gefehlt! Ganz im Gegenteil, vieles wurde in der Folge teurer, unsere Bauern sind in eine Existenzkrise geraten und der Euro, der mit 2002 kam wurde auch für die Österreicher zum Teuro.
Zudem wurde vielen bei uns schnall klar, dass wir als Nettozahler zwar ziemlich gerupft werden in der Staatengemeinschaft, aber als Kleinstaat bedeutungslos bleiben, wenn es um große Entscheidungen geht. Siehe Transit. In der EU passiert, was den großen Mitgliedsstaaten der ersten Stunde genehm ist. Ein wenig Kritik mag daher durchaus angebracht sein. Und als erstes drängt sich zweifellos auf, ob so manche österreichische Produktionsfirma oder mit österreichischem Standort von der neuen Regelung nicht geradezu ermuntert wird, ihr Werk in Österreich zu schließen und in ein Niedrig-Lohn-Land aus dem ehemaligen Osten zu verlegen.
Heutzutage regiert der Cash, Profit muss gemacht werden, so viel wie möglich, und Loyalität oder ein langjähriges Arbeitsverhältnis sind im Vergleich dazu Nebensache. Ich denke, die Angst vieler Österreicher, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, eben wegen dieser Entwicklung, sind mehr als begründet. Auf die Versprechungen von Schussel und Co gebe ich nicht viel. Bei aller Not am Arbeitsamt geht es uns mit der Arbeitslosenrate im Moment noch relativ gut (betrachtet im EU-Schnitt), aber wer weiß, wie sich die Situation in einem Jahr verändert hat. Ich denke, es lässt sich nicht leugnen, dass es vor allem einzelne große Konzerne sind, die von diesen Möglichkeiten profitieren.
Konzerne, die wegen des Profites diese Situation nutzen, um auch das Lohniveau im westlichen Europa zu drücken mit Hinweis auf billigere Nachbarländer. Und das kann nicht im Interesse von Österreich sein, und auch nicht in dem der EU. Schüssel sagt: Es gibt keine Alternative zur EU, aber die Schweiz existiert nach wie vor und nagt nicht am Hungertuch, das steht außer Zweifel. Für mich ebenfalls problematisch die Zuwanderung vieler neuer EU-Bürger, die sich im westlichen Europa bessere Chancen und die Erfüllung ihrer Träume erwarten. Nicht nur, dass sich bei solchen Gelegenheiten auch immer allerhand kriminelles Gesindel einfindet ohne jetzt ausländerfeindlich sein zu wollen, aber der Kriminaltourismus in Österreich lebt! ich fürchte auch ein neues Nationalitätenproblem, weil viele Menschen für eine multikulturelle Gesellschaft nicht bereit oder reif dafür sind.
Zweifellos, das kann ich nicht völlig in Abfrage stellen, kann die erweiterte EU gerade in diesem Bereich DIE Chance sein für ein geeintes Europa, für einen Schmelztiegel vieler Nationen und ihrer Kulturen, unter einem Dach. Aber während in den USA die Staatengemeinschaft langsam und historisch gewachsen ist, ist und bleibt die EU ein Klon, die Länder wurden künstlich geeint nachdem sie sich in der Vergangenheit oft genug bekriegt hatten und dabei auch starke Aversionen und Vorurteile entstanden sind, die all zu oft neue Kriege und Konflikte auslösten. Und nach wie vor aktuell sind Kann das gut gehen? frag ich mich immer wieder. Diese Situation erinnert mich ja an jene familiären Situationen, wo die Schwiegermutter mit im Haus lebt da bleiben die Troubles auch nicht aus, ja, sie sind unvermeidbar.
Was die Zukunft in der EU nun wirklich bringt, bleibt eine große Unbekannte. Theoretisieren ist leicht, das mag sich auch so mancher von Ihnen, liebe Leser, denken. Es ist mir aber trotzdem wichtig, jetzt schon meine Stimme zu erheben. Im Nachhinein schimpfen ist einfacher aber nicht zielführend. In diesem Sinne heißen wir die neuen Staaten also willkommen und harren der Dinge, die sich nun ergeben werden mehr können wir ohnehin nicht tun. Man belasse mir aber auch meine Skepsis, ich glaube auch nicht, dass ich allein damit bin!
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