von Vivienne – Jänner 2004
Voyeur von Amts wegen
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere von Ihnen, liebe Leser, noch an einen Beitrag, den ich vor bald zwei Jahren geschrieben habe: Freibrief für Spanner hieß er und ich kreidete damals das Verhalten eines Richters in Deutschland an, der einer Frau, die von einem Perversen in die Toilette verfolgt und halbnackt begafft wurde, jegliches Recht auf Intimsphäre absprach, in dem er den Spanner freisprach. Ich hatte damals in der Folge einige Zeit Kontakt mit einem erbosten Leser aus Deutschland, der das kranke Verhalten seines Landsmanns nach dem Motto Ein bissl Speanzln muss ja wohl erlaubt sein! herunterspielen wollte. Wir gingen dann trotzdem in Frieden auseinander, aber ein Verständnis für derartiges Verhalten hat sich bei mir nicht wirklich entwickelt.
Im Gegenteil. Mir wurde wieder bewusst wie schnell es frau passieren kann, auf diese Weise zum Sexobjekt degradiert zu werden. Manchmal auch von Amts wegen. Unvergessen der Skandal vor ein paar Jahren in Salzburg, als Frauen, die routinemäßig für den Führerschein die Sehstärke kontrollieren lassen mussten, sich für diesen Test bis auf die Unterhose auszuziehen hatten. Dem wurde in der Folge rasch ein Riegel vorgeschoben, allein schon durch das Medienecho war den Behörden klar geworden, dass Handlungsbedarf besteht.
Allerdings gehen die Uhren nicht überall gleich. In meinem eigenen Bezirk wurde solch ein Voyeur über Jahre nicht wirklich behelligt, obwohl schon lange bekannt war, dass er seine Spannerneigungen bei Führerscheinaspirantinnen oder anderen jungen Frauen bis 35 Jahre, die zu solchen Untersuchungen kommen mussten, auslebte. Obwohl auch in diesem Fall für provinzielle Verhältnisse das Rauschen im Blätterwald nicht unerheblich war. Der Mann war etliche Jahre in unserer Bezirkshauptstadt tätig und durfte seine Untersuchungen gestalten wie er wollte nämlich mit viel nacktem Fleisch.
Aber zäumen wir das Pferd von vorn auf. Dieser Amtsarzt hielt also speziell junge Frauen an, sich bei den naturgemäß sehr häufig anfallenden Untersuchungen wegen der Führerscheintauglichkeit fast völlig zu entkleiden, obwohl das gar nicht notwendig war: Herzschlag überprüfen, Blutdruck messen oder Fragen zur Gesundheit muss man sicher nicht in fast unbekleidetem Zustand über sich ergehen lassen. Sie werden mir in diesem Fall vermutlich zustimmen, vor allem, da in anderen Bezirksstädten das Problem nicht bestand, weil dort kein Kollege je auf den Gedanken gekommen wäre, sich an den nackten Brüsten junger Mädchen und Frauen zu ergötzen.
Ein Voyeur, was ist das eigentlich? Das Fremdwörterlexikon von Buch und Zeit hat da eine eindeutige Antwort für uns bereit: jemand, der sich durch Zusehen beim Geschlechtsverkehr oder beim Anblick Nackter befriedigt, Spanner (frz.) Rechtlich gesehen muss man bei der Formulierung sicher vorsichtig sein, weil wohl nicht nachweisbar ist, ob sich der gute Mann, von dem ich erzähle, mittlerweile Gott sei Dank in Pension, durch den Anblick der nackten Weiblichkeit wirklich Befriedigung verschaffen konnte. Genossen hat er es jedenfalls fraglos, dass er in seiner Position de facto kostenlos wogende Weiblichkeit en masse vorgeführt bekam.
Voyeur nun oder einfach Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses? Diese Frage wird sich nie restlos klären lassen. Schmutzig ist es in jedem Fall, was er sich geleistet hat. So traurig es ist, es gibt keine einheitlichen Richtlinien in Österreich, wie ein Amtsarzt seine Untersuchungen gestalten darf. Und der langjährige Amtsarzt in Perg hat diese Möglichkeit so weit wie möglich ausgegeizt. Sie müssen nicht glauben, dass es nicht Proteste und scharfe mediale Attacken gegen diese fragwürdige Vorgangsweise gegeben hat. Allein, die Empörung der Leute reichte nur aus, dass der Mann einige Zeit versetzt wurde, aber nach einer Weile wieder zurückkehren durfte in Amt und Würden. Zu gut waren seine Beziehungen, und der Einfluss seiner Freunde war so groß, dass er bald wieder wie gehabt im Bezirk vorgehen durfte.
Vielleicht interessiert es Sie ja, liebe Leser, wie so eine Untersuchung bei jenem Amtsarzt verlief. Ich war selbst einmal in der fragwürdigen Position, mich im Slip von dem fragwürdigen Beamten begutachten lassen zu müssen. Es ist ein paar Jahre her – ich hab meinen Führerschein relativ spät gemacht – als ich wegen der Lizenz zum Fahren aufs Amt musste. Zuerst war ein Fragebogen auszufüllen, dann machte ich bei einer Kollegin einen mickrigen Sehtest und schließlich stellte mir die Frau die alles entscheidende Frage: Wie alt sind Sie? Ich antwortete wahrheitsgemäß ich war damals Anfang 30 geworden – und erhielt dann den in einer Art Befehlston vorgetragenen Hinweis, mich in der Umkleidekabine nebenan bis auf die Unterhose zu entkleiden und auf den Aufruf des Herrn Amtsarztes zu warten.
Dort wurde mir der Blutdruck gemessen, ich durfte eine Kniebeuge machen und der Arzt fragte ob ich irgendwelche Beschwerden hätte. Das wars. An- und Ausziehen dauerte dreimal so lang wie die eigentliche Untersuchung, die wohl mehr meinem Busen als dem Feststellen meiner Fahrtauglichkeit gedient hatte. Ist so ein Mann ein Spanner, ein Voyeur? Einen Vogel hat er sicher, etwas umgangssprachlich formuliert, und es gehört außerdem eine gehörige Portion Unverfrorenheit und Präpotenz dazu, seine Neigungen unter Zuhilfenahme seiner amtlichen Kompetenzen zu befriedigen. Amtsmissbrauch, würde ich sogar sagen. Den meisten Betroffenen war es trotzdem egal, weil im Grunde nur eine Minute Nacktheit als kleine Hürde vor dem Führerschein zu bewältigen war.
Ich dachte ähnlich, obwohl es mich giftete. Ich bin nach wie vor überzeugt, es steht einem Menschen zu, dass seine Privatsphäre und dazu zähle ich im Speziellen auch meinen Körper auch auf einem Amt akzeptiert wird. Bei einem Arztbesuch lässt es sich naturgemäß nicht vermeiden, sich mehr oder weniger zu entblößen Musterbeispiel Gynäkologe aber in so einem Fall ist es der Arzt meines Vertrauens (und nicht irgendeiner von Amts wegen verordneter!), dem ich mich überlasse und anvertraue. Und so sollte es auch bleiben. Einheitliche Richtlinien für diese Untersuchungen gehören unbedingt her, im gesamten Bundesgebiet, damit Spanner und Voyeure im Amtsarztkittel (so selten solche schwarzen Schafe in der Praxis auch vorkommen) ihre perverse Natur in Hinkunft in Peepshows ausleben müssen auf eigene Kosten.
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