Neue Bohnen Zeitung


Die bunte Welt von Vivienne
von Vivienne  –  Juni 2001


Warum Frauen untereinander
selten Freunde sein können …

Das Verhältnis von Frau zu  Frau kann sich sehr komplex gestalten. Auch das Verhältnis zwischen meiner Freundin Vicky  und mir ist nicht immer perfekt, das wissen Sie ja vielleicht schon: ihre „akuten Phasen“ etwa – wenn ein Mann sie wieder um den Verstand bringt – rauben mir schon manchmal die Kraft. Aber auch wenn ich das Verhältnis zu anderen Frauen in meinem Freundes- oder Bekanntenkreis unter die Lupe nehme, muss ich feststellen: Ich habe zu jenen das bessere Verhältnis, die mich nicht ständig und immer wieder ihrer Freundschaft versichern. Und im besonderen auch zu jenen, wo diese Freundschaft durch eine gewisse Distanz geprägt ist: frau versteht sich dann gerade oft deswegen…

Dazu wieder eine meiner Geschichten: Die letzten Jahre, die manchmal nicht leicht waren, hatten mich beruflich in die „Provinz“ verschlagen. Ich hatte im Reisebüro einer redegewandten Unternehmerin zu arbeiten begonnen, die sich nach der Babypause zu  neuen Ufern berufen fühlte. Eine meiner neuen Kolleginnen war Hanna. Wenig älter als ich, Tochter und Sohn im Teenager-Alter, bestens verheiratet. Mit Hanna stand ich relativ schnell auf freundschaftlichem Fuß. Wir vertrauten uns Probleme an, plauderten über esoterischen Krims-Krams und versuchten im besonderen, das Chaos, das unsere Chefin um uns verbreitete, in den Griff zu bekommen, zumeist vergeblich…

Hanna vermittelte mir  besonders am Anfang das Gefühl einer gewissen Seelenverwandtschaft. Ich war zuletzt einige Male auf die Füße gefallen, war privat und beruflich ausgenutzt worden und schien nun auf ein gleichgeartetes Pflänzchen gestoßen zu sein, das mich ach so gut verstand. Ich war einige Male bei ihr eingeladen, kannte Mann und Kinder und ebenso auch die Familiengeschichten. Wir schlugen uns auch ein paar denkwürdige Nächte um die Ohren, bei denen wir eher ausgelassenen Teenagern als soignierten Mitdreißigerinnen glichen. So weit, so gut.

Ich weiß nicht mehr genau, wie dann einmal die Sprache auf ihren Bruder Clemens kam. (Übrigens: ich habe Clemens bis heute nicht kennengelernt!) Clemens ist ihr Zwillingsbruder und bewirtschaftet den Bauernhof der Eltern. Ich war damals schon einige Zeit allein (falls es Sie interessiert: Hermann und ich gingen längst getrennte Wege.): nicht ganz glücklich mit diesem Zustand, aber im Bewußtsein dessen, daß es sich in einer schlechten Beziehung noch viel unglücklicher lebt. Besser kein Partner als der falsche.

Als manchmal etwas argloser Mensch – siehe Alberto – registrierte ich nicht sofort, dass der liebe Clemens in der Folge immer öfter Gegenstand von Hannas Erzählungen wurde. Dass der Arme keine Frau findet. Dass er ein herzensguter Mann und sehr kinderlieb sei. Dass er als sensibler Mensch sehr unter seiner Einsamkeit leide… Sie wurde nicht müde. Mir war’s eigentlich egal. Bis zu dem Moment, als sie damit anfing, wie dringend ihre Eltern eine Entlastung brauchen würden… Ich zählte eins und eins zusammen und das Ergebnis gefiel mir nicht.

Dass kein Missverständnis aufkommt: ich betrachte den Bauernstand nicht als „minderwertig“. Jeder Beruf hat seine Pluspunkte und Schattenseiten. Mein Onkel bewirtschaftet mit seiner Frau einen Hof und ich habe daher einen guten Einblick in dieses Leben. Ich weiß einfach für mich selbst, dass das eben nicht meinen Neigungen entspricht. Ich bin alles andere als ein Frühaufsteher, und am Wochenende schlage ich mir gerne mal die Nächte um die Ohren. Das kurz dazu.

Ich begann das erste Mal mein Verhältnis zu Hanna zu überdenken. Intensiv. Und ihre steten Erklärungen, wie gut wir uns nicht verstehen würden, wie ähnlich wir uns nicht seien, bekamen auf einmal einen etwas schalen Beigeschmack…

Bei einem meiner folgenden Besuche bei ihr daheim zeigte sie mir dann auch noch – wie  zufällig – den Bauernhof des Bruders. Das alles fügte sich perfekt in ein Gesamtbild und stieß mir sauer auf. Als wir kurz darauf an einem Abend in der Bar eines Lokals saßen, sah sie den Zeitpunkt gekommen, ihre Offensive zu starten: mit  beredten Worten versuchte sei mir, ohne konkret zu werden, ein Leben als Bäuerin schmackhaft zu machen. Bitterböse Spitzen, wie „dezente“ Hinweise auf mein „fortgeschrittenes Alter“ oder das „Mutterglück“, wie sie es genießt, fehlten aber nicht. Ich hatte schon die längste Zeit mit so etwas gerechnet und parierte sicher. Kein Thema. Hannas Kiefer sackte auf Höhe des Barhockers, aber sie sagte nichts. Der Abend fand jedenfalls überraschend früh sein Ende. Hanna hatte mit einem Mal unerklärliche Kopfschmerzen und wollte heim…

Ich brauche wohl nicht betonen, dass mein Verhältnis zu Hanna in der Folge ziemlich abgekühlt war. Nicht dass sich nach außen hin für irgend jemanden Außenstehenden etwas an unserer „Freundschaft“ geändert zu haben schien. Ich selber aber sah diese „Freundschaft“ ziemlich nüchtern. Wie konnte eine Frau wie Hanna, die sich meine Freundin „schimpfte (mußte man fast schon sagen!), ernsthaft annehmen, ich könnte in einem Leben als Bäuerin meine Erfüllung finden? Ich, die ich von Kopf bis Fuß ein Stadtmensch bin und seit Kindertagen eine ausgeprägte Phobie gegen Tiere, die größer als eine Katze sind, mit mir herumtrage????? Dazu meine lackierten, langen Fingernägel und der kurze, dunkelrot gefärbte Haarschopf, jeden Morgen frisch gefönt?????

Am meisten ärgerte mich aber in dem Zusammenhang, dass Hanna ganz offensichtlich die Auffassung vertrat, dass ich „in meinem Alter“ schon froh sein müsste, für jeden Mann, der an mir Interesse zeige und sei es nur, weil er dringend „irgendeine Frau“ bräuchte, die neben gewissen körperlichen Bedürfnissen auch noch „ihren Zweck in Küche und Stall erfüllt…“ Noch einmal, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es ist mir wirklich fern, den Bauernstand in irgendwie unsachlicher Weise herunterzumachen oder zu kritisieren. Aber in diesem einen konkreten Fall lagen die Karten offen auf  dem Tisch. Clemens brauchte dringend eine Frau und ich war Single. Aber ich hatte keinerlei Ambitionen, mich auf dieses „Abenteuer“ (oder was immer!) einzulassen.

Für mich war dieses Kapitel also abgeschlossen, aber ich kannte Hanna gut genug um zu wissen, dass das Thema für sie noch nicht vom Tisch war. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Sie würde nur auf einen Zeitpunkt warten, wo ich möglicherweise empfänglicher war, mich mit einer solchen „Veränderung“ anzufreunden. In dieser Situation kam mir unsere Chefin unfreiwillig  zu Hilfe: aufgrund der angeschlagenen finanziellen Situation ihrer kleinen Firma versuchte sie mich zu „überreden“, auf „Teilzeit“ umzusteigen und bei defacto gleichbleibender Arbeitszeit nur mehr für 25 Wochenstunden Gehalt zu beziehen. Das machte es mir leicht, mich von der Firma schnell zu verabschieden…

Hanna verlor ich für’s erste aus den Augen. Ich machte verschiedene kleinere Sachen, hauptsächlich redaktionell, und setzte mich erstmals ernsthaft mit dem Gedanken, mich selbständig zu machen, auseinander Kurz vor Weihnachten lief ich ihr dann in einem ländlichen Einkaufszentrum über den Weg. Hanna freute sich sehr. Wir setzten uns in ein Café und verplauschten die nächsten Stunden… Ich bin im Allgemeinen nicht nachtragend und die Distanz hatte unserem Verhältnis sichtlich gut getan. In der Folge erhielt ich regelmäßig mehrmals die Woche Emails von ihr.

Ich war dann einige Zeit arbeitslos, sprich ohne fixe Anstellung. Hanna schickte mir regelmäßig zu Wochenbeginn eine Email, die jedesmal fast gleichen Inhalts war. Ob ich diese Woche wieder vorstellen ginge, und wenn ja, wünsche sie mir gleich alles Gute für den Fall, dass ich mir diesen Job wünsche. Sie haben richtig gelesen, kein Scherz. Eine Weile ließ ich mir das gefallen, bis mir schließlich der Kragen platzte. Ich empfand das als so unglaublich unsensibel und penetrant, wie es mir noch nie untergekommen war. Das war eigentlich schon „krank“. Eines schönen Tages schrieb ich ihr dann zurück, in Unmenge Honig verpackt, sei müsse mir das nicht jede Woche…, ich wisse ja, wie sehr sei mir das Beste vergönnt sei,… Ich hatte die Worte wirklich mit Bedacht gewählt, das können Sie mir glauben.

14 Tage keine Emails. Hanna war bitterböse auf mich. Ich hätte sie so sehr verletzt, und überhaupt… Die Frau hatte leider keine Ahnung, wie sehr mir ihre Pentranz auf die Nerven ging, aber das sagte ich ihr nicht. Hätte wenig Sinn gehabt, sie hätte es nicht begriffen…

Den Vogel schoss Hanna dann zum Muttertag ab. Auf einer halben Seite schilderte sie mir detailliert, was ihr der Göttergatte und der hoffnungsvolle Nachwuchs zu diesem „Ehrentag“ geschenkt hätten. Ich äußerte mich nicht direkt dazu, meinte aber, dass ich mir selber als ökonomisch denkender Mensch zum Muttertag nichts wünschen würde. Ich schätze dieses „Justament-Schenken“, wie ich es nenne, allgemein nicht, und verzichte seit Jahren auf Weihnachtsgeschenke. Meiner Meinung nach gibt es genügend Gründe im Jahr zu schenken, die viel persönlicher sind,. Aber jeder soll es so halten, wie er es will, es tangiert mich nicht wirklich. Das führte ich auch in der Email an, kurz und bündig.

Hanna konterte aufgebracht: ich dürfe mir da gar kein Urteil anmaßen, schließlich hätte ich keine Kinder. Hätte ich welche, würde ich sicher anders denken…

Verstehen Sie mich nicht falsch. Aber glauben Sie ernsthaft: hätte ich Hanna geantwortet, wie toll ich es fände, wie sehr ihr Mann und die Kindern an sie denken würden, wie wundervoll es wäre, was sie nicht alles zu diesem “Ehrentag“ bekommen hätte, glauben Sie, sie hätte mich derart zurecht gewiesen? Glauben Sie ernsthaft, sie hätte mir geantwortet, dass sie meine Antwort menschlich zwar schätze, aber aufgrund meiner Kinderlosigkeit könne ich da gar nicht mitreden? Sehen Sie, das ist der Angelpunkt. Wenn ich ihre Meinung geteilt hätte, hätte sie meine Ansicht durchaus akzeptiert. Wohlwollend.

Grundsätzlich, das möchte ich noch einmal betonen, ist es mir egal, wer wem was zu welchem Anlass schenkt. Muttertag, Weihnachten, Ostern,… was auch immer. Und grundsätzlich gebe ich zu: sollte mich ein Mann zur Mutter seiner Kinder auserküren (und ich ihn zum Vater von meinen!), wäre  es wohl mein geringstes Problem, wenn er mir nun partout zum Muttertag Geschenke machen wollte. Ich könnte sicher damit leben, ohne daraus eine Staatsaffaire zu machen. Was mir hingegen immer schwerer fällt zu akzeptieren, ist diese feine Unterscheidung zwischen „Frau“ und „Mutter“, die von manchen Müttern geradezu hervorgehoben wird: „Wenn Du keine Kinder hast, kannst Du nicht mitreden.“

Oh, ich kann aber sehr wohl mitreden. Denn Mutterschaft, eine Schwangerschaft mit Geburt, machen eine Frau weder unfehlbar in der Kindererziehung oder Kinderbelangen noch notwendigerweise einen besseren, „wertvolleren“ Menschen aus ihr. Genauso wenig wie Kinderlosigkeit blind machen muss für die Probleme von Eltern, von Müttern im besonderen, oder gar unfähig, einen realistischen Zugang zu Mutterschaft und Kindererziehung zu finden. Das vergessen manche.

Und das sind Gründe, warum Freundschaften unter Frauen oft so schwierig sind. Männer unterscheiden nicht so klar zwischen Vätern und „Kinderlosen“. Aber – so grotesk es klingen mag – genügend Frauen fühlen sich durch ein Kind „aufgewertet“, und sei es auch nur wegen „Pflichtterminen“ wie dem Muttertag…

Vivienne

PS: Es gibt natürlich auch hierzu andere Aspekte. Doch dazu ein anders Mal.

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