Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Juni 2004



Für dich…

Eine halbe Ewigkeit ist es her.
Mein Haar war noch ganz kurz und schwarz.
Schwarz wie die Nacht.
Kurz bevor die Sonne aufgeht.
Eigentlich war ich ja blond.
Aber diese ewigen Blondinenwitze ärgerten mich schon.
Immer wieder.
So was von geistlos!
Dachte ich mir damals.
Also färbte ich meine Haare kurz entschlossen schwarz.
Mit dem Ergebnis, dass die meisten Leute die mich kannten, zweimal hinsehen mussten.
Bevor sie mich erkannten.
Aber ich hatte nichts dagegen.
Nicht das geringste.
Viele Leute konnten mir damals ohnehin gestohlen bleiben.
Damals.
War so eine kleine Revoluzzerin…
Ich rebellierte gegen alles.
Auch gegen deine sarkastischen Bemerkungen.
Deinen trockenen Humor.
Du hast dich nicht abhalten lassen.
Von meiner zickigen Art.
Von meiner Sprödheit.
Ganz im Gegenteil.
Hast dich immer wieder zu mir gesetzt.
Im Zug.
Bis ich nicht mehr konnte.
Ich lachte über dich.
Und deinen Witz.
Auch wenn ich es eine Weile nicht zugeben wollte.
Und so wurden wir Freunde.
Obwohl ich mich so lange dagegen gewehrt hatte.

So bist du ein Fixpunkt in meinem Leben geworden.
Mehr als das.
Irgendwann hast du dich in mein Herz geschlichen.
Gezielt?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur eins.
Irgendwann begann mein Herz immer schneller zu schlagen.
Wenn ich wusste, jetzt steigst du zu.
Ich versuchte mir etwas vorzumachen.
Ich hab dich halt gern.
Daran war nichts Ungewöhnliches.
Dein Charme.
Dein Schmäh.
Dein gewinnendes Wesen.
Trotzdem ging es mir um viel mehr.
Darum, dass ich nervös wie Teenager wurde.
Wenn du mich ganz freundschaftlich in den Arm nahmst.
Wenn wir uns so nahe saßen.
Dass ich dein Rasierwasser roch.
Und ich merkte, wie sich im Ausschnitt deines T-Shirts deine Brusthaare kräuselten.
Meine Hände wurden feucht.
Und irgendwann fragte ich mich.
Wie das weitergehen sollte.
Würde.
Ich war in dich verliebt…!

Ich hätte sie erwürgen können!
Diese dralle Rothaarige, mit der ich dich ein paar in Linz sah.
Meine Stimmung sank immer auf den Nullpunkt.
Ich wurde ekelhaft zu meinen Mitmenschen.
Sperrte mich bei mir ein.
Trichterte mich zu mit Bon Jovi zu.
Und Guns and Roses.
Vergoss bittere Tränen.
Meine Freunde fragten bisweilen, was mit mir los wäre.
Aber ich sagte nichts.
Verbarg meine verletzten Gefühle hinter Unnahbarkeit.
Hinter Bissigkeit.
Und litt doch so sehr…
Einmal stöberte ich in einer Buchhandlung.
Blätterte Lyrik durch.
Klassiker.
Als ich plötzlich angeredet wurde.
Sag.
Ich kenne dich doch.
Die dralle Rothaarige stand hinter mir.
Ich fühlte unglaubliche Wut in mir aufsteigen.
Was wollte die eigentlich?
Patzig drehte ich mich wieder um.
Hey du.
Dich meine ich.
Hör doch zu.
Ich war ihr einen giftigen Blick zu.
Hey.
Was ist los mit dir?
Du bist doch das Mädel, auf das mein Bruder so abfährt, oder?

Alles war so simpel.
Und das Mädel war gar nicht so übel, wie ich zuerst dachte.
Sie war übrigens genau so blond wie ich.
Nur das sie ihre Haar rot färbte.
Und wie hatte sie gesagt?
Bist du nicht das Mädel, auf das mein Bruder so abfährt?
Das war ich in der Tat.
Bald darauf küssten wir uns das erste Mal.
Du und ich.
Und Ende des Monats waren wir ein Paar.
Und das sind wir jetzt fast fünf Jahre.
Eine lange Zeit.
Eine sehr lange Zeit für diese Generation.
Ich bin wieder blond.
Und trag die Haare schulterlang.
Und wie es so ist.
Morgen heiraten wir.
Ganz schlicht.
Am Standesamt.
Ohne großen Aufwand.
Nichts wird sich ändern.
So wolltest du meine Bedenken zerstreuen.
Trotzdem hab ich ein wenig Angst vor dem Schritt.
Nichts wird sich ändern.
Ich hoffe es.
Für die nächsten fünf Jahre.
Und fünf mal fünf Jahre…

Vivienne

Link: Alle Beiträge von Vivienne

 

Schreibe einen Kommentar