von Vivienne – Juli 2004
Die Ballade über die Angst vor der Liebe
Eine junge Frau dachte unglücklich über ihr Leben nach.
Sie war jung.
Sie war schön.
Mit einem Wort begehrenswert.
Die Männer drehten sich um nach ihr, wenn sie unterwegs war.
Und sie genoss diese Blicke.
Trotzdem war sie unglücklich.
Nicht zum ersten Mal.
Sie hatte sich nämlich verliebt.
Ein gut aussehender, schlanker Mann war der König ihres Herzens.
Aber so freundlich und nett er auch immer zu ihr war.
Und so sehr sie ihn auch immer umgarnte.
Er blieb immer ein wenig auf Distanz.
So schüchtern? Hatte sie gedacht.
Einmal lud sie ihn abends in ihre Wohnung ein.
Und in einem passenden Moment begann sie ihn leidenschaftlich zu küssen.
Koste seinen Hals und die Brust und versuchte ihn auszuziehen.
Nach ein paar Momenten machte er sich wieder frei.
Sanft, aber bestimmt.
Versteh mich nicht falsch.
Er richtete sich seine Kleidung.
Und stand wieder auf.
Du bist sehr reizvoll.
Und ich mag dich sehr.
Aber ich liebe dich nicht.
Ich möchte einfach keine Beziehung.
Es geht mir gut so, wie es momentan ist.
Mit diesen Worten verließ er ihre Wohnung wieder.
Die junge Frau begann zu weinen.
Stunden.
Sie konnte sich nicht beruhigen.
Irgendwann ging sie dann doch zu Bett.
Aber sie lag nur wach.
Wischte sich ständig Tränen vom Gesicht.
Und schluchzte immer wieder haltlos.
Sie hatte ihn so geliebt.
So sehr.
Und er hatte ihre Liebe zurückgewiesen.
Wie schon ein anderer vor etwas mehr als einem halben Jahr.
Auch er hatte sich ihrer Verführung widersetzt.
Denn er war in ein anderes Mädel verliebt gewesen.
Diese war lange nicht so hübsch wie sie.
Das wusste sei genau.
Aber ihm war das egal gewesen.
Völlig.
Und während sie schwankte zwischen Wut und Enttäuschung.
Wurde ihr aber auch bewusst.
Dass man Liebe nicht zwingen kann.
Auch ihre Schönheit nicht.
Liebe kommt nicht aus dem Äußeren.
Liebe kommt aus dem Inneren.
Aus der Seele.
Die junge Frau lachte bitter.
Schon damals hatte sie eine nicht mehr ganz junge Frau gefragt.
Wovor hast du eigentlich Angst?
Sie hatte sie beleidigt angesehen.
Ich habe keine Angst.
Vor nichts und niemand.
Die Frau hatte gelächelt.
Und warum hast du dann Angst vor der Liebe?
Sie erinnerte sich.
Sie war zornig geworden.
Ich habe keine Angst vor der Liebe.
Die Frau hatte den Kopf geschüttelt.
Natürlich hast du Angst.
Warum verliebst du dich denn immer in junge Männer, die dich nicht haben wollen?
Die Frau hatte sie dabei freundlich angesehen.
Doch sie selber hatte sich wütend umgedreht und war davongelaufen.
So ein Unsinn.
So ein Blödsinn!
Sie hatte keine Angst.
Nie im Leben!
Und doch musste sie jetzt wieder daran denken.
Hatte die seltsame Frau doch recht gehabt?
Das Mädchen begann sich zu erinnern.
Schmerzhaft.
An diesen Mann, der sie immer wieder eingeladen hatte.
In seine Wohnung zu kommen.
Sie war damals dreizehn gewesen.
Einmal hatte sie nachgegeben.
Aus Neugierde.
Und der Mann war dann über sie hergefallen.
Hatte ihr furchtbar wehgetan.
Über Stunden konnte sie nicht fort.
Aber niemand hatte ihr nachher geglaubt.
Bis sie es selber nicht mehr glaubte.
Glauben wollte.
Aber war vielleicht damals etwas in ihr zerbrochen?
Hatte sie seither solche Angst vor der Liebe?
Dass sie immer nach dem falschen suchte?
Nie mehr jemanden so nah an sich heranlassen wollte?
Endlich schlief die junge Frau ein.
Sie schlief wie ein Kind.
Als sie wach wurde, fühlte sie sich wie nach einem jahrelangen Schlaf.
Es ging ihr besser.
Viel besser.
Vielleicht hatte sie heute Nacht erkannt.
Warum sie immer so unglücklich liebte.
Und sie war es sich Wert darüber nachzudenken.
Über den eigenen Schatten zu springen.
Für die Liebe lohnte sich allein schon der Versuch.
Und sie musste lächeln
Liebe passiert viel weniger im Körper eines Menschen.
Als viel mehr in dessen Seele.
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