Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  April 2004



Liebe hat zwei Gesichter / „The mirror has two faces“

Jugend- und Schönheitswahn waren zuletzt öfter  in meinen Beiträgen im Mittelpunkt meiner Überlegungen. Der Film „Liebe hat zwei Gesichter“ fügt sich da nahtlos ein. Wer glaubt nicht, den Liebsten oder die Liebsten mit Schönheit oder einem perfekten Körper erobern zu können? Und trotzdem, lange Beine, eine ebenmäßige Larve oder sonstige Schönheitsmerkmale können nicht verhindern, dass eine Liebe, eine Beziehung auf Dauer nie funktionieren, wenn jene Verbindung rein auf diesen Äußerlichkeiten fußt. Denn diese Äußerlichkeiten vergehen…

Greg Larkin, ein hoch begabter aber chaotischer und weltfremder Mathematik-Dozent (brilliant selbst verleugnend  in der Rolle Jeff Bridges) wird nach der Präsentation seines  Erstlingswerkes von einer Geliebten brutal abserviert. In seinem Frust sucht er Rat bei einer Sex-Hotline (!). Die Dame mit der heißen Stimme – sinnigerweise eine total unscheinbare Person ohne jeden Sex-Appeal – rät ihm etwas verdattert, eine Annonce aufzugeben, um die Frau für die perfekte Beziehung kennen zu lernen: eine Beziehung ohne Sex, rein auf Freundschaft aufgebaut, um jedem weiteren Gefühlschaos zu entgehen.

Auf Umwegen gerät Greg dadurch an die nicht besonders reizvolle Literatur-Dozentin Rose Morgan (Barbara Streisand – ich zitiere aus einer Film-Kritik: die letzte Diva), die als Freundin von jedermann geschätzt und geachtet wird, aber dem großen Glück auch bis dato vergeblich hinterherlief. Eben erst hat sie ihre große Flamme (Bond Pierce Brosnan überzeugt als Schönling mit eingeschränktem Horizont) an die eigene Schwester verloren, die eben so exaltiert wie die gemeinsame Mutter (Lauren Bacall setzt entscheidende Akzente als dominante wie liebevolle Mutter) keine Skrupel zeigte, Rose den Mann einfach wegzunehmen.

Greg besucht einige Vorlesungen von Rose, die im Gegensatz zu ihm ihre Studenten zu begeistern weiß, und sieht sich durch ihre ironischen Ausführungen zum Thema Liebe (die er allerdings etwas missinterpretiert) in seiner Idee von der leidenschaftslosen Beziehung überzeugt. Schließlich ringt er sich durch, ihre Bekanntschaft zu machen und stellt bald fest, dass er es hier endlich mit einer Frau zu tun hat, die seinem Intellekt gewachsen ist. Die Freundschaft zieht sich über mehrere Monate und als Greg Rose einen Heiratsantrag macht, ohne sie je geküsst zu haben, ja, überhaupt ohne sie einmal zärtlich berührt zu haben, weiß Rose nicht wirklich, wie sie reagieren soll.

Ihre Mutter, die noch immer bei ihr lebt, rät ihr ab davon, aber Rose willigt schließlich doch ein. Die Beziehung verschafft ihr allerdings nach und nach genau jenes Gefühlschaos, das sie beide eigentlich vermeiden wollten. Sie verliebt sich in Greg, der ihr gegenüber jene Distanz einhält, die ihm so erstrebenwert scheint. Als sie kurz vor einer geplanten Europareise von Greg das Unaussprechliche, nämlich Sex, einfordert, ist dieser hoffnungslos überfordert. Er flüchtet vor der leidenschaftlichen Begierde seiner Frau, aber auch vor sich selbst und dem fast vergessenen Begehren in ihm selbst.

Verbittert verlässt Rose Greg, der sie aus Europa von seiner Vortragreihe jeden Tag anruft, ohne je die Chance zu erhalten, mit seiner Frau reden zu können. Rose ruft nämlich nie zurück. Sie, die Jahre nicht auf ihre Figur achtete und Fast Food liebte, lässt sich von der Uni beurlauben und trimmt sich „schlank und begehrenswert“, isst nur mehr Gemüse und streicht Hamburger vom Speisezettel. Der vermeintliche Erfolg ist enorm: das hässliche Entlein ist zum schönen Schwan mutiert, aber glücklich ist Rose auch nicht damit. Sie trennt sich aber nun auch in einem persönlichen Abschiedsgespräch von Greg, der endlich aus Europa zurückgekehrt ist.

Die Ehe ihrer Schwester ist mittlerweile auch gescheitert. Ihr Schwager, die große Ex-Liebe, weint sich nicht nur bei ihr aus, sondern findet plötzlich auch Gefallen an Rose und ihrem „neuen“ Körper. Ein Rendezvous mit dem einstigen Mann ihrer Träume macht ihr aber auch bewusst, dass dieser nur auf ihre körperlichen Reize reagiert und nicht auf sie selbst. Zudem muss sie sich eingestehen, dass sie ihn längst nicht mehr liebt, sondern nach wie vor nur mehr Greg, der von Roses Mutter aber erfahren hat, dass sich eine Romanze zwischen seiner  Frau und deren Schwager anbahnt. Rose Mutter kann ihn nämlich nicht leiden.

Ihre Intervention bringt Roses Mutter aber gar nichts. In einer hochromantischen (oder kitschigen, je nach Betrachtungsweise) Schlussszene finden Greg und Rose, das vermeintlich asexuelle Paar, ja doch noch zusammen und Greg formuliert die für mich schönste Liebeserklärung aller Zeiten in einem Film: „Ich liebe dich, obwohl du schön bist“… Rose lässt dabei durchaus anklingen, dass ihr die so hart erkämpfte Figur nicht mehr so wichtig ist. Nicht so wichtig wie die gemeinsam Liebe und die seelische Verbundenheit, die weit darüber hinausgeht.

Eine Liebesgeschichte. Vielleicht auch ein Märchen. Aber eine gute Möglichkeit vom Alltag Auszeit zu nehmen und zu träumen. Von der Liebe, in der man angenommen wird, so wie man ist und nicht aufgrund von Äußerlichkeiten. Liebe ist kein Vorrecht der Jungen und Schönen. Für Liebe ist immer Zeit, vielleicht  auch, wenn sie einmal ungelegen zu kommen scheint. Barbara Streisand, die auch die Regie zu dem Streifen führte, hat einen romantischen wie kritischen Liebesfilm geschaffen, mit viel Ironie, genialen Dialogen und einer perfekt ausgewählten Schauspielerriege, die sie dabei unterstützte.

Auf dem Soundtrack findet sich auch der Song „I finally found someone“, das „Love theme“ interpretiert von Barbara Streisand und Edeltrocker Bryan Adams, der bei der Oscarverleihung 1997 ebenso wie Lauren Bacall für ihre Mutterrolle für den Oscar nominiert war. Streisands Regiearbeit selbst blieb unbelohnt, wie schon so oft bei ihren Filmen…

Vivienne

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