Reich sein…

Was ist eigentlich „reich“? Das fragte ich mich neulich, nachdem ein Bekannter von mir sehr überzeugt in meine Richtung gemeint hatte, „ich würde bestimmt nicht reich werden“. Was den Bekannten bewogen hatte, mir das auf den Kopf zuzusagen, weiß ich nicht, aber um ehrlich zu sein, würde ich ihn selber auch nicht unbedingt als reich einschätzen. Aber dafür als umgeben von Statussymbolen, und das ist etwas ganz anderes… „Reich“, so würde ich es formulieren, ist meiner Meinung nach jemand, der nicht mehr arbeiten gehen muss, sondern als so genannter Privatier sein Leben fristen kann und darf. Und dass dieser Status nicht einfach zu erreichen ist, ist mir durchaus bewusst…

Selber bin ich, daraus habe ich nie ein Hehl gemacht, in sehr bescheidenen Verhältnissen in einer eher überdurchschnittlich großen Familie groß geworden. Was ich am meisten schätzte, als ich mein erstes eigenes Geld hatte, war, wenn ich so überlege, dass ich keine „getragenen Sachen“ mehr anziehen musste. Selber ein Kleidungsstück zu kaufen, weil es mir gefiel und ich es mir leisten konnte, und das mit meinem eigenen Geld war ein tolles Gefühl für mich. Reich machte mich das sicher nicht, Markenartikel habe ich selten erworben. Ob mein Shirt nun irgendein Label trug oder nicht blieb für mich unerheblich. Ich suchte immer den Kompromiss zwischen dem, was mir gefiel und dem, das auch erschwinglich war. Ich fürchte nur, das schätzt so mancher als „arm“ ein, und das mag durchaus seine Berechtigung haben. Jeans um € 80,00 oder mehr und diverse Statussymbole wie ein Flachbildschirm sind für mich nicht leistbar. Und eigentlich sogar ohne große Bitterkeit, vielleicht bin ich einfach auch bescheidener.

Anschaffungen wie mein Computer oder das erste Fernsehgerät stellen für mich weit größere Erfolge dar. Weil erstmals ich das „Programm“ bestimmte und niemand sonst… Das war mir weit wichtiger als die teuersten Produkte der jeweiligen Kategorien zu erwerben. Wenn ich ehrlich bin, sehe ich auch den Begriff des „Reichtums“ differenzierter und weniger auf Geld bezogen. Ich bin durchaus reich, nämlich reich an Kreativität und Fantasie, und das sind „Vermögen“, um die man mich ruhig mehr beneiden könnte als zu versuchen, selbst nur mit Statussymbolen zu punkten. Es wäre ein Traum für mich, könnte ich einmal von meinem Talent zum Schreiben leben und das völlig unabhängig. „Reich“ müsste ich gar nicht sein, um offen zu sein, das strebe ich nicht an. Ich denke, viel Geld – wie bei einem Lottogewinner, der einen Mehrfach-Jackpot knackt – würde nur Sorgen aller Art erhöhen, wenn nicht verzigfachen. Zu viel Geld – je nach dem wie das Pendel ausschlägt – kann verschwenderisch und größenwahnsinnig machen oder auch sehr misstrauisch und dazu führen, das man zum Einzelgänger wird. Geld ist im Grunde eine Last, die ich in exorbitanter Höhe schon gar nicht tragen möchte…

„Reich sein“ ist also relativ. Für mich heißt schon „Reichtum“, dass ich trotz widriger Umstände meine frisch bezogene Wohnung einrichten konnte und die Möbel alle abbezahlt sind. Das ist ein Sieg, der für mich alle olympischen Trophäen bei weitem übersteigt. Um ehrlich zu sein, liebe Leser, stimmen mir aber viele Leute in dieser Einschätzung so gar nicht zu. Status zählt bei weitem mehr, auch wenn er mühselig in Raten berappt werden muss – aber das sieht man nicht, wenn man sich von Glanz und Gloria blenden lässt. Und der Schein beherrscht unser Sein, je dicker man aufträgt, desto mehr wird man bewundert, auch wenn der vermeintliche Reichtum auf Pump erworben wird. Man muss wohl in vielen Fällen zwischen „echtem Reichtum“ und „erworbenen Reichtum“ unterscheiden, denn letzterer würde sich auf der Bank als reine Makulatur entlarven. Aber was tut man nicht alles: Wenn du reich bist, dann bist du wer. Und wenn du nicht reich bist, dann musst du die Leute glauben lassen, du wärst es… Ein ungeschriebenes Gesetz unserer noblen Gesellschaft…

Man mag mir ja unterstellen, meine Überlegungen wären nur dem Schimpfen des Fuchses über die vermeintlich sauren Trauben gleichzusetzen. Und der schimpft ja nur, weil er die Trauben nicht erreichen kann… Keine Frage, wenn ich jeden Monat gerne einen netten Betrag zusätzlich am Konto hätte, würde ich diesen auch nicht verachten. Aber, das ist der Punkt, ich jammere nicht danach, ich strecke mich nach der Decke und versuche mir mit dem, das ich real mein eigen nenne, ein nettes, buntes Leben zu gestalten. Das ist besser als zu versuchen „falsch“ zu glänzen oder großartig zu jammern, weil die Welt und das Leben so furchtbar ungerecht sind. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich mich selber und unabhängig ernähren kann und mein Auskommen finde. Sollte ich einmal eine Gelegenheit finden, mehr zu verdienen, dann werde ich mich einem derartigen Angebot sicher nicht verweigern. Eine Beziehung, liebe Leser, ist aber für mich ganz sicher kein Weg zu mehr „Reichtum“ zu gelangen – Reichtum dieser Art ist für mich nicht erstrebenswert, wenn ein anderer, viel kostbarerer Schatz fehlt, unverzichtbar und wunderschön: die Liebe…

© Vivienne

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