War das ein anstrengendes Wochenende gewesen! Zweimal hintereinander erst nach vier Uhr früh zu Bett zu kommen war nicht mehr ganz so meine Sache, wenn ich zu mir selber ehrlich war, aber offen zugegeben hätte ich es nie! Einmal waren Albert und ich mit Vicky und Bert (ohne Sohn, der von seinen Großeltern versorgt wurde) unterwegs gewesen, wobei sich der Höhepunkt in der Linzer Altstadt abgespielt hatte, den anderen Tag oder besser gesagt, die andere Nacht, waren mein Mann und ich nach einem Kinobesuch ins „Streunen“ gekommen und wir hatten uns erst nach einem frühmorgendlichen Besuch beim Leberkäs-Pepi am Hauptbahnhof in unsere Betten gefunden…
Sonntag war ich dann logischerweise tot, erst gegen vier Uhr Nachmittag konnte ich mein Gesicht im Badezimmerspiegel wieder identifizieren und Albert stand gleich erst gegen 18:00 Uhr auf. Nicht dass wir so viel getrunken hatten, aber das Schlafmanko hatte uns ganz deutlich gezeigt, dass unsere wilden Jahre schön langsam ausklangen… Auch Montag war ich noch gezeichnet und die Kollegin Wildner vom 3. Stock sah mich etwas überrascht an, als sie ein Fax in die Abteilung brachte, das an unseren Chef gerichtet war. Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen lauschte sie meinem Kurzbericht um schließlich leicht wehmütig zu ergänzen. „Sie müssen eine gute Ehe führen. Mein Mann geht mit mir schon lange nicht mehr fort. Er verbringt auch das Wochenende im Büro – sagt er zumindest. Ich weiß schon lange, dass er sich durchaus neben dem Job auch amüsiert und so manche lockere Frauenbekanntschaft pflegt.“
Sie nahm ihre Brille ab und ihr Blick verlor sich weiter hinten im Büro. Dann riss sie sich wieder von ihren schmerzhaften Gedanken los. „Er betrügt mich, seit vielen Jahren schon. Eheleben führen wir praktisch keines mehr. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber mein Mann arbeitet für ein Linzer Privatfernsehen, was natürlich viel Zeit und Engagement voraussetzt. Trotzdem betrügt er mich mit fast jeder Frau, mit der er beruflich zu tun hat. Sogar Mitarbeiterinnen, die er einstellt, legt er flach – und die Damen haben wenig Skrupel sich darauf einzulassen. Das ist das Schlimme. Vielleicht bin ich altmodisch…“ Frau Wildner hielt in ihrem Bericht inne und versuchte in meinem Gesicht zu lesen. „…aber es ist schwer zu verstehen, dass manche Leute, Männer wie Frauen, ihr Leben an der Anzahl der Orgasmen definieren und keine Scheu haben, ihre Partner häufiger zu wechseln wie ihre Unterwäsche…“ Sie sah mich zweifelnd an. „Verstehen Sie was ich meine?“
Ich dachte kurz nach. Albert würde ich erschießen, wenn er fremd ginge, das stand für mich fest, und Albert würde mich seinerseits im Falle eines Seitensprungs samt seinem Rivalen in die ewigen Jagdgründe befördern. Daran hatte ich auch nicht den geringsten Zweifel, schon gar nicht nach der Geschichte mit dem Oldtimer letzten Herbst. Ich verstand Frau Wildner schon, dass sie in einer Ehe verzweifelte, in der ihr Mann ihren Anspruch auf Vertrauen und auf Treue stetig wieder torpedierte. Schließlich nickte ich. „Ich verstehe, was Sie meinen. Sehr gut sogar. Aber warum lassen Sie sich nicht scheiden? Warum lassen Sie sich immer wieder demütigen?“ Frau Wildner kämpfte mit ihrer Fassung. Ihre Hände zitterten, als sie wieder aufblickte.
„Sie reden sich leicht. Ich habe zwei Kinder, wir leben in einem herrlichen Haus am Pöstlingberg, mit einem riesigen Garten. Ich kann die Kinder da nicht herausreißen, noch dazu wo sie noch so klein sind, dass sie seine stetigen Fremdgänge nicht begreifen. Was könnte ich denn den Kleinen nach der Scheidung bieten? Eine billige Wohnung im Zentrum müsste ich mir nehmen, weil ich mir das Auto nicht mehr leisten könnte. Keinen Urlaub im Ausland mehr, keine teuren Geschenke zu Weihnachten. Kann ich ihnen das antun?“ Ich schwieg betroffen. Nicht, dass mir nicht manches eingefallen wäre zu den Ausführungen von Frau Wildner. Irgendwie wurde ich nämlich das Gefühl nicht los, dass die Kollegin selber unbewusst nicht auf den Luxus, den ihr ihr Mann bieten konnte, verzichten wollte. Nur würde sie sich das nie eingestehen – und deshalb schob sie die Kinder als Ausrede vor.
Aber ich wollte keine Grundsatzdiskussionen mit Frau Wildner führen. Leicht hatte sie es sicher nicht, und schließlich war es ihre Sache, ob sie diese Farce von einer Ehe aufrecht halten wollte oder nicht. Deshalb beschränkte ich mich auf einen Hinweis in einer anderen Richtung. „Sie bleiben als Mensch aber dabei auf der Strecke…“ Frau Wildner kämpfte mit den Tränen. „Habe ich denn eine Wahl?“ Die hat man fast immer, das fiel mir angesichts der Antwort von Frau Wildner fast sofort ein, aber ich hielt den Mund. Frau Wildner hatte sich arrangiert mit der Situation, die sowohl Vor- als auch Nachteile für sie bot. Nur war es für sie einfacher gewesen, das Leben ihres Mannes zu akzeptieren und gewissermaßen zu resignieren. Ihren Stolz und ihre Selbstachtung hatte Frau Wildner mit Sicherheit schon lange zu Markte getragen…
Nach einer wahren Begebenheit
© Vivienne