Über die Eigenheiten von Katzen…

Meine Mutter konnte ihren Unmut kaum in Worte fassen. „…ausgerechnet unsere Minki! Es ist ein echtes Kreuz…!“ Fragend blickte ich sie an. Was konnte denn unsere alte Katze schon am frühen Morgen verbrochen haben? Mit verärgerter Miene wies meine Mutter in eine Ecke des Wohnzimmers. Und dann fiel mir auch schon der Geruch auf… Nein, jetzt hatte Minki doch tatsächlich ihr Geschäft dort verrichtet! Ich warf der alten Katzendame einen bösen Blick zu. Ich konnte mir schon vorstellen, wie es dazu gekommen war. Minki hatte im Wohnzimmer auf ihrem Lieblingsplatz neben dem Kaminofen übernachtet, wie oft in der kalten Jahreszeit.

Da mein Vater, der oft im Wohnzimmer schläft, weil er viel fernsieht, sehr zugempfindlich ist, sind die Türen nach draußen, also in den Flur oder ins Stiegenhaus, aber meistens geschlossen. Für die Katzen heißt das: wenn sie ein dringendes Bedürfnis überkommt, müssen sie sich rühren, sprich miauen. Was sie auch üblicherweise tun – solange es nicht wirklich kalt ist. Wenn aber der Winter Einzug hält so wie jetzt, scheuen unsere Stubentiger den Gang ins Stiegenhaus, wo das Katzenklo steht – trotz Winterpelz. Weil sie genau wissen: es kann, wenn sie Pech haben, Stunden dauern, bis sie wieder in die warme Stube kommen. Und auch unsere sonst so brave Minki hatte sich tatsächlich ans Äußerste gewagt… weil sie verwöhnt ist und nicht raus wollte!

Minki duckte sich unter meinem Blick. Ich packte sie am Genick und beförderte sie vor die Haustür. Das Malheur selber war Gott sei Dank schnell beseitigt, aber der Unmut blieb. Unter diesen Voraussetzungen konnte man keine der Katzen über Nacht im Wohnzimmer lassen, da sie all ihre Manieren vergessen würden. Und war es wirklich so schlimm, wenn die Tiger im Stiegenhaus blieben? Sie konnten es sich auf dem Heizkörper bequem machen, oder auf dem geplsterten Ohrsessel meines Vaters, der dort eine Art Raucherzimmer hatte oder auch auf den Decken, die für sie bereit lagen. Ich empfand das nicht als Strafe für die Tiere, schon gar nicht für Stocki, der ohnedies mehr ein „Austier“ denn ein Haustier“ war.

Als könnte er meine Gedanken lesen, sprang Stocki auf, rieb sich an meinen Waden und gab mir zu verstehen, dass er mich ja soooo lieb hatte, zum Fressen gern. Später am Tag, nach den Nachrichten im Fernsehen, macht mich meine Mutter aufmerksam. „Du, die Katzen müssen raus. Kannst du das besorgen, bevor du runter gehst?“ Aber natürlich konnte ich. Minki warf mir einen misstrauischen Blick zu, als ich auf sie zutrat. Sie ahnte, was auf sie zukam. Ich hob sie hoch und trug sie nach draußen. „Gute Nacht, Minki!“ meinte ich nicht ohne leise Schadenfreude. Minkis Fell sträubte sich, sie sah aus wie ein kleiner Luchs und ihr Gesicht drückte die personifizierte Beleidigtheit einer großen Dame aus.

Ungerührt drehte ich mich um und ging wieder ins Wohnzimmer. Richtig, wo war Stocki geblieben? Ich hätte schwören könne, dass er vor einer Viertelstunde noch auf dem Schoß meines Vaters gesessen hatte und sich verwöhnen hatte lassen. Aber dem war nicht mehr so. Mein Vater spielte mit der Fernbedienung der neuen SAT-Anlage und zuckte die Achseln, als ich ihn fragte. „Keine Ahnung, wo der geblieben ist… Bist du sicher, dass er nicht selber nach draußen gelaufen ist, als dein Bruder heimkam?“ Konnte wohl tatsächlich so ein, denn der rote Kater war nirgends zu sehen. Damit hatte ich wohl meine Schuldigkeit getan.

Ich stand auf, griff nach meiner Strickjacke um mich in meine Räumlichkeiten zurück zu ziehen. Zufällig verirrte sich mein Blick unter den Wohnzimmertisch. War da nicht etwas? Ich bückte mich leicht und spähte unter das Tischtuch. Aber nicht wirklich! Stocki saß dort, geschickt versteckt und miaute mich devot an, als ich ihn entdeckt hatte. Mistkater! dachte ich mir. Man braucht ja schon einen eigenen Spionagedienst um die Katzen zu kontrollieren. Ich schnappte mir das riesige Tier und blickte es nicht ohne eine gewisse Anerkennung an. Soll einer noch sagen, dass Katzen blöd sind! Stocki hatte beobachtet, was Minki da widerfahren war und er hatte beschlossen, sich das nicht gefallen zu lassen. Katzenschlau hatte er sich unter den Tisch begeben um abzuwarten.

Spätestens wenn mein Vater schlafen gegangen wäre, hätte er Minkis Platz am Ofen eingenommen, um den er immer mit ihr rivalisiert hatte. Und zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen! Aber nun hatte ich ihm seinen Plan zunichte gebracht und Stocki war ganz Fleisch gewordenen Empörung, als ich ihn etwas unsanft im Stiegenhaus fallen ließ. Minki saß auf dem Heizkörper und musterte die Szene etwas unsicher. Stocki schüttelte sich und nahm mit einem geschickten wie eleganten Satz neben Minki Platz. „Gute Nacht!“ wünschte ich den Katzen, bevor ich nach unten ging. Minki sprang mir nach und machte Anstalten, mir zu folgen um die Nacht einfach bei mir zu verbringen. Was mich nicht im Geringsten rührte…denn ich ließ die alte Katze einfach vor der Türe zu meinen Räumlichkeiten stehen. Bei mir machst du kein Häufchen!

Vivienne

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