Wie „gut“ sind die ÖBB wirklich?

Heute entdeckte ich im Web auf orf.at einen Bericht, von dem ich informiert wurde, dass die Fahrgäste der ÖBB diese mit „gut“ bewerteten würden. Als geplagte wie regelmäßige Pendlerin entlockte mir dieses Ergebnis, das ich nur als ziemlich unrepräsentativ ansehen kann, ein zynisches Grinsen. Ich widmete mich also dem Bericht etwas näher und musste zur Kenntnis nehmen, dass so mancher Zustand viel besser beurteilt wird, als ich ihn persönlich kennen gelernt habe. Natürlich kann ich unsere Provinzbahn Richtung Summerau nicht als obersten Stellenwert heranziehen, aber auch meine Erfahrungen mit internationalen Zügen Richtung Salzburg oder Wien hinken weit hinter diesem ungewöhnlich guten Ergebnis her…

Wobei ich natürlich eines sehr wohl einräumen möchte: über das Zugpersonal oder auch die Fahrdienstleiter bzw. die Mitarbeiter an den Fahrkartenschaltern lässt sich wirklich wenig Negatives vermelden. Das Personal dort tritt durchwegs nett und sehr hilfsbereit in Erscheinung, „man kann mit den Leuten normalerweise reden“, wie man es umgangssprachlich formulieren würde. Wenn man einmal irrtümlich vergessen hat, eine neue Monatskarte zu kaufen oder der Fahrschein in der anderen Handtasche geblieben ist, muss man nicht lange diskutieren. Während die Linzer Linien etwa in so einem Fall unbarmherzig kassieren, ist man bei der Bahn kulanter und etwas vertrauensvoller. Die gute Bewertung geht für mich in dieser Kategorie sicher voll in Ordnung.

Das ist aber auch schon der einzige Bereich, wo ich wirklich Übereinstimmung gefunden habe. Etwa was die Sauberkeit der Züge und der Sitzgelegenheiten betrifft, würde ich den ÖBB-Obersten empfehlen, einmal auf unserer Strecke Zug zu fahren. Die teilweise von den Wiener Schnellbahnen ausrangiert übernommenen Garnituren sind bei weitem nicht immer „sitzwürdig“. Besonders die ganz alten Züge der Euregio von Budweis über Summerau nach Linz spotten oft jeder Beschreibung. Bei Hitzewellen wie kürzlich ist es nahezu unerträglich, dort eine längere Fahrt auf sich zu nehmen, vom optischen Tiefpunkt, den diese Garnituren darstellen, erst gar nicht zu reden. Ein „Genügend“ für solche Züge ist noch mehr als schmeichelhaft.

Vor allem die Toiletten lassen immer wieder zu wünschen übrig, und das nicht einmal so sehr auf unserer Provinzstrecke als viel mehr auf der Westbahnstrecke. Nicht selten muss man in überfüllten Zügen nach einer passablen Toilette suchen, einmal konnte ich auf der Zweistundenfahrt nach Wien keine Toilette mehr finden, die nicht verschmutzt und/oder verstopft war. Mein erster Gang am Wiener Westbahnhof führte mich daher auf die Bahnhofstoilette, die ich beinahe nicht mehr rechtzeitig erreicht hätte. Auch dass trotz überlanger Züge auf der Westbahn (einmal zählte ich dreizehn Waggone) die Suche nach einem Sitzplatz der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichkommt, kann ich nur bemäkeln. Eine Fahrt nach Wien, liebe Leser, kostet von Linz aus sage und schreibe € 55,0 Euro (Hin- und Retourfahrt), und lässt so einen vermeintlich gemütlichen Tripp in die Bundeshauptstadt (weil ohne Parkplatzsorgen) zur Luxusfahrt geraten. In so einem Fall auch noch eineinhalb bis zwei Stunden stehen zu müssen, sehe ich schon als ziemliche Zumutung an.

Dass Zug fahren, wie im Bericht im Web angeführt, billiger kommt als Autofahren, kann man fast nicht so stehen lassen: sobald man nämlich so eine Fahrt mit zwei oder mehr Personen angeht und sich die Kosten für Benzin oder Diesel danach brüderlich teilt, steigt man mit dem Auto schon deutlich besser aus als im Zug. Einmal abgesehen davon, dass man im Wagen wohl meistens nicht mit derartigen Verspätungen wie auf der Schiene rechnen muss. Gerade zur Zeit notiere ich vor allem auf der Westbahnstrecke teils horrende Verspätungen, die ich bei den Wartezeiten auf meine Züge natürlich wegen der pausenlosen Durchsagen mitbekomme, und das durchgehend von der Früh bis zum Abend. Als nicht Eisenbahner hat man wenig Einsicht, warum man gerade zuletzt gehäuft unfreiwillig verlängerte Fahrzeiten mit dem Zug in Kauf nehmen muss, aber akzeptabel ist dieser Zustand auf Dauer nicht. Dass die Fahrgäste die Verspätungen nämlich gerade mit der Note 2,8 noch sehr positiv einschätzen, kann ich nicht mehr nachvollziehen.

Das ist wohl auch der Punkt: solche Umfragebögen liegen bei uns in der Provinz gar nicht erst auf sondern wohl nur auf ausgewählten Strecken und das zu bestimmten Zeiten. Und dass man mit der Fragestellung so ein Umfrageergebnis deutlich beeinflussen oder – weniger schön gesagt – manipulieren kann, weiß wohl auch jeder, der sich schon näher mit Meinungsforschung beschäftigt hat. Logisch scheint mir also, dass ein Großteil der Fragebogen schon vor geraumer Zeit ausgefüllt wurde und unzufriedene Leute gar nicht erst zum Schreiber greifen, weil sie wissen, dass sich trotzdem nichts wirklich ändern wird. Vielleicht, liebe Leser, bin ich aber auch nur übertrieben kritisch, während so mancher regelmäßige Fahrgast sich mit dem einen oder anderen Chaos schon stillschweigend arrangiert hat…

© Vivienne

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