Das Attentat – Die bunte Welt von Vivienne

Ali und ich waren gerade dabei, die Einkäufe für das lange Wochenende zu verstauen. Der Eisschrank platzt wieder aus allen Nähten, dachte ich mir, als ich ihn endlich schließen konnte. Mein Mann hantierte schon mit der Kaffeemaschine und ich war müde. Gut, das Wochenende würde mit vier Tagen für uns beide lange dauern, aber der Kampf durch die Massen in den Geschäften kostete schon viel Kraft… Ich setzte mich und schloss die Augen… Meine Gedanken traten eine lange Reise an. Albert reichte mir eine Tasse Kaffee. „Na, Liebes? Alles okay?“ Ich nickte. Zeitweise spürte ich meinen Schnupfen einfach stärker, aber da musste man durch. Ein Schluck Kaffee konnte da schon Wunder wirken… Ali grinste. „Das musst du dir geben! Rossecker hatte an der schwarzen Wand ein paar Artikel von Berichten über die Firma hängen. Einer davon zeigt ihn mit dem Bürgermeister. Und da hatte jemand dazu gekritzelt: Zu fett!! Eine Art Attentat!“

Ich prustete los. Rossecker war nie schlank gewesen, hatte aber in den letzten Jahren noch etliche Kilos zugelegt. Mittlerweile war er auch schon deutlich über Fünfzig, aber sein genaues Alter wusste niemand außer ein paar Damen in der Buchhaltung – und die hielten dicht. Die Beschriftung traf also durchaus zu und Rossecker rotierte deswegen. Er hatte getobt im Büro, aber außer stoischen Gesichtern nichts geerntet… So erzählte mir mein Mann und ich fragte mich, warum dieser Streich – und nichts anderes war es – den Geschäftsführer so in Rage brachte. Nach meinem ersten Lachen war mir bewusst geworden wie unreif diese Aktion eigentlich war. Immerhin: wenn Rossecker dahinterkommen würde, wer das getan hatte, musste der oder die sich bestimmt einiges anhören. Und Alberts Chef konnte reichlich unangenehm werden, wenn er sauer war… Das hatte sich nicht geändert.

Schließlich hatte Rossecker aber eine Idee gehabt, wie mir Ali dann erläuterte. „Eigentlich war er sicher, dass es jemand aus dem kleinen Büro gewesen war. Die Angestellten dort arbeiteten öfter etwas länger und da war niemand mehr in der Firma… Also genug Gelegenheit und wohl auch ein Motiv wegen der vielen Überstunden. Rossecker war nicht dumm. Einfach fragen hätte nichts gebracht. Die Damen hätten alles bestritten, das war klar. Aber…“ Albert hob seine Stimme. „… da gab es eine Mitarbeiterin, Ende dreißig. Eine harmlose Person und eher ruhig. Astrid Keller, falls du sie noch kennst. Und auf die konzentrierte sich Rossecker mit seinen Ermittlungen. Die würde er knacken, wenn sie etwas wusste, davon war er überzeugt…!“

Ich war gespannt, wie Rossecker das anstellen hatte wollen. Ich konnte mich an die Keller nicht mehr erinnern, aber ob Drohungen da Wirkung zeigen würden… „Nein, keine Drohungen!“ Ali widersprach vehement. „Rossecker kam ins Büro als nur mehr die Keller arbeitete, redete, plauderte mit ihr, als wäre er der umgänglichste Chef von allen und plötzlich holte er eine Flasche Rotwein hervor. Er öffnete sie, schenkte ein, kostete den Wein und fragte dann ganz harmlos: Willst auch ein Glas?“ Im Wein liegt Wahrheit, heißt es, und ganz falsch ist diese Weisheit sicher nicht. Alkohol kann die Zunge lösen und manches Geständnis hervorbringen… Rossecker hatte sich bestimmt etwas gedacht dabei, als er gerade Astrid Keller ausgesucht hatte für diese Aktion…

„Und?“ fragte ich, sehr neugierig mittlerweile. Albert grinste spitzbübisch. „Du wirst es nicht glauben, aber Rossecker holte sich eine Abfuhr. Astrid Keller, die zuvor etwas aufgetaut war wegen der Freundlichkeiten von Rossecker, zog sich wieder zurück. Sie dürfe keinen Alkohol trinken, sie nehme Medikamente wegen ihrer Allergie, das vertrage sich nicht.“ Ich musste grinsen. Gar nicht dumm, die Mitarbeiterin. Und vielleicht wusste sie wirklich etwas, wie diese Verunglimpfung zustande gekommen war. Und hielt sich deshalb zurück. Ali widersprach. „Nein, das glaube ich gar nicht. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass sie wirklich wegen der Tabletten, die sie nahm, nicht mitgetrunken hat. Sonst hätte sie wohl gerne angestoßen mit ihm – wie die meisten Kolleginnen. Wenn der Chef sich leutselig gab, haben ihm viele Leute aus der Hand gefressen…“

„Wie auch immer…“ antwortete ich. „Aber wie hat Rossecker reagiert?“ „Er ist wieder gegangen, mit der Flasche und den beiden Gläsern. Er hat anscheinend nicht viel gesagt, aber er war wütend. Sein schöner Plan hatte sich in Luft aufgelöst, das behagte ihm gar nicht.“ „Und weiß er mittlerweile, wer dieses so genannte Attentat auf ihn veranstaltet hat?“ Das wollte ich auf jeden Fall noch wissen. Aber mein Mann schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, Vivi, keine Ahnung. Aber inzwischen kursiert das Gerücht, dass es niemand von den Kolleginnen und Kollegen war sondern ein Lieferant, der Büropapier gebracht hatte und wie es heißt auffällig viel Zeit an der schwarzen Wand verbracht hatte. Ob sich Rossecker mit dieser Version zufrieden gibt, weiß ich nicht…“ Er lächelte mich an. „Noch ein Kaffee?“

Vivienne

1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (Keine Bewertungen)

Schreibe einen Kommentar