„Fasten auf italienisch“ – Bemerkenswerte Filme

Hand auf‘s Herz, fast jeder von uns möchte besser dastehen, als er ist – oder einfach nur anders. Weil er sich Vorteile davon erhofft… Der algerisch-stämmige Franzose Mourad Ben Saoud ist auch so einer: seine Arbeitskollegen, sein Chef, ja, sogar seine Freundin Hélène halten ihn für einen waschechten Italiener. Dino Fabrizzi nennt er sich und da er gekonnt mit ein paar italienischen Brocken um sich wirft, viel Charme zeigt und erfolgreich in seinem Job als Autoverkäufer arbeitet, nimmt man ihm den Schwindel ab. Dass er aber seine Identität anfangs nur änderte, weil er vor Jahren mit seinem arabischen Namen keine Wohnung bekam, ahnt niemand.

Nur sein bester Freund, ironischerweise jüdischer Abstammung, und seine jüngere Schwester wissen über den Betrug Bescheid. Und die ist es schon lange leid, ständig für ihren Bruder zu lügen. Bei einer Familienfeier erleidet Dinos/Mourads Vater einen Herzinfarkt und er muss als ältester Sohn an dessen Stelle den Ramadan begehen. Der Moment, als Dinos/Mourads geschickt gewirktes Lügengebäude zu wanken beginnt. Denn sein Chef möchte in Pension gehen und eigentlich will er auch den verdienten Dino/Mourad als Nachfolger sehen. Aber der muss sich erst bewähren und außerdem hat er einen Gegenspieler, der immer schon eifersüchtig auf ihn war. Dino/Mourad gerät von einer irrwitzigen Situation in die andere, der Ramadan hat strenge Regeln…

Bei seiner Freundin Hélène darf er deswegen nicht mehr immer und wenn er darf, dann kann er nicht. Hélène versteht nicht und vermutet schon eine Rivalin. Aber auch in Dino/Mourads Umfeld wundert man sich, dass der frühere Genussmensch plötzlich weniger Appetit zeigt und auffallend verlässlich seinem Dienst nachgeht. Kritisch wird die Situation aber, als Dino/Mourad von seinem Kontrahenten um den Chefsessel beim vorgeschriebenen Gebet erwischt wird und dieser anfängt ihn zu erpressen. Schließlich fliegt die Lüge auf, Dino/Mourad verlässt die Firma und auch seine Freundin, der er reinen Wein einschenkt, wendet sich schwer enttäuscht von ihm ab. Sein Konto ist wegen des Betrugs gesperrt und um der Konfrontation mit den Eltern zu entgehen, legt er es darauf an, aus Frankreich ausgewiesen zu werden…

Sein wieder gesundeter Vater ist allerdings weniger streng, als Dino/Mourad befürchtete. Nicht nur das, er gesteht seinem Sohn auch seine eigene Lebenslüge: der Vater hielt immer das Märchen aufrecht, in Algerien mit Sammy Davis Junior steppend auf der Bühne gestanden zu sein – dabei hatte sein Freund das große Glück. Dino/Mourad beginnt Scherben aufzusammeln. Irgendwie hat er in den letzten Wochen wieder zu sich gefunden und zu seiner Identität als Moslem. Er sucht noch einmal das Gespräch mit Hélène und findet die richtigen Worte. Sie vergibt ihm, bei einem großen Fest wird geheiratet – und da sein früherer Chef dabei auch mitfeiert, darf man auf eine neue berufliche Zukunft für Mourad hoffen – als der Mann, der er ist…

Die Hochzeitsreise geht übrigens nach Rom…

Eine Wahnsinnskomöde, die sprüht vor Witz und Situationskomik, in der Regisseur Olivier Baroux aber auch sehr ernste Töne anschlägt, als Mourad mit den bitteren Konsequenzen seiner jahrelangen Lüge konfrontiert wird. Wer Klamauk pur erwartet, in dem ein Spaß den anderen ablöst, ist sicher fehl am Platz. Wer aber einem gar nicht mehr so jungen Mann bei seinem Reifeprozess, bei seiner Selbstfindung zusehen und dabei über sich selbst und die eigenen Lebenslügen lernen möchte, der wird ein wenig weiser und sehr zufrieden den Kinosaal verlassen.

Der Soundtrack ist ein Gustostückerl für sich, gewürzt mit Italo-Klassikern wie „L’Italiano vero“ von Toto Cottugnho…

Vivienne

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