von Vivienne – August 2004
Die andere Seite der Medaille
Ich habe hier an dieser Stelle schon des Öfteren von Firmen berichtet, die sich regelmäßig Übergriffe auf das Arbeitsrecht leisten. Es gibt in der Hinsicht Verstöße der übelsten Art, denen auch die Arbeiterkammer und/oder die Gewerkschaft ohnmächtig gegenüberstehen. Teilweise sind Arbeitnehmer tatsächlich Freiwild auf dem Arbeitsmarkt, von sexueller Belästigung über Mobbing bis hin zu unbezahlten Überstunden ist alles möglich. Im Zweifelsfalle für den Chef! lautet üblicherweise die Devise, wenn man sich etwa an das AMS wendet, das seine Hände in Unschuld wäscht und weiter Arbeitslose wie Arbeitssuchende an solche Dienstgeber vermittelt. Auf der Strecke bleibt der Mensch
Aber wie gesagt, es kann auch ganz anders laufen, und das muss fairerweise hier auch einmal zur Sprache kommen. Ein Bekannter von mir arbeitet in einem Unternehmen, das Leute immer nur für gewisse Zeit an andere Firmen vermittelt. Zur Überbrückung arbeitsreicher Spitzen, zum Beispiel. Dieses bereitgestellte Personal wird von dem Unternehmen selber bezahlt, und das oft nicht schlecht, dafür müssen sie aber auch bereit sein, nach einer gewissen Zeit wieder weiterverleast zu werden, je nach dem, wo gerade Bedarf ist. Der Bekannte berichtete mir von verschiedenen Fällen, bei denen Leute, die fix verpflichtet wurden, auf einer Baustelle zu arbeiten, zum größten Teil dann einfach nicht erschienen. Keine Lust zum Arbeiten, denn man meldete sich einfach krank. Etwas, das viel zu oft passiert.
Kein besonders anständiges Verhalten, und außerdem bringt man dadurch speziell in besagtem Fall – seinen Dienstgeber in Teufels Küche, der sich rasch um Ersatz umsehen muss. Es geht in jedem Fall um eine Menge Geld und auch darum, dass man mit solcher laxer Arbeitsmoral das Unternehmen schädigt. Und in Verruf bringt. Die wenigsten halten sich das vor Augen! Der Bekannte von mir konnte auch immer wieder beobachten, wie wenig selbständig und teilweise richtig faul so mancher Kollege in einer Firma agiert. Manch einer rührt sogar nur dann einen Finger, wenn man ihn mehrfach darauf aufmerksam macht. Warum sich überanstrengen? Das Geld gibt es sowieso! scheint sich solch einer zu denken und derartige Vorfälle, die man ja nicht von der Hand zu weisen kann, sind natürlich Wasser auf den Mühlen derer, die die Rechte der Arbeitnehmer beschneiden wollen.
Wo immer ein soziales Netz zugunsten der werktätigen Bevölkerung gut gespannt wurde, was in Österreich durchaus der Fall ist, gibt es auch stets Nestbeschmutzer, die sich berufen fühlen, daraus ihren Vorteil zu ziehen. Noch einmal möchte ich betonen, dass diese Negativbeispiele nicht repräsentativ sind für die Arbeitswelt. Aber leider passiert es trotzdem zu oft. Mir selber ist noch gut die Geschichte eines Fleischhauers in Erinnerung, den ich einmal näher kannte. Der Mann hat etliche Filialen seines Geschäfts in verschiedenen Gemeinden. Die neueste dieser Filialen kam nicht so richtig in Schwung, beklagte sich der Metzger einmal bei mir, und das lag einfach daran, dass von den drei Damen, die er dort beschäftigte, immer eine gerade in Krankenstand war. Die Mitarbeiterinnen schienen sich gut abgesprochen zu haben: wenn eine aus dem Krankenstand zurückkam, meldete sich die nächste krank.
Und das seit ein paar Monaten Auch nicht die feine englische Art, und da werden Sie mir, liebe Leser, sicher auch Recht geben. Man sollte in diesem Fall unbedingt darauf hinweisen, dass man in der Arbeitswelt nicht nur Rechte sondern auch Pflichten hat. Und ständiges Krankfeiern wie in dieser Geschichte würde auf Dauer jeden Chef verärgern und nicht unbedingt unterstreichen, dass man mit großer Freude bei der Arbeit ist. Wenn natürlich jemand chronische gesundheitliche Beschwerden hat, liegt der Fall wieder ganz anders, aber solche Leute müssen dann meistens darunter leiden, dass sie mit saumseligen Leuten in einen Topf geworfen werden. Und deren Verhalten mitunter ausbaden.
Von einem Großhandelsunternehmen in Linz kam mir übrigens eine seltsame Sache zu Ohren, die auch nur Kopfschütteln in mir auslöste. Eine Abteilungsleiterin, die mit ihrer Kündigung oder zumindest mit der Degradierung rechnete, wie sie den Kollegen anvertraute, ging wegen chronischer Beschwerden am Ellenbogen in den Krankenstand. Über zweieinhalb Monate war sie im Ganzen deswegen in Krankenstand, es gab sogar einen kleinen operativen Eingriff, den sie aber gut überstand. Wer nun aber meint, diese Frau würde nun endlich wieder am Arbeitsplatz erscheinen, drohende Kündigung hin oder her, der irrt! Sie rief in der Abteilung an und bat darum, man möge ihr doch einen Urlaubschein schreiben für die nächsten drei Wochen. Auch so ein Verhalten macht kein gutes Bild, und ich traue mich zu wetten, dass dieser Vorstoß nicht nur ihr sondern auch den anderen Mitarbeitern in der Abteilung noch auf den Kopf fallen wird.
Jedes Ding hat, wie gesagt, zwei Seiten und nicht jeder Arbeitnehmer ist gleich. So wie man auch nicht von jedem Chef nur Negatives berichten kann. Es war mir heute einfach ein Bedürfnis, darauf hinzuweisen, dass wir nicht nur laut aufstehen und protestieren sollten, wenn es um Arbeitsrechtsverletzungen geht. Auch unsereins nutzt das Gesetz zu seinem Gunsten aus. Und dem einen oder anderen fehlt jegliches Gefühl dafür, was gerade noch möglich ist und was nicht. Und schadet dabei direkt oder indirekt seiner Klasse, den Werktätigen. Und das ist ebenso wenig in Ordnung wie Übergriffe der Unternehmer!
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