von Vivienne – Juni 2004
Es lebe der Schein!
Die Armut in Österreich nimmt zu, sehr viele Menschen leben Substandard, können das Nötigste kaum für sich und ihre Familien aufbringen. Man lebt auf engstem Raum und aus zweiter Hand und scheut sich dabei auch noch zu zugeben, wie schlecht es einem eigentlich geht. Geldmangel, Armut das alles ist ein Makel, schlimmer scheinbar als ein Feuermal, das einen als Verbrecher brandmarkt. Unsere Gesellschaft teilt sich, die Schere klafft immer weiter auseinander. Immer mehr Arme und immer Wohlhabendere treffen aufeinander, in engem Zusammenhang mit Größen wie Einkommen, Arbeitslosigkeit, Kindern und Bildung.
Auf der Waagschale der Besserverdienenden scheint aber auch nur nach außen hin, alles perfekt zu harmonisieren. Der Mensch in Österreich wird nicht nur nach seinem Verdienst sondern auch nach verschiedenen Statussymbolen gemessen, die da lauten: Auto(s), Haus oder Eigentumswohnung, Lage oder Wohnort, Urlaub, Handy, Die Liste ließe sich beliebig fortsetzten. Wer sich nach außen hin als gut situierter Mensch präsentieren möchte, muss tief in die Tasche greifen. Und wenn dort doch nicht so viel steckt, wie man glaubhaft machen möchte, dann lebt man halt auf Pump. Es lebe der Schein!
Wer hat noch nicht alle Jahre wieder nach dem Weihnachtsfest in den Tageszeitungen nachlesen können, wie viele Leute das Weihnachtsfest mit handfesten Schulden finanzieren! Undenkbar zu sagen: Heuer sparen wir mal, es muss nicht immer Präsente regnen! Was könnten die Nachbarn sagen! Was müssten sich die Kinder in der Schule mitmachen! Gar nicht zu reden vom Gespött der Kollegen! Also wird gekauft, als wäre es das Letzte, was man in diesem Leben noch zu erreichen hätte! Die Wirtschaft frohlockt, die Banken auch, denn an den Zinsen verdienen sie sich dumm und dämlich. Auf diese Weise entstehen versteckte Schulden, und manch einer gleitet auf diese Weise und nach außen hin völlig überraschend in die Armut. Und in den Privatkonkurs.
Wie kommt es dazu, dass sich so viele von der möglichen Gefahr der Schuldenfalle nicht abhalten lassen um sich Wünsche zu realisieren, die im schlimmsten Fall gar nicht wirklich eigenen Bedürfnissen entstammen? Der Neid gebiert in vielen Fällen das Bedürfnis des Einzelnen, mithalten zu müssen bei der verdeckten Ankurbelung unserer Wirtschaft. Fast scheint es wie ein sportlicher Wettkampf, den anderen übertrumpfen zu müssen. Fliegt der eine mit Kind und Kegel nach Südafrika, kontert die andere Familie mit einem Australientripp. Was die Größe der Autos und die Winzigkeit und Aufwendigkeit der Handys betrifft, liegt die Sachlage ähnlich.
Jedes Kind hat heutzutage schon ein Handy, am besten Multitask mit vielen Spielen, eingebauter Kamera, MMS, so gerät manches Kind schon in der Schulzeit ins Abseits, wenn es bei der Präsentation der Statussymbole nicht mithalten kann. Künstlich geschaffenen Bedürfnisse Sollte man zum Beispiel mit einem Handy nicht vor allen Dingen einmal telefonieren und SMS schreiben können? treiben diese Prestigejagd weiter voran. Kaum einer durchschaut, dass nicht alles wirklich notwendig ist, was in der Werbung als unverzichtbar vorgelebt wird. Zu sehr lassen wir uns blenden vom Schein, der uns vorgaukelt, dass mit dem Produkt auch das große Glück Einzug hält.
Eine grobe Fehleinschätzung. Zwei teure Autos mit Stern in der Garage können nicht darüber hinweg täuschen, dass man nur mit einem davon auf einmal fahren kann. Eine Luxusurlaub auf den Malediven kann innere Einsamkeit und Depression nicht vom Tisch fegen. Und das vermeintliche Glück, ein teureres Auto wie der Onkel Ferdl erstanden zu haben, an dem man die nächsten 10 Jahre zu kauen wird haben, hält maximal so lange an, bis man vom Kollegen mit einer noch exklusiveren Schüssel übertrumpft worden ist. Im Grunde ist es fast eine Kinderei, und das Schlimme daran ist, dass dieses Verlangen nach etwas immer Neuerem oder Besseren auch noch süchtig macht.
Wer begnügt sich schon, mit dem, was er hat? So sinnvoll es ist, wenn sich ein Mensch weiterentwickelt und neue Ziele steckt und Pläne für die Zukunft träumt: muss ich mir alle zwei bis drei Jahre wieder das neueste Modell meiner Autoklasse anschaffen? Es sei sicher grundsätzlich jedem belassen, sein Geld so zu investieren, wie er möchte, dass mich niemand falsch versteht, aber ich denke schon, dass hier der Mensch ganz gezielt darauf getrimmt wird, immer und immer wieder Geld auszugeben. Geld auszugeben, von dem in erster Linie die Wirtschaft profitiert, die uns künstliche Bedürfnisse anzüchtet, damit die Produktion weiterlaufen kann
Ich hab sie erst kürzlich wieder in anderem Zusammenhang erwähnt, diese Ex-Kollegin von mir, Hanna, die für den prestigereichen Konsum lebt. Vielleicht erinnern Sie sich noch, liebe Leser. Dass sie gut verheiratet ist und zwei gesunde Kinder hat, hält sie nicht davon ab, ständig von einem Cabrio als wichtigstem Ziel zu träumen oder für die Familie einen drei Wochen Prestige-Urlaub in Tunesien zu buchen. Um danach zu jammern, dass das Geld in der Haushaltskasse so knapp geworden ist ein typisches Kind unserer Konsumgesellschaft, die Wirtschaft müsste ihr eigentlich einen Orden verleihen für besondere Verdienste in der Vorbildwirkung wie der Entwicklung immer neuer Bedürfnisse!
Link: Alle Beiträge von Vivienne