von Vivienne – Oktober 2004
Sommerzeit / Winterzeit
Mit diesem Sonntag hat sie uns wieder, die Winterzeit, die sich eigentlich eine Weile vorher schon durch herbstliche Temperaturen und Nebel bemerkbar machte. Viele, nicht nur ich, werden sich fragen, wie die Sommerzeit am letzen Oktoberwochenende zu Ende gehen kann, wenn Wochen vorher schon von Sommer nur mehr wenig zu bemerken war. Wenn uns der Fön nicht immer wieder quälen und den Kreislauf sowie ab und an auch die Gefühle aus dem Gleichgewicht bringen würde, wäre die Erinnerung an den (heuer etwas durchwachsenen) Sommer schon ziemlich verblasst. Aber so kommen wir alle Jahre wieder in den Genuss, uns noch einmal offiziell sozusagen von den warmen Tagen zu verabschieden.
Hand aufs Herz: bringt uns das was, diese ewige Umstellerei? Außer Chaos, Unpünktlichkeit mangels fehlendem Zeitgefühl und einer Umstellungsphase, die selbst im besten Fall meistens ein paar Wochen dauert? Nach dem seit Mitte der 70er Jahre dieser Krug nicht mehr an uns vorüber geht, habe ich, typisch Jungfrau-Geborene, versucht, das Beste daraus zu machen. Meine Uhren, Wecker, etc. stelle ich immer schon am Tag vorher um, geht es jetzt um Sommer- oder Winterzeit damit ich mit dem neuen Zeitgefühl schon schlafen gehe. Das bringt manches, zumindest psychologisch, obwohl vor allem das Vorstellen der Uhren Ende März immer wieder Kraft kostet. Die eine Stunde fehlt mir ein paar Nächte schon sehr deutlich, weil ich einfach nicht zu den Leuten gehöre, die einschlafen können, wann immer sie sich ins Bett legen.
Eine Woche muss ich trotzdem fast rechnen, bis sich der Zeitrhythmus bei mir einigermaßen angepasst hat. Aus Gesprächen weiß ich, dass es bei etlichen Leuten länger dauert und manch einer jammert den halben Sommer der einen Stunde hinter her. Soll ja sogar Menschen geben, die glauben, dass sie wegen der Umstellung jetzt jede Nacht mit einer Stunde weniger Schlaf auskommen müssen. Und jedes Jahr wieder im Herbst und im Frühling die große Frage: stellt man die Uhr nach vor oder zurück? Ich gestehe, dass ich auch immer kurz nachdenken muss, wenn es soweit ist, aber zumindest kann ich das Mysterium jetzt richtig lösen, das war früher nicht immer der Fall.
Andere Leute reagieren hilflos auf die Situation, und schlüssig ist es, offen gesagt, auch nicht unbedingt, dass man im März eine Stunde vordreht und Ende Oktober diese Stunde wieder zurückdreht. Vor allem, weil man sich genau genommen nur zweimal im Jahr damit auseinandersetzen muss. Diese Tatsache ist es, die die Sache wirklich schwierig macht. Und angesichts des völlig im Dunklen stehenden Nutzens, der sich daraus ergibt warum alle Jahre wieder derselbe Stress? Ja, warum eigentlich? Wenn man sich umsieht, so gibt es offenkundig nur Umstände deswegen. Angefangen mit unseren viel geplagten Bauern: Kühe lassen sich beim Melken nicht von einem Tag auf den anderen umgewöhnen. Ebenso regiert das Chaos im Zugs- oder Flugverkehr, und öffentliche Uhren, Kirchturmuhren, etc. müssen umständlich umgestellt werden. Und das alles zweimal im Jahr. Bei null praktischem Nutzen.
Halt. Natürlich, wir können dadurch das Tageslicht besser ausnutzen. Irgendwer hat das einmal gesagt. Aber können wir das wirklich? Ich gestehe ein, dass es im Sommer Vorteile hat, wenn es wegen der umgestellten Uhrzeit später hell wird am Morgen und man sich abends am Tageslicht länger erfreuen kann. Aber rechnet das wirklich den Aufwand, jedes Jahr zweimal? Ich denke nicht. Ja, ich hielte es für viel sinnvoller, die Uhr nächstes Frühjahr wieder umzustellen und dann auf dem Status Quo zu belassen. Allen Ernstes. Im Winter ist es morgens so lange dunkel, dass es niemandem etwas ausmachen dürfte, wenn es halt noch ein bisschen länger dunkel wäre jeden Tag. Aber somit wäre die Sache ein und für alle mal erledigt.
Das praktische wie wenig realitätsnahe Denken einer Septemberjungfrau. Keinen Politiker kümmert das, was ich und auch andere da propagieren. Es muss eine geheime Industrie und/oder Amtlichkeit geben, die von diesem zwangsweisen Wechsel profitiert. Vielleicht sogar eine MA SZ/WZ? Wir können es nur vermuten, aber es zeichnet unsere Regierung und auch ganz sicher die der Länder der EU aus, dass sie dem Leitsatz Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? devot huldigen. Und so habe ich längst resigniert und mich eingefügt und auch diesen Samstag wieder alle Uhren brav zurückgestellt. Es gibt schlimmere Dinge im Leben als das, und da ich auch nie Bäuerin sein werde oder einen Kirchturm zu betreuen haben sollte, kann ich mit den relativ geringen Auswirkungen auf mich gut umgehen.
Man ist ja flexibel, oder? Allerdings wird man ein wenig nachdenklich, wenn man sich damit beschäftigt, wo die Wurzeln der Sommerzeit zu suchen sind. Die finden sich nämlich im zweiten Weltkrieg und damals sollte die Sommerzeit behilflich sein, den Feind bei mehr Tageslicht leichter zu bekämpfen. Zweifellos sind die heutigen Vorwände dafür vergleichsweise simpel oder genau genommen praktisch sehr undurchsichtig, trotzdem kann man nur hoffen, dass die oben angeführte Motivation bei uns nie mehr zwingend wird. Da lebt es sich leichter mit zwei de facto unnötigen Umstellungen, die jedes Jahr mit schöner Regelmäßigkeit anfallen
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