Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  November 2004



Von Halloween und anderen Bräuchen

Gestern gingen sie wieder um bei uns, die Kinder und Teenager, auf der Suche nach jenen Leuten, die sich durch den Spruch „Süßes oder Saueres“ „einschüchtern“ lassen oder einfach auf gutgelaunte Menschen wie mich hoffen, die ihnen in ihre Sackerl etwas Gutes packen. Und ich habe gepackt, denn im Supermarkt konnte ich aus einer breiten Auswahl an Schokosachen nette Dinge für die durchwegs verkleideten Kids auswählen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich unser Haus außen mit von Teelichtern beleuchteten Keramikkürbissen dekorierte, die den durchziehenden Kindern gleich von vorn herein signalisierten, dass hier etwas zu holen ist…

Nicht alle Leute nehmen diesen übernommenen „Umzug“ so selbstverständlich und positiv an wie ich, und es lässt sich nicht leugnen, dass der Ursprung dieses typisch amerikanischen Brauches sehr grausig und alles andere als lustig und harmlos ist. Umso erfreulicher, dass sich „das Blutige“ daran längst verwässert hat und nur noch um Süßes gefeilscht wird: „Trick or Treat“ heißt es in den USA. Kürzlich konnte ich in einem Kleinformat einige Leserbriefe zur Materie lesen, wobei die etwas hart gesottenen Verfasser sinngemäß meinten, es sei schlimm, wenn Kinder bei einer „Drohung“ mit Schokolade belohnt würden und ganz sicher nicht wünschenswert.

Angesichts von soviel Naivität kann ich nur den Kopf schütteln. In meiner engeren Heimat im Mühlviertel wird zwar auf Schabernack und Unfug aller Art nicht so viel Wert gelegt, aber es gibt immer wieder Gegenden auch in Österreich, in denen das Brauchtum fast schon krankhafte Kapriolen schlägt. Kapriolen, die harmlose Schoko-Umzüge à la Halloween  nichtig erscheinen lassen. Eine Kollegin von mir, aus der Steiermark gebürtig (einer Gegend im Übrigen, wo derartige Boshaftigkeit teilweise wirklich verwurzelt sein muss) erzählte detailliert, mit welchen Überraschungen der gute Nachbar aufwartete, als sie und ihr langjähriger Lebensgefährte heirateten. Der nette Zeitgenosse hatte tatsächlich nichts Bessere zu tun, als mit Freunden alle Eingänge des Hauses des Paares mit zig Kubikmetern an Brennholz zu verräumen.

Sie haben richtig gelesen. Mitten in der Nacht mussten sich die beiden durch das Holz kämpfen. Im Namen des Brauchtums ist auch eine solche fast schon Bösartigkeit (könnte man vor dem Gesetz als grobe Sachbeschädigung auslegen, nur zur Info) genehmigt, und wer protestiert, ist nur völlig humorlos… Schadenfreude ist die schönste Freude. Aber nicht nur in der schönen Steiermark gibt es merkwürdige Sitten und Gebräuche, die einen zivilisierteren Menschen durchaus vor den Kopf stoßen können. Eine Bekannte von mir, deren Vater an der Donau ein gut gehendes Wirtshaus betreibt, wusste ähnlich Merkwürdigens zu berichten.  Als sie über die Walpurgisnacht (zur Info: der 30. April, die Nacht zum 1. Mai) die Gaststätte in Vertretung betreute, tauchten Burschen aus der Siedlung auf, die halb versteckt drohten, die Sitzgarnitur verschwinden zu lassen. Mit einer Kiste Bier könne sie sich jedoch freikaufen…

Es ist mir ein Rätsel, wie man auf derart „unmoralische Angebote“ eingehen kann, sich de facto erpressen lässt. Der Gesetzgeber spricht nämlich in dem Fall von Nötigung – die Bekannte willigte allerdings auf den seltsamen Handel ein. Weil sie die Burschen kennt, wie sie sagte, und mit derartigem Brauchtum aufgewachsen ist. Man mag dazu stehen, wie man will, das ist auch klar, die Geschmäcker sind verschieden und die Schmergrenzen verlaufen oft sehr unterschiedlich. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich mich sicher nicht erpressen ließe und seltsame Hochzeitsstreiche wie oben angeführt ließe ich wohl auch nicht ohne weiteres zu. Aber jedem das Seine und in Deutschland gibt es nachweislich Gegenden, an denen zu Walpurgis der Teufel los ist, und man nichts unversperrt draußen stehen lassen sollte.

Wenn  man an einem Ort aufwächst, wo solcher Schabernack zum Alltag gehört, nimmt man ihn wohl auch eher mit Gleichmut hin. Trotzdem verstehe ich angesichts von solchen heimischen „Auswüchsen“ des Brauchtums nur bedingt, warum sich so mancher über das wirklich harmlose Halloweentreiben unnötig aufregt. Kinder auf der Jagd nach Schoko und Süßigkeiten, süß verkleidet und hübsch geschminkt – das macht doch Freude, oder? Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich schon sehr amerikanisiert bin und so mancher Steirer etwa, der Hochzeitern im Ort vergleichsweise derbe Streiche spielt, schüttelt über meine Toleranz nur verständnislos den Kopf…

Vivienne

Link: Alle Beiträge von Vivienne

 

Schreibe einen Kommentar