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09.07.2005, © Vivienne

Auslaufmodell Mensch 

Ein entsetzlicher Terroranschlag schockt in diesen Tagen die Welt. In London sind bereits über fünfzig Tote zu beklagen und jener entsetzliche Übergriff ist nur die Fortsetzung dessen, das uns der beklagenswerte 11. September 2001 beschert hat. Nicht genug damit gehören im Nahen Osten Anschläge und Vergeltungsaktionen schon sehr lange zur Tagesordnung. Nordirland ist seit vielen Jahrzehnten ein schwelender Brandherd, in dem „im Namen der Gerechtigkeit“ schon viele Menschen unschuldig sterben mussten. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen – Terror ist in jedem Winkel auf der Erde fast ein probates Mittel geworden sich zur Wehr zu setzen und Selbstjustiz wie Rache zu üben.

Eine Weltmacht wie die USA gießt durch ihren Präsidenten noch zusätzlich Öl ins Feuer. Der Mensch beginnt abzustumpfen angesichts von so viel Leid und Tod, vor allem, wenn er nicht direkt selbst betroffen ist. Eine Form des Selbstschutzes und in gewisser Weise nachvollziehbar. Trotzdem frage ich mich selber, wie lange dieser Terror wohl noch einigermaßen glimpflich an uns vorüber geht. Trägt der Mensch nicht selbst den Keim zur Zerstörung in sich? Fast möchte man es annehmen. Friedlich war das Zusammenleben der Menschheit nie, schon in prähistorischer Zeit bekriegten sich Stämme und waren immer auf ihren Vorteil bedacht, ob das nun Jagdbeute oder wichtige Materialen von Salz bis Gold betraf.

Kriege gehören also zum Leben der Menschheit dazu. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Mensch immer schon darauf bedacht war, sich perfidere Methoden auszudenken, den Vorteil über eine andere Menschengruppe zu erlangen. Ich frage mich, ob es in den letzten zweitausend Jahren nur einen Moment gegeben hat, in dem auf der Welt nicht irgendwo Krieg geführt wurde und sei es nur ein kleines, unbedeutendes Scharmützel gewesen. Der atomare Overkill, der in den 80er Jahren durch Gorbatschovs Offensive kurzzeitig gestoppt wurde, beginnt wieder auszuarten, wie man kürzlich in unterschiedlichen Pressemeldungen nachlesen konnte. Im Grunde kann es uns ja gleichgültig sein, ob durch das Waffenpotential aller Länder die Welt einige hundert Mal oder noch öfter zerstört werden kann.

Im Fall des Falles kann ein einziges Mal völlig ausreichen. Schon insofern scheint das Vorgehen der mächtigen Staaten und Großmächte mehr als nur kurios zu sein, wenn uns dabei nicht gleichzeitig die kalte Angst im Nacken sitzen würde. Aber wie sagte ein kluger Mensch lange vor mir? Keiner Maus würde es einfallen, eine Mausefalle zu bauen… Eine ganz wichtige Erkenntnis, nehme ich an. Und ich gehe noch weiter: Trägt die Menschheit den Keim des Untergangs nicht schon in sich? Ist es nicht einfach nur mehr eine Frage der Zeit, dass wir uns schrittweise selber zerstören? Ich glaube nur bedingt an den einen verheerenden Schlag, der mit einem Satz die ganze Menschheit auslöscht.

Weit eher vermute ich ein weiteres Fortschreiten des weltweiten Terrors, bei dem die Wahl der Waffen immer skrupelloser gehandhabt werden wird. Und ich möchte nicht ausschließen, dass vielleicht schon sehr bald atomare oder chemische Waffen eingesetzt werden könnten, atomare oder chemische Waffen, die ganze Landstriche unbewohnbar machen oder im Extremfall mit Krankheitserregern verseuchen. Oder anders formuliert: wir graben uns sukzessive das Wasser ab und stehen vielleicht näher vor der nächsten Katastrophe als wir alle ahnen und das vielleicht sogar fast vor unserer Haustür… An ein Einlenken ist nicht zu denken, es lebe das Faustrecht, es lebe das alte Sprichwort „Auge um Auge, Zahn um Zahn!“

Wenn uns Unrecht zugefügt wird, muss das gesühnt werden. Sind bei uns drei Leute gestorben, müssen dort sechs dran glauben, mindestens, im Namen der Ideologie, im Namen Gottes… Einmal reinen Tisch zu machen und sich offen und ohne Vorbehalte zusammenzusetzen und zu reden ist nicht denkbar. Viel lieber wird jahrhundertealtes Unrecht ganz bewusst geschürt und lebendig gehalten, teilweise auf infame und menschenverachtende Weise, wie in Nordirland. Politiker, die sich auf den Weg des Konsens und des Ausgleichs wagten, mussten im Nahen Osten sehr oft sterben, bisweilen sogar von den eigenen Leuten ermordet, weil die ihre Vorbehalte, den kalten Hass und die Unnachgiebigkeit nicht ablegen wollten…

Der Mensch ist nichts anderes als ein Auslaufmodell. Gott hat sich bemüht, experimentiert und ein wunderbares Wesen geschaffen, das in seiner Vielfältigkeit und seinem Genie fast perfekt geraten ist. Aber nur teilweise, leider. Irgendwo ist ein Programmierungsfehler passiert, bei aller schöpferischer Kraft und Kreativität überwiegt der Drang zum Kampf, zur Unterwerfung und zur Machtausübung. Wir gehen ohne Zweifel dem Untergang entgegen, beizeiten wird sich der Mensch selber zerstören und es stellt sich die berechtigte Frage, ob Gott der nächste Prototyp etwas besser gelingt…

Vivienne

 

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