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15.07.2005, © Vivienne
Freundschaftsdienst mal anders betrachtet
Wie Sie alle, liebe Leser, dem Forum entnehmen können, hatte ich gerade einen kurzen wie heftigen Zwist mit einem besonders witzig sein wollenden Vertreiber eines Newsletterservices, der wohl nicht damit gerechnet hätte, dass ich über ihn und seine müden Scherze derart hinwegbrausen würde. Seine Antwort, in der er mich erneut nieder- und lächerlich machen wollte und dann noch so was wie eine Entschuldigung von mir erwartete, möchte ich hier gar nicht näher durchleuchten. Was mir aber zu denken gibt, ist seine mehr als fragwürdige Erklärung, wie er zu meiner Emailadresse gekommen wäre: wahrscheinlich hätte mich ein guter Freund in die Mailingliste eingetragen!!!!
Man muss sich diese Äußerung auf der Zunge zergehen lassen. Also was für mich ganz bestimmt sehr schnell zum Ende einer Freundschaft führen würde, wäre eben das Faktum, ahnungslos in so einen Newsletterservice eingetragen zu werden, noch dazu mit meinem gehegten und gepflegten Hauptaccount, der nicht jedermann frei zugänglich ist. Nur am Rande bemerkt: gerade deshalb ist der Kreis der Personen, die mir diesen Streich gespielt haben könnten, sehr begrenzt und mein richtiger Freundeskreise gehört da sicher nicht dazu. Aber zurück zu unserem scharfsinnigen Denker und seinen Vermutungen: Wie geht es Ihnen dabei? Würden Sie es sich auch verbieten, so mir nichts dir nichts auf einmal irgendwo dabei zu sein ohne von etwas zu wissen? Im Zeitalter von Spam, Junk und Viren en masse? Ganz sicher nicht, da werden Sie mir wohl beipflichten.
Freundschaft definiert sich nicht über Eigenmächtigkeit: ich mach das jetzt einfach, weil ich weiß, das ist gut für dich. Eine wahre Freundschaft setzt nicht nur enge Kooperation voraus sondern auch über Respekt und Achtung des anderen. Vor seiner Meinung und seinem freien Willen. Jemanden ungewollt in einen Newsletterservice einzutragen oder online im Namen eines anderen, der nichts davon weiß, gar eine Annonce auf einer Partnersuchseite aufzugeben sind Bereiche, die weit über das hinausschießen, was Freundschaft für mich gerade noch erträgt. Und dazu gehört auf jeden Fall, die Grenzen und die Privatsphäre des anderen zu respektieren. Aktionen wie diese fallen in den Bereich Zwangsbeglückung, und die tötet auf Dauer jede Freundschaft.
Jede Freundschaft ist anders, der eine toleriert mehr, der andere weniger. Was aber für mich jedenfalls nicht dazu gehört ist, für jemanden zu lügen und zu Ausreden entwickeln. Wenn sich jemand durch Fehler oder auch Bequemlichkeit in eine blöde Situation gebracht hat, sollte er zu diesem Fehler stehen, aber nicht erwarten, dass man ihn mit Hilfe unwahrer Aussagen aus der Misere bringt. Das ist ziemlich vermessen, wenn Sie mich fragen. Für mich definiert sich Freundschaft nicht über Lügen, mit denen man sich, womöglich gegenseitig, das Leben leicht macht. Ich empfinde das als Missbrauch, und hat für mich nichts mehr mit Freundschaft zu tun, besonders, wenn gewisse Ausmaße überschritten werden und das ständig. Lüge ist kein Freundschaftsdienst!
Wo ziehen Sie Ihre Grenze? Wie weit würden Sie gehen für einen Freund? Was würden Sie für einen Freund nie tun, was auf alle Fälle? Jeder zieht die Grenzen anders, womöglich auch aus der Furcht heraus, vielleicht jemanden zu verlieren. Je selbstbewusster man ist, desto weniger man eine spürbare Abhängigkeit zum anderen entwickelt hat, desto eher kann man seine Standpunkte und seine Werte in die Freundschaft einbringen. Die Freundschaft wird authentisch, während jemand, der aus Furcht anzuecken, fast alles tut, sich selbst verleugnet. Und der andere sich aus seiner Machtposition heraus immer mehr herausnimmt. In Beziehungen oder Ehen verhält es sich oft nicht anders. Eine schlechte Freundschaft kann genauso belasten wie eine in die Krise geratene Beziehung, ein vorausgesetzter Freundschaftsdienst, der den Werten des anderen widerspricht, der kann unter Umständen unerwartet zum Boomerang werden
Aber zurück zu unserem Weltverbesserer, Mr. Newsletterservice. Ich kenne seinen Namen nicht, weiß nur, dass er mit Vornamen Andreas heißt und angeblich seit sechs Jahren Leute mit seinem Service sekkiert. Ebenso wenig habe ich einen Einblick woher in Deutschland er genau stammt, aber das ist mir auch im Grunde egal, es zählt nur seine Geisteshaltung. Und in seinem Umfeld scheint es tatsächlich normal zu sein, sich gegenseitig mit Newslettern aller Art zu beglücken. Einfach so und ungefragt. Und wenn mir auch vieles an ihm und seiner Selbstbeweihräucherung fragwürdig erscheint, das mit Sicherheit ganz besonders. Denn ein echter Freund legt einem anderen kein Ei und lässt ihm selber die Wahl, ob er so was möchte.
Das sage ich, Vivienne, weil ich mein Freunde liebe und achte. Und weil so was Krankes kein Freundschaftsdienst ist.
Vivienne
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