Neue Bohnen Zeitung


Die bunte Welt von Vivienne
von Vivienne  –  Juni 2001


Was so den Unterschied ausmacht
zwischen sagen und meinen …

Sie haben meine kleine Episode über meine Freundin Vicky gelesen. Freut mich.

Wenn Sie aber glauben, daß ich immer den Durchblick habe, dann irren Sie sich gewaltig.

Mitnichten. Es gibt Momente, da steht die gute Vivienne genau so daneben wie Viktoria. Vielleicht noch mehr. Da frag‘ ich mich auch, was schief gelaufen ist… und  was so den Unterschied ausmacht zwischen sagen und meinen. Der ist nämlich oft erheblich…

Vor Jahren arbeitete ich in einem Großhandelsunternehmen. Die Arbeit war sch…, aber das Klima mit den Kollegen fast bilderbuchhaft. Befreundet war ich besonders mit einem jungen Burschen, Toni. Ein schlacksiger, junger Mann. Er hatte nach dem Bundesheer in der EDV-Abteilung angefangen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Freundschaftlich, wohlgemerkt. Wir gingen des öfteren eine rauchen. Schimpften über die Chefs. Plauderten über dieses und jenes. Ich gab ihm auch manchen Tipps, was er seiner Freundin schenken könnte. Wir verstanden uns –  fast wie Mama und Sohn. Obwohl ich in Wirklichkeit keine zehn Jahre  älter war. Aber so sah ich es.

In diese Idylle platzte Albert. Albert war wenig älter als Toni und besetzte eine freigewordene Position, auch in der EDV. Albert war ein g’standenes Mannsbild. Groß, breite Schultern, feurige Augen, dunkles Haar. Wirkte besonders am Anfang ein bissel arrogant nach außen hin. Als ich ihn einmal „Bertl“ nannte, wurde er fuchsteufelswild. Aber Albert war nicht nachtragend. Das merkte ich später noch öfter. Er war einen Tag sauer, dann sprühte er wieder vor Charme. Und von dem hatte er viel. Alberto, wie ich dann bald nannte, erzählte, er hätte eine italienische Großmutter. Natürlich glaubte ich ihm kein Wort. Außerdem war ich zunächst sauer auf ihn, weil er sich in meine Freundschaft mit Toni „drängte“. Nicht daß da was lief – ich sagte es schon. Es gab ja jemanden in meinem Leben: Richard, Traum meiner schlaflosen Nächte. Es störte mich einfach, daß Toni unsere Freundschaft jetzt ein wenig links liegen ließ. Daß die beschauliche Gemeinsamkeit irgendwie den Bach runter zu gehen schien. Ich schmollte.

Irgendwie erfuhr Alberto, daß ich – in grauer Vorzeit, wie ich es formulierte – fast ein Jahr in der Nähe von Turin Aupair-Mädchen war. Und dementsprechend gut italienisch konnte. Mit einem Mal war ich interessant für Albert. Vermutlich aber nicht nur deshalb. Plötzlich war es Alberto selber, der  das Gespräch mit mir suchte. Und der Schmäh lief wieder, wie vorher. Nur, daß ich halt statt mit einem mit zwei erheblich jüngeren Burschen Rauchpausen einlegte oder tratschte. Wie schon gesagt, da lief nichts. Alberto selber hatte ja auch eine Freundin, Birgit. Und als die Putzfrau einmal frech bemerkte, daß ich wohl mit einem Mann daheim nicht mehr das Auslangen finden würde, fuhr ich ihr ordentlich über den Mund. Sonst noch was! Wie ein verschrecktes Huhn ergriff sie die Flucht.

So lief diese Dreierfreundschaft über einige Zeit. Mittlerweile kriselte es in meiner Beziehung zu Richard. Er war mit einer  Kollegin fremd gegangen und ich tobte. Natürlich ließ ich mich öfters im Kreis der beiden Burschen über ihn aus. Ich hatte den Kopf voll mit negativen Emotionen. Unterschied mich übrigens nicht wesentlich von meiner Freundin Vicky, wenn es bei ihr beziehungsmäßig nicht läuft. Als ob ich nicht schon genug um die Ohren gehabt hätte, wurde mein Auto auch noch kaputt. Irreparabel. In dieser Situation bot mir überraschend Alberto an, mich für die nächste Zeit nach der Arbeit nach Hause zu bringen. Obwohl er ganz woanders in Linz zu Hause war. Dafür war ich war ihm wirklich dankbar. Ich hatte mich von Richard getrennt, war in eine eigene Wohnung gezogen, am A… von Linz. Bei mir herrschte das Chaos. Nicht nur in der Wohnung, auch gefühlsmäßig. Gerade deshalb schätzte ich Alberts Freundschaftsdienst. Die Art, wie er mich während der Autofahrten mit Schwänken aus seinem Leben aufheiterte. Mit dem Hirn war ich ohnedies selten dabei. Ich lachte zwar meistens an der richtigen Stelle, aber von den G’schichteln behielt ich keine im Kopf. Da ritt ich eher verbale Attacken gegen Richard, der seine Kollegin in die ehemals gemeinsame Wohnung geholt hatte. Deshalb registrierte ich auch nicht, daß Alberto mehr als nur hilfsbereit war. Sehr viel mehr. Glauben Sie nicht, daß ich blind war: Man konnte Albert schon mit Fug und Recht als feschen Burschen bezeichnen. Das sagte ich ihm selbst, mehr als nur einmal. Aber damals war halt die Welt zwischen mir und Richard noch in Ordnung. Albert selbst schien ja auch in festen Händen zu sein. Und überhaupt: der Bursch war ja fast 8 Jahre jünger als ich. Nicht einen Gedanken hätte ich daran verschwendet, daß er möglicherweise…

Bei einer dieser Heimfahrten streifte ich im Gespräch auch Birgit, Alberts Freundin. Er wurde mit einem Mal still. Dann drehte er sich zu mir und sah mir fest in die Augen: „Mit Birgit ist es aus.“ Ich wachte für einen Moment aus meiner Lethargie auf und meinte betroffen, daß es mir leid täte… Schnell verfiel ich wieder in mein Grübeln. Mit dem einen Unterschied, daß ich mir dachte, daß andere Leute auch Beziehungsprobleme haben. Daß mir Alberto damit mehr hatte sagen wollen, darauf kam ich nicht….

 

Weihnachtsfeier. Unser Chef hatte die Mitarbeiter in der Wachau in ein Wein-Restaurant geladen Ich hatte wegen der Ausgaben für die neue Wohnung noch immer kein Auto. Aber Albert hatte versprochen, mich wieder heim zu bringen. Allerdings hatte er an dem Tag einen Termin auswärts und wollte erst im Laufe des Abends zu uns stoßen. Die Feier geriet schnell – wie meistens bei solchen Anlässen – zu einer feuchtfröhlichen Sauftour. Ich fadisierte mich ordentlich. Irgendwann fiel mir auf, daß Albert noch immer nicht da war. Ein Kollege verriet mir schließlich, daß Alberto wegen einer Panne noch in einer Werkstatt sei. Mit einem Grinsen, das ich damals nicht zu deuten wußte, wies er mich darauf hin, daß Alberto wohl nicht mehr kommen würde… Scheibenkleister. Mir ging das Saufgelage die längste Zeit auf den Geist. Ich kannte das ja – alle Jahre wieder. Zudem hätte ich ohne Albertos Zusicherung gar nicht erst an der Feier teilgenommen. Schließlich hatte ich kein Auto. Eine Übernachtung wollte ich mir im Gegensatz zu den meisten Kollegen nicht antun. Schon wegen der Kosten… Als eine schwangere Kollegin von ihrem Mann abgeholt wurde, hängte ich mich daher mit beredten Worten an. Ließ mich unverfroren am Stadtrand von Linz absetzen und nahm dort ein Taxi. Am Wochenende werkte ich wieder in meiner Wohnung. Dachte nicht weiter über die Feier oder Albert nach. Ich verschickte viel lieber in Gedanken „Feuerpfeile“ an Richard und seine Neue….

Am folgenden Montag, zwei Tage vor Weihnachten, kam ich etwas später in die Firma. Ich hatte einige Amtswege zu erledigen gehabt. Als ich rein kam, merkte ich, daß etwas in der Luft lag. Ein paar Kollegen tuschelten, eine Kollegin sah mich anzüglich grinsend an. Natürlich verstand ich nichts. Schlüpfte in meinen Arbeitsmantel und wollte ins Geschäft. Da stand Albert hinter mir. Was folgte, war ein groteskes Schauspiel, und die Kollegen amüsierten sich köstlich. Alberto war wütend, wie ich ihn nie zuvor gesehen hatte. Er warf mir vor, daß ich ihn zum Narren gehalten hätte. Es dauerte eine Ewigkeit bis ich überhaupt begriff: Albert war nämlich, sehr spät zwar, aber doch noch auf der Weihnachtsfeier aufgetaucht. Nur, da war ich schon weg. Es war unmöglich, ihm meine Gründe begreiflich zu machen. Daß ich mir sicher war, er würde wegen der Panne nicht mehr kommen. Daß mir gar nichts anderes übrig geblieben war, nachdem der Rest der Kollegen nicht fahrtüchtig war Ich verstand die Aufregung überhaupt nicht. Wie denn auch! Mein ganzes Denken war in den letzten Wochen auf viele andere Dinge konzentriert: den Beziehungspalawatsch mit Richard, auf all die anderen Sorgen – die neue Wohnung, das kaputte Auto, das liebe Geld. Wie hätte ich da begreifen sollen, daß Alberto nur noch meinetwegen auf die Weihnachtsfeier gekommen war? Daß er ganz heimlich auf einen sehr romantischen Ausgang dieses Abends gehofft hatte, weil er ganz einfach in mich verliebt war…? Wie hätte ich…? Ich begriff es ja nicht einmal jetzt. Lieferte mir ein verbales Duell mit dem fast zwei Kopf größeren Albert. Sprühte Funken und lief schließlich mit Tränen der Wut ins Geschäft. Dieser Spinner, dachte ich mir. Er, der doch eigentlich froh hätte sein müssen, daß er mich nicht mehr heimbringen mußte. Er, der am andern Ende von Linz daheim war…!

So vernagelt kann man sein. Was die Kollegen seit Wochen beobachtet hatten, nämlich Alberts steigende Gefühle für mich, war völlig an mir vorbeigelaufen. Ewig schon war ich nur mehr offen für Probleme aller Art. War lange nicht aus gewesen, konnte mich nicht von den Altlasten der Beziehung mit Richard lösen. Und da war ein Kollege, ein fescher, junger Mann, der war ziemlich verliebt in mich. Und mir war es nicht einmal aufgefallen, obwohl ich relativ viel Zeit in der Firma mit ihm verbrachte…

An diesem Montag sah ich Albert nicht mehr an, ich machte auch keine Rauchpausen. Außerdem nahm ich den umständlichen Kampf mit drei Buslinien auf um heim zu kommen. Lieber wäre ich zu Fuß gegangen als mit Albert zu fahren. Ich befand mich in einer tristen Stimmungslage, so knapp vor Weihnachten. Einerseits kochte ich noch vor Wut wegen des Streits. Auf der anderen Seite war ich wegen dieser Häufung an negativen Ereignissen und Erlebnissen seelisch angeschlagen. Im Nachhinein betrachtet gab es einige unglaubliche Umstände an dieser Geschichte. Am Witzigsten war wohl – neben meiner eigenen „Einfältigkeit“ – der Umstand, daß keiner der lieben Kollegen und Kolleginnen auf den Gedanken kam, mich auf zu klären. Nicht zu vergessen, daß Alberto selber auch keine Aussprache mit mir zu suchte oder zumindest anrief…

 

Über Weihnachten – die Firma war über die Feiertage zu – fuhr ich weg. Ich war eingeladen worden und froh darüber, daß ich meine chaotische kleine Wohnung einige Tage nicht sehen mußte. Mit Albert hatte ich vorher praktisch nicht mehr geredet, obwohl ich den  Eindruck gewann, daß er selber gern wieder mit mir getratscht hätte. Ja, auch, daß ihm der Streit leid tat. Aber ich war beleidigt…

Ich hatte dann reichlich Gelegenheit zum Ausweinen und wurde in demselben Ausmaß getröstet. Meine Freundin Vicky war übrigens besonders fürsorglich. Sie stellte mich zu Silvester einem Bekannten vor, der sich gerade mit einem Freund in Linz selbständig gemacht hatte: Hermann. Mittelgroß, dunkel. Ein sehr sympathischer Mann in meinem Alter. Fast nebenbei erfuhr ich einiges über ihn. Er lebte allein; außerdem war er wegen des steigenden Aufwandes in der Firma auf der Suche nach einer agilen Assistentin, die ihn vollwertig vertreten könnte. Wir redeten den ganzen Abend, hatten viel Spaß und um Mitternacht stießen wir sogar miteinander an. Was soll ich sagen: das Umfeld paßte einfach. Ich hatte den Kopf nicht voll mit dem Alltagskram, der mich in den letzten Monaten fast erdrückt hatte. Vor allem, ich war wieder empfänglich für die angenehmen und schönen Dinge des Lebens. Um es kurz zu machen: als ich eine knappe Woche später aus dem Urlaub zurück kam, hatte ich nicht nur einen fixen Job in der Tasche sondern auch einen neuen Freund, nämlich Hermann. Ich einigte mich mit meinen Vorgesetzten auf eine relativ schmerzlose Trennung von dem Unternehmen. Da ich noch einigen Urlaub offen hatte, mußte ich nur mehr etwa eine Woche arbeiten. In diesen Tagen sah ich weder Toni noch Alberto sehr oft. Wieder hatte ich andere Dinge im Kopf. Außerdem war ich im Sinne meines Chefs bemüht, offene Arbeiten abzuschließen – keine Rauchpausen. Ich war nicht mehr sauer auf Albert, aber eben im Begriff, mich auf etwas Neues einzustellen. Und ich war verliebt…

 

Irgendwann an meinem letzten Arbeitstag war ich allein in einem der Lager. Ich suchte einen bestimmten Artikel einer Lieferung. Da tauchte plötzlich Albert bei mir auf. Genau genommen sah ich  ihn bei dieser Gelegenheit das erste Mal seit unserem Streit richtig an. Betroffen erkannte ich, wie traurig und müde er aussah. Seine dunklen Augen sprühten nicht das gewohnte Feuer. Bevor ich fragen konnte, begann er zu reden. Nein, es war keine verspätete Liebeserklärung. Aber ich begriff sehr rasch, wie ahnungslos ich all die Monate gewesen war.. Mir war, als hätte mir jemand den Teppich unter den Füßen weg gezogen. Albert sprach nicht von großartigen Gefühlen, eigentlich nahm er das Wort Liebe gar nicht in den Mund. Aber mir wurde bewußt, wie tief er für mich empfunden hatte. Was er sagte, tat mir unheimlich weh, vor allem weil ich diese Gefühle nie wahrgenommen oder in dem Maß erwidert hatte. Auf einmal hatte ich Tränen in den Augen. Ich weiß nicht warum. Aber während ich nach Worten rang, drückte er mir einen riesigen Blumenstrauß in die Hand und küßte mich ganz schüchtern auf den Mund. Und weg war er…

Sie sehen schon. Es kommt oft auf die Umstände an. Manch einer ist so beschäftigt mit sich selbst, daß er die schönsten Dinge übersieht. Und ein anderer findet eben nicht die richtigen Worte oder den richtigen Ton, um an die „Angebetete“ oder den „Angebeteten“ durch  zu dringen. Wenn’s läuft, dann läuft’s fast von allein. Wenn nicht, dann kann man sich noch so bemühen, es kommt nicht richtig in Gang. 

C’est la vie.

Vivienne

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