von Vivienne – Dezember 2004
Der Taschendieb
Ein Weihnachtsmärchen…
Mein erstes Weihnachten mit Albert! Nie ist Weihnachten schöner, als wenn man verliebt ist, relativ frisch und so glücklich! An meine erste Zeit mit Ali kann ich mich erinnern, fast als ob es gestern gewesen wäre. Nicht nur, weil ich Tagebuch führe und hin und wieder nachblättere, wie es mir damals ging. Oder besser gesagt, was ich fühlte, was ich empfand nach so langer Zeit und auf so umständliche Art und Weise doch noch mit Albert zusammengekommen zu sein. Der Spruch Alles entfaltet sich zum richtigen Zeitpunkt hat durchaus seine Berechtigung
Immer wieder kommt mir auch eine Episode in den Sinn, die sich im Advent vor drei Jahren ereignete. Ich war mit Ali kurz vor Weihnachten am Wochenende in der Linzer Innenstadt unterwegs. Weihnachtsgeschenke besorgen, aber viel mehr noch bummeln, schauen, ein wenig Punsch trinken und uns nahe sein, die Zweisamkeit in vollen Zügen genießen Die Beleuchtung in der Innenstadt ist seit jeher wunderschön: Sterne, Engerl, Kugeln, Nie zuvor hatte mich ein derartiges Gefühl für Romantik ergriffen. Manchmal war es fast, als müsste ich den Atem anhalten vor lauter Glück. Albert selber war es dann, der mich wieder ein wenig zurückholte in die Realität: durch seine liebenswerte Ironie aber auch durch seine physische Präsenz an sich – er war (und ist nach wie vor) so real, wie ich es mir nur wünschen konnte Ich träumte nicht, nein, ich lebte meinen Traum.
An einem Stand am Weihnachtsmarkt am Hauptplatz konnte ich mich kaum satt sehen an dem herrlichen Weihnachtsschmuck. Ich wusste genau, ich wollte da ein paar Stück kaufen! Ali lachte verschmitzt. Wir werden einen großen Weihnachtsbaum brauchen, wenn das so weitergeht! Während ich ein paar Kugeln auswählte, stand er amüsiert daneben und beriet mich. Wie wäre es mit der da? Ich war lange unschlüssig. Schließlich hatte ich doch fünf Stück ausgewählt und öffnete die Tasche um zu bezahlen. Halt! Ali kam mir elegant zuvor. Na, wenn er wollte Deins ist meins und umgekehrt.
Sorgfältig verstaute ich die Schachtel mit dem Schmuck, hängte mich bei Ali ein und wir gingen weiter. Wir lachten und schäkerten, es begann zu schneien und es roch nach Punsch und Weihrauch. Ein Rempler riss mich unsanft aus der romantischen Stimmung. Ein dunkler, schlaksiger Typ warf mir einen unfreundlichen Blick zu anstatt sich zu entschuldigen und eilte weiter. Kopfschüttelnd hob ich meine Tasche hoch, die auf den Boden gefallen war. Typen gibts Wir verließen den Hauptplatz und wanderten stadteinwärts. Im Passage City Center wollte ich unbedingt einen Blick von der Terrasse auf die Landstraße werfen. Punsch wollten wir dort keinen mehr konsumieren, aber die Aussicht war herrlich.
Und beim runterfahren mit der Rolltreppen konnte ich einfach nicht widerstehen. Das Schuhgeschäft weiter vorn übte eine gigantische Anziehung auf mich aus. Wir sahen uns um und Ali beriet mich beim Kauf. Wunderschön! Das Paar gefiel uns beiden und passte perfekt. Ali nickte mir zu. Ich griff nach der Tasche um nach der Geldbörse zu kramen. Schließlich wurde ich stutzig. Ich stellte die Tasche auf den Boden um sie auszuräumen. Was ist los? Albert merkte, dass ich zu schwitzen begonnen hatte. Meine Geldbörse, sie ist weg. Weg? Wie das? Ali griff nach meiner Hand. Wann hast du sie zuletzt gehabt? Ooh, ich weiß nicht genau. Irgendwann heute Nachmittag. Ich begann vor Aufregung zu zittern. Es müssen fast dreitausend Schilling drin sein. Dazu meine Bankomatkarte, der Personalausweis, etliche Kundenkarten Ich setzte mich auf den Stuhl, auf dem ich vor wenigen Minuten noch fröhlich meine neuen Schuhe probiert hatte.
Mein Gott erinnerst du dich vorhin? Am Weihnachtsmarkt? Der Kerl, der mich angerempelt hat! Der hat mir meine Geldbörse gestohlen! Mit Sicherheit! Ganz ein Häufchen Elend begann ich zu weinen. Albert legte den Arm um mich. Vergiss das Geld! Man kann alles Materielle ersetzen, ja? Ich konnte ihm nur bedingt zustimmen. Ich dachte an den ganzen Ärger, der auf mich zukommen würde, von dem finanziellen Verlust erst gar nicht zu reden. Albert hielt mich einfach in den Armen, und ich beruhigte mich dann doch sehr schnell. Zuerst musste ich die Bankomatkarte sperren lassen, via Computertechnik konnte ein gewiefter Dieb alle Codes der Welt knacken. Albert kaufte mir auch die Winterschuhe, obwohl ich sie in dem Moment gar nicht mehr wollte. Ich hatte das dringende Bedürfnis heimzufahren und mich hinzulegen
Also fuhren wir in meine Wohnung, in der wir damals zusammenlebten. Ich hatte starke Kopfschmerzen bekommen und verschwand im Schlafzimmer. Albert wollte in der Zwischenzeit meine Bankomatkarte sperren lassen. Alles andere konnte ich ohnedies erst am kommenden Montag veranlassen. Diebstahlanzeige, neuer Personalausweis, und, und, und Ich schlief unruhig. In meinen Traumfetzen tauchte immer wieder der Kerl vom Weihnachtsmarkt mit seinem wütenden Gesicht auf. Irgendwann am frühen Abend wachte ich wieder auf. Albert saß neben mir auf dem Bett und lächelte mich an. Wie gehts dir? Mein Kopf brummte nach wie vor und ich stöhnte leise, weil mein Nacken zusätzlich schmerzte.
hast du die Bankomatkarte schon sperren lassen? Ali blickte kurz auf, ohne mir direkt zu antworten. Vorhin hat jemand angerufen, auf deinem alten Handy. Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch? Was? Die Nummer ist doch schon längst passe. Der Vertrag mit dem Anbieter läuft in ein paar Wochen aus. Wer war es denn? Ein ganz netter Herr. Und weiß du was er wollte? Ich zuckte die Achseln. Hat er sich verwählt? Nein, mein Schatz. Er hat etwas gefunden, auf dem Weihnachtsmarkt. Ali strahlte. Deine Geldbörse. Unversehrt. Das ganze Geld und deine Bankomatkarte unberührt. Nichts fehlt. Auf einer alten Vistenkarte von dir hat er die Handynummer gelesen Und vorhin hat er die Börse vorbeigebracht und wollte nicht einmal Finderlohn. Ich griff mir mit der Hand an die Stirn, ich war nicht in der Lage etwas zu sagen. Träumte ich noch oder machte Ali einen Scherz?
Weder das eine noch das andere. Wenige Minuten später realisierte ich das. Mein Geldbörsel, war ein wenig verkratzt, aber sonst makellos. …und ich habe geglaubt, der Typ, der mich anrempelte, hat sie mir gestohlen. Dabei ist sie mir nur rausgefallen, und dafür konnte der nichts wirklich. Abgesehen davon, dass er ein Rüpel ist, hat er sich nichts zuschulde kommen lassen. Albert küsste mich, dann machte eine Flasche Likör auf. Es ist egal, Liebes. Ein kleines Weihnachtsmärchen… Es gibt tatsächlich noch ehrliche Leute! Er prostete mir zu. Auf uns, Vivi! Glaubst du nicht auch, das wird ein wunderschönes Weihnachten?
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