von Vivienne – Mai 2004
Ham’s scho g’hört?
Fernsehen ist also die Lieblingsbeschäftigung der Österreicher das ergab unlängst eine Umfrage eines Meinungsforschungsinstitutes. Keine Frage, Herr und Frau Österreicher sitzen gern vor der Flimmerkiste, zippen durch zig Kanäle und bleiben nirgends lang, was angesichts der Eintönigkeit der einzelnen Programme mehr als nur verständlich scheint. Aber Lieblingsbeschäftigung? Nein, wenn schon vor einem Kastl, dann wohl eher vor dem PC, und in dem Fall muss ich mich wohl selber bei der Nase nehmen. Trotzdem glaube ich auch nicht unbedingt, dass der typische Österreicher in seiner Freizeit am liebsten am Computer werkt.
Ich tippe da auf ganz was Anderes. Nein, auch nicht auf das, was Sie, liebe Leser, jetzt glauben – Sex ist nicht alles, und die wahren Abenteuer sind doch im Kopf, oder? Ich denke, des Österreichers liebste Beschäftigung ist das Tratschen und Leute ausrichten. Und den Prototyp, den kenne ich persönlich, das ist ein Nachbar von uns, der fast zur selben Zeit zu bauen anfing wie meine Eltern. Der Mann, mittlerweile in Pension, lebt für den Tratsch, der mit Sicherheit keine rein weibliche Eigenschaft darstellt. Ich gebe aber zu, dass ein Mann in seiner Funktion als Tratschtante im ersten Moment wirklich etwas ungewöhnlich scheint.
Aber Herrn Grünbeck, so heißt der gute Mann, war es von je her wichtig, bestens informiert zu sein über das was in der Gemeinde vorging. Speziell in unserer Straße. Fuhr in unserer Seitenstraße zum Beispiel ein Auto vor, dauerte es meistens keine Minute, bis Herr Grünbeck am Fenster erschien und den Besucher in Augenschein nahm. War es jemand aus der Siedlung, der etwa von der Arbeit heimkam, verlor sich sein Interesse schnell. Hatte der Wagen jedoch ein unbekanntes Kennzeichen, konnte man darauf wetten, dass spätestens zwei Minuten später der Nachbar aus der Haustür trat und den Besucher in Augenschein nahm.
Nach einer Viertelstunde üblicherweise war Herr Grünbeck dann meistens schon in den Nebenstraßen unterwegs um die Leute zu informieren. Und um seine Vermutungen über den Besuch unter die Leute zu bringen. Woher, werden Sie sich nun fragen, hatte der gute Mann eigentlich die Zeit, sich derart intensiv mit dem Leben seiner Mitmenschen auseinander zu setzen? Ehrlich gesagt, weiß ich das selbst nicht genau, da Herr Grünbeck erst seit ein paar Jahren in Pension ist, seine ureigensten Beobachtungen aber seit über vierzig Jahren durchführt.
Hilfreich war ihm dabei sicher sein Job als Schichtarbeiter in der Vöest. Dadurch, dass er auch nächtens viel arbeiten musste, hatte er am Tag genug Zeit, sich um anderer Leute Angelegenheiten zu kümmern. Ich vermute ehrlich gesagt, dass er nie viel zum Schlafen kam. Aber das wurde durch seine Entdeckungen zigfach ausgewogen. Herr Grünbeck wusste zum Beispiel immer als erstes, wenn eine Familie Nachwuchs erwartete, aber auch wenn es in einer Ehe kriselte oder sich ein Gspusi anbahnte nicht verzagen, Grünbeck fragen!
Das Leut ausrichten bringt es halt auch immer mit sich, dass man bisweilen das Gras wachsen hört und Gerüchte die Runde machen, die keinen wahren Hintergrund haben. Solche Hoppalas passierten Herrn Grünbeck immer wieder, aber die Leute behielten häufig nur in Erinnerung, wenn er ins Schwarze getroffen hatte, und dafür hatte er fraglos ein Talent. Trotzdem kam ihm eine solche Falschmeldung einmal teuer zu stehen. Irgendwie hatte ihn jemand, ein junger Mann, auf die irrige Idee gebracht dass ein 17jähriges Mädel in der Siedlung, eine Schulkollegin meines älteren Bruders, mit Drogen und Alkohol zu tun hätte.
Diese Geschichte verselbständigte sich rasant und das ahnungslose Mädchen kam unter Beschuss der Gendarmeriebeamten, die die vermeintlich Süchtige vom Amtsarzt vorladen ließen. Unsere Freunde und Helfer konnten das Ergebnis der Blutabnahme dann aber gar nicht fassen, doch es gab keinen Zweifel. Das Mädel war so clean wie jede/r andere in der Siedlung. Sie war nur das Opfer einer Verleumdung geworden, weil ihr ein abgewiesener Bursch eins auswischen hatte wollen. Herr Grünbeck war dem liebestollen jungen Mann auf den Leim gegangen und hatte sich somit ordentlich in die Nesseln gesetzt. Ich werde nie vergessen, wie die Runde machte, wie der Vater der unschuldig Verdächtigten sich in einem Wirtshaus Herrn Grünbeck zur Brust genommen hatte um den schmächtigen Mann mit seiner Jacke tatsächlich an der Garderobe aufzuhängen.
Der ganze Ort lachte über Herrn Grünbeck, aber der steckte diese demütigende Situation schnell weg und trachtete weiter danach, dass man in der Gemeinde immer bestens informiert war. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mit Albert das erste Mal meine Eltern besuchte. Ali war von mir vorgewarnt geworden und er amüsierte sich dann auch königlich, als er sein Auto abstellte und wie auf Kommando Herr Grünbeck hinter dem großen Strauch auftauchte, der sein Grundstück begrenzt, und uns gespannt beobachtete.
Neugier ist die gespannte Angst, dass es Wunder geben könnte, sagt Anton Kuh. Das war wohl auch die versteckte Motivation von Herrn Grünbeck, aber Wunder gibt es nicht alle Tage und deshalb muss man schon irgendwie anerkennen, wie er die Leute mit Banalitäten zu unterhalten verstand und versteht und dafür sorgt, dass die Gerüchteküche immer am Brodeln ist auch wenn er dabei schon einmal fast zu Schaden kam. Aber Leute wie ein Herr Grünbeck sehen nicht über den eigenen Horizont hinaus, und das nächste Fettnäpfchen wartet schon.
Wirklich einen gewissen Unterhaltungswert kann man ihnen nicht absprechen, den männlichen wie weiblichen Klatschbasen dieser Welt. Seien wir doch ehrlich, jeder tratscht gern über den anderen, und sei es nur ein bisschen, und darum bin auch so sicher, dass diese Beschäftigung auf jeden Fall das Liebste ist, was die Österreicher tun es liegt in der Natur des Menschen!
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