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 Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne

23.06.2005, © Vivienne

Der selbst ernannte tolle Hecht

Wann ist ein Mann? Jeder Vertreter dieser Spezies wird das natürlich individuell sehen und auch wir Frauen stellen unsere eigenen Überlegungen an, was einen Mann ausmacht. Männlichkeit hat für die meisten einigermaßen zivilisiert Denkenden eigentlich nichts mehr mit „Potenz“ und „Stehvermögen“ im wahrsten Sinne des Wortes zu tun. Trotzdem gibt es noch immer die Platzhirsche, die nach ihrer Meinung regelrecht erscheinen und annehmen, sie haben danach das Geschehen in der Hand und die Mädels an den Fingern einer Hand. Aber die Zeiten werden schlechter für unsere Parademachos, keine Frau, die etwas auf sich hält, fährt mehr ernsthaft auf diese Typen ab…

Es mag gut ein halbes Jahr her sein, als ich bei einer Cousine in St. Valentin eingeladen war – zu einer Tupperware-Party. Ali verweigerte sich gleich, ich musste auch noch versprechen nichts Unnötiges zu kaufen, aber immerhin wollte er mich am späteren Abend von dort wieder abholen. Ich selber fuhr mit dem Zug nach St. Valentin, wo mich Gunter, der Mann meiner Cousine Veronika, schon am Bahnhof erwartete. Veronika steckte bereits mitten in den Vorbereitungen für diese Verkaufsparty, backte Kuchen und schmierte Brote, fand daneben aber auch Zeit, mit mir zu plaudern. Veronika ist eine nette Frau, die ihr Haushaltsgeld ab und an mit solchen Veranstaltungen ein wenig auffettet. Das heißt, sie stellt dafür ihr Wohnzimmer zur Verfügung.

Das Geld, das sie dabei bekommt, ist nicht zu verachten, für sage und schreibe fünf Kinder der beiden zwischen sechs und vierzehn fällt eigentlich immer etwas zu bezahlen an. Das war auch der Grund, warum ich bei ihr nicht hätte übernachten können – im Haus wäre wohl gerade noch im Besenkammerl Platz gewesen und das wollte ich dann doch vermeiden – es gibt bequemere Orte zum Schlafen. An sich verstehe ich mich mit Veronika recht gut, aber an diesem Tag war ein Kollege Gunters zu Besuch, der sich für weiß Gott was hielt. Was war der nicht schön, nicht unwiderstehlich und was liefen ihm nicht die Frauen nach! Dabei wirkte dieser Gottfried vorrangig überheblich und übertrieben lässig auf mich und aufregend sah er auch nicht aus, wenn ich da so an Ali im Vergleich dachte.

Ich ließ die Gelegenheit nicht aus, ihm zu seinen Geschichten, die sich vorrangig um schnellen Sex und das Flachliegen williger Frauen drehten, das eine oder andere Mal ordentlich einzuschenken. An dem aalglatten Typen glitt das aber nur ab, er ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und kurz vor Beginn der Party – etwa zehn Frauen tratschten schon im Wohnzimmer – nahm Veronika mich beiseite: „Nimm den Typen nicht so ernst, der braucht das, weil er in Wirklichkeit am Boden ist. Seine Frau hat ihn vor drei Monaten verlassen!“! Ich grinste kurz, denn ich verstand jetzt gut, warum der Mann in der Märchenkiste kramte. Sollte er, mir tat das nicht weh… Allerdings gefiel mir nicht, warum Gottfried auch der Party beiwohnen musste – ich hätte mich ohne seine Anwesenheit besser gefühlt. Und so erstand ich gerade eine Salatschüssel und eine Jausenbox – auch damit Alis Seele ihre lieben Frieden finden würde…

Als hätte er gespürt, dass ich gerade an ihn denke, begann mein Handy zu piepsen. Ali hatte eine Panne und es würde ihm unmöglich sein, mich heute noch zu holen. Scheibenkleister. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Ich ging zu Veronika und bat sie um das Telefonbuch. Ich wollte mir eine Pension heraussuchen, etwas anderes blieb mir ja nicht übrig. Veronika schüttelte den Kopf, sie wandte sich an ihren Mann und die beiden tuschelten. Gunter verschwand dann aus meiner Sichtweite um mir fünf Minuten später zu verkünden: „Du kannst bei Gottfried schlafen, er hat ein Gästezimmer!“ Mit offenem Mund starrte ich Gunter an, ob er wohl einen schlechten Scherz machen wollte, aber Veronika nahm mich bei der Hand. „Es ist ja nur für eine Nacht! Stell dich nicht an und kosten tut es auch nichts.“

Mir gefiel Gottfrieds anzügliches Grinsen überhaupt nicht, dass er von dem Moment an beständig zur Schau stellte. Aber zumindest wohnte er nur fünf Minuten von Veronika und Gunter entfernt, ich wusste also wohin ich flüchten konnte. Im Fall des Falles… Gottfried sperrte auf, machte Licht im Flur und führte mich ins Wohnzimmer. Dort hatte er in einer Ecke auch eine anscheinend gut bestückte Bar stehen, an der er sich zu schaffen machte. Mich interessierte das nicht, ich wollte schlafen gehen. „Zeigst du mir das Gästezimmer?“ Gottfried dreht sich elegant wirken wollend um und hatte plötzlich zwei Drinks in der Hand. „Voila. Es gibt kein Gästezimmer, du schläfst bei mir!“

Einen kurzen Moment war ich verdattert. Dann blickte ich den Obermacho mit stechendem Blick an, wobei ich geflissentlich das Glas übersah, das er mir reichen wollte. „Ich schlafe nicht bei dir.“ Das Grinsen in Gottfrieds Gesicht schien fest gefroren. „Es gibt aber kein Gästezimmer.“ Ich hätte mich beinahe losgelacht. „Ich sag dir jetzt was. Ich führe sicher keine Grundsatzdiskussion mit dir, aber du wirst heute Nacht allein schlafen. Und ich werde mir doch noch eine Pension suchen.“ Ich angelte nach meinem Handy in der Handtasche um die Auskunft anzurufen. Das Grinsen in Gottfrieds Gesicht erstarb jäh.

Fünf Minuten später hatte ich eine schmuddelige Decke für’s Sofa und konnte mich in ein speckiges Sofakissen kuscheln. Ausgezogen hatte ich mich nicht. Gottfried wirkte zwar ziemlich eingeschnappt, aber man konnte nie wissen… Ich aktivierte die Weckfunktion des Handys auf 6:00 Uhr morgens – länger wollte ich auf keinen Fall bleiben. Ein Frühstück mit dem Herrn hätte mir gerade noch gefehlt zu meinem unaussprechlichen Glück… Dann fielen mir die Augen zu. Der Tag hatte schon sehr lange gedauert.

Vivienne

 

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