„Der seltsame Fall des Benjamin Button“

„Die Jugend wäre eine viel schönere Zeit, wenn sie erst später im Leben käme…“ Dieses Bonmot von Sir Charles Chaplin bekommt angesichts der (fiktiven) Lebensgeschichte des Protagonisten Benjamin Button eine ganz besondere Bedeutung. Denn Button kommt als „alter“ Säugling, mit allen Anzeichen und Beschwerden eines Greises zur Welt und „altert“ quasi der körperlichen Jugend entgegen, die er als geistig gereifter Mann erlebt. Dieser reizvolle Stoff nach einer Novelle des großartigen Scott Fitzgerald (bekannt vor allem durch „Der große Gatsby“) wurde im letzten Jahr von Regisseur David Fincher für das Kino adaptiert und gilt als einer der großen Favoriten für die Verleihung der Academy Awards (Oscars) 2009…

Zu Beginn des Filmes steht die tragische Geschichte des Monseur Gateau, eines blinden Uhrbauers. Im Schmerz über den Verlust seines Sohnes, der im 1.Weltkrieg gefallen ist, kreiert er eine Uhr, die rückwärts geht… um alle im Krieg verlorenen Söhne zurückzuholen… Symbolisch dazu verläuft das Leben des Benjamin Button, dessen Lebensuhr sich quasi rückwärts bewegt.

Daisy, eine alte Frau, liegt, während der Hurrikan Katrina wütet, im Sterben. Sie bittet ihre Tochter Caroline ihr aus dem Tagebuch eines gewissen Benjamin Button vorzulesen. Caroline hat keine Ahnung, welche Auswirkung die Lebensgeschichte dieses ihr unbekannten Mannes auf ihr eigenes Leben hat…

Benjamin Button erzählt in diesem Tagebuch sein Leben. Er wird am letzten Tag des 1. Weltkrieges geboren. Seine Mutter stirbt bei der Geburt und sein Vater, entsetzt über das Aussehen des Kindes, setzt den Kleinen im Altersheim aus. Denn Benjamin sieht nicht aus wie ein normales Baby, er ist faltig und runzlig und gesundheitlich angeschlagen wie ein alter Mann… Die Leiterin des Altersheimes, Queenie, selber ungewollt kinderlos, nimmt sich des Babys an, von dem jeder glaubt, es würde bald sterben. Aber im Körper dieses alten Babys steckt der wache Geist eines Kindes, noch gefangen in einer greisenhaften Hülle, aus der er nach und nach herausdrängt – im wahrsten Sinne des Wortes. Während er im Altersheim heranwächst, verlässt Benjamin den Rollstuhl, seine Haare werden wieder dichter …

Eines Tages lernt er die fünfjährige Enkelin einer Insassin kennen: die bildhübsche Daisy in deren wunderschöne blaue Augen er sich vom ersten Augenblick an verliebt. Das Mädchen und er werden Freunde, mehr als das, die beiden verbindet ein besonderes Band, das Zeit ihres Lebens nie völlig abreißt… Benjamin verdingt sich schließlich als „junger Mann“ auf einem Schlepper und kommt viel in der Welt herum. Von überall schreibt er Daisy, die in der Zwischenzeit eine Ausbildung zur Ballerina begonnen hat. In Russland beginnt er eine Liebesbeziehung mit einer verheirateten Frau, Elizabeth. Als er Daisy von ihr schreibt, schläft der Kontakt zu seiner Jugendfreundin vorläufig ein…

Schließlich werden Benjamin und seine Leute auf dem Schlepper auch vom 2. Weltkrieg eingeholt. Nach dem Tod der Freunde kehrt er – optisch sichtlich verjüngt – wieder nach Hause ins Altersheim zurück. Endlich sieht er Daisy wieder, sie kommt auf Besuch, aber sie hat sich verändert. Als sie ihn in einer lauschigen Nacht verführen will, weist er sie zurück. Benjamins Vater, der schwerkrank ist, gibt sich seinem Sohn endlich zu erkennen. Der erfolgreiche Knopffabrikant setzt ihn als seinen Erben ein. Dadurch wird Benjamin finanziell unabhängig. Er besucht Daisy in New York wo sie Mitglied einer erfolgreichen Truppe geworden ist – und mittlerweile auch einen Freund hat. Benjamin fühlt sich deplatziert und kehrt enttäuscht wieder nach Hause zurück. Als Daisy aber in Paris bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wird, reist er sofort zu ihr um ihr beizustehen. Daisy ist völlig am Boden zerstört, weil sie weiß, dass ihre Karriere beendet ist. Sie schickt Benjamin aus lauter Selbstmitleid wieder weg und stößt ihn von sich…

Aber Daisy kommt Jahre später zurück zu Benjamin und diesmal werden die beiden, die sich auch altersmäßig angenähert haben, endlich ein Paar. Eine glückliche, unbeschwerte Zeit für die beiden beginnt, die anhält, bis Daisy schwanger wird. Benjamin ist bedrückt, weil er nicht weiß, wie das Kind mit dem „verkehrten“ Altern seines Vaters fertig werden soll. Daisy bringt eine gesunde Tochter zur Welt, Caroline, aber wie sein Vater verlässt auch Benjamin sein Kind, allerdings finanziell gut abgesichert. Daisy heiratet einen anderen Mann, der ihrer Tochter der Vater wird, der Benjamin nicht sein kann. Benjamin sieht seine Tochter nur ein einziges Mal wieder, als Teenager. Er selber ist ein junger Mann geworden, in dem jedoch der Geist eines alten Mannes lebt. Ein letztes Mal verbringen Daisy und er eine Nacht miteinander und der Kontakt der beiden verliert sich wieder…

Eines Tages wird Daisy in das Altersheim gerufen, in dem sie Benjamin kennen gelernt hat. Ein Junge ist aufgegriffen worden, der offensichtlich dement ist. Unter seinen Sachen findet sich das Tagebuch des Benjamin Button. Der Junge erkennt sie nicht wirklich und Daisy kümmert sich um ihn, bis er – zum Baby geworden – in ihren Armen für immer einschläft…

Daisys Tochter Caroline erfährt aus diesem Tagebuch und durch die Beichte der Mutter unerwartet, wer wirklich ihr Vater gewesen ist. Während der Hurrikan Katrina tobt und ihre Mutter langsam aus dem Leben scheidet, stellt sich ihre heile Welt völlig auf den Kopf…

Der seltsame Fall des Benjamin Button ist natürlich vorrangig eine wunderbare Parabel über das Altern an sich. Und den Parallelen zur Jugend: nicht jedem von uns ist immer bewusst, dass das Leben nicht nur in Windeln beginnt sondert meistens auch darin endet. Regisseur Fincher greift in dem Streifen bizarre Aspekte des Lebens wie der Jugend im Alter oder dem Alter in der Jugend auf und man verlässt den Film (etwas in Überlänge mit mehr als zweieinhalb Stunden) nachdenklich und auf keinen Fall ungerührt. Für mich selber wurde in dem Film auch ganz besonders die Einsamkeit des „abnormalen Menschen“ herausgearbeitet. Benjamin Button ist in gewisser Weise ein Freak, der seinesgleichen nicht kennt und dem nur ein zeitlich beschränktes Glück mit der Liebe seines Lebens vergönnt ist. Auch wenn ihn die Frauen lieben: seine Stiefmutter Queenie, Elizabeth, die Frau in Russland, oder eben ganz besonders seine Daisy, von der er Zeit seines Lebens nicht loskommt… Benjamin Button bleibt ein einsamer Mensch.

Der Film besticht durch eine hervorragend und packend erzählte Geschichte, mit wunderschönen Bildern und einer Anzahl versierter Schauspieler, auch in Nebenrollen. Brad Pitt, der zuletzt hauptsächlich als Familienvater Schlagzeilen machte, hat sich zu Recht mit der Titelrolle seine erste Oscar-Nominierung erspielt. Unterstützt wird er von einer Reihe kongenialer Kolleginnen: den beiden Oscar-Preisträgerinnen Cate Blanchett und Tilda Swinton sowie Julia Ormond und Taraji Penda Henson.

(C) Vivienne

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