Eine peinliche Verwechslung

An manchen Tagen hasste ich es, wenn wir Freitagnachmittag unsere Einkaufstour für das Wochenende starteten. Dann nämlich, wenn ich spät von der Arbeit weggekommen war und Ali sich auch verspätet hattet. Oder wenn wir nicht viel Zeit hatten, weil wir noch zu Alberts Eltern fahren wollten bzw. jemand anderen treffen sollten. Oder einfach auch nur so, weil ich nicht gut gelaunt war – natürlich kam das vor, ich bin auch nur ein Mensch. Kleinigkeiten reichen dann, mich von launisch in zickig zu verwandeln. Manchmal sogar in eine Furie – aber das kam bei Gott nicht oft vor…

Nein, ich hatte keine Lust an diesem verregneten Spätwintertag am Abend noch ein Kabarettstück von einer Laientruppe um Alberts Kollegen anzusehen. Ich hatte seit dem frühen Morgen Sehnsucht nach meinem Bett, in das ich mich kuscheln wollte, den Kopf an Alis Schulter gelehnt und angenehme Musik in meinem Ohr. Aber Albert hatte heute Mittag meine Einwände abgewehrt. „Vivi, das ist doch schon Wochen abgemacht. Was glaubst du, was Harti und seine Leute enttäuscht sind, wenn wir jetzt absagen? Gib dir einen Ruck, du wirst den Abend genießen, ganz sicher!“ Ali hatte mir zugenickt und dann hatten wir uns ins Einkaufszentrum begeben. Toll! dachte ich mir beleidigt. Soll er doch alleine fahren…

Alberts Seitenblicke bewiesen mir, dass er genau wusste, dass ich sauer war, aber er sagte kein Wort. Albert parkte seinen roten Audi, wir stiegen aus und räumten im Interspar das Einkaufswagerl voll. Albert sagte nicht viel und ich selber schwieg die meiste Zeit. Mir war irgendwie schon klar, dass ich vielleicht übertrieben angerührt reagiert hatte, aber ich konnte nicht aus meiner Haut heraus. Und im Beziehungsleben mit Albert war mir bewusst geworden, dass er nicht mit mir streiten wollte, und im Grunde hatte ich schnell begriffen, dass das auch besser so war. Ich neigte früher bisweilen zu Temperamentsausbrüchen und um die zu vermeiden war es wirklich besser, wenn ich den Mund hielt. Das hatte sich schon bewährt.

„Wir brauchen noch Blumenerde!“ Mein erster Satz seit fast einer halben Stunde. Albert blickte auf. „Okay, ich hol noch einen 20l Sack, du kannst inzwischen mit dem Wagerl zu unserem Auto fahren. Hier ist der Schlüssel. Ich komme nach!“ Ich griff nach dem Schlüsselbund und startete mit dem „Fahrzeug“ los. Orientierungsmäßig bin ich ein ziemlicher Chaot, das muss ich zugeben, aber schließlich ortete ich unseren Audi, stellte das Wagerl ab und versuchte den Kofferraum aufzusperren. Verdammt! ging mir durch den Kopf. Ich bin ja heute wieder wie der erste Mensch. Warum kann ich den Kofferraum nicht öffnen? Wieder steckte ich den Schlüssel ein und versuchte aufzusperren. Vergeblich.

Ich merkte, dass ich zu schwitzen begann. Was würde wohl mein Mann sagen, wenn er mir zusah und mich beobachtete, wie dumm ich mich heute wieder anstellte? Ich wischte mir über die Stirn, als ich eine Stimme hinter mir hörte. „Das ist aber mein Auto!“ Ich schreckte auf und drehte mich um. Ein älterer Mann, wohl über fünfzig, blickte mich vorwurfsvoll an und dann realisierte ich erst, was er gesagt hatte: „Das ist aber mein Auto!“ Ich starrte zitternd auf das Nummernschild. Der Wagen war derselbe Audi wie der von Ali, auch das Kennzeichen war fast gleich, aber eben nur fast, statt 123 bei Ali war da 132 zu lesen. Mein Gott, wie hatte mir so eine Verwechslung nur passieren können!

Ich stammelte eine Entschuldigung und blickte mich Hilfe suchend um. Weiter vorne ortete ich dann wieder einen roten Audi, und diesmal prüfte ich genau nach, ob das Kennzeichen wirklich übereinstimmte. Und das tat es. Eine gute Minute später tauchte Ali mit der Blumenerde auf und schimpfte über die Bankomatkasse im Interspar. „Meine Bankomatkarte hat blockiert, sie ging eine ganze Weile nicht. Schließlich habe ich bar bezahlt, Gott sei Dank hatte ich noch so viel im Geldbörsel.“ Ali wunderte sich gar nicht, dass ich das Einkaufswagerl noch nicht völlig ausgeräumt hatte, er legte mit Hand an und schließlich brachte er noch das Wagerl zurück.

Als ich im Auto saß seufzte ich zuerst tief auf. Ali lächelte mich an und schließlich erzählte ich ihm, was passiert war. Mein Mann lachte laut auf. „Vivi, Schatz, das ist doch nicht dein Ernst! Du hast ein fremdes Auto aufzusperren versucht?“ Ali kicherte. „Das ist ja fast filmreif! Schade, dass ich das nicht mehr gesehen habe! Es muss königlich ausgesehen haben, dich beim Autoknacken zu beobachten. Hat der Mann die Polizei gerufen?“ Typisch, Ali! Aber die Situation war wirklich komisch, das musste ich selber zugeben. Und als wir uns auf dem Heimweg machten, blickte ich dem Kabarettabend mit einem Mal mit großer Gelassenheit entgegen…

Nach einer wahren Begebenheit

© Vivienne

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