Der ungetreue Ehemann

Wie Sie, liebe Leser, aus älteren Geschichten von mir wissen, war ich vor Jahren auch einmal im Reisebüro einer Möchtegern-Unternehmerin beschäftigt. Die notorisch fremdgehende Bürgermeistersfrau war mit den Repräsentierungspflichten in der Provinzhauptstadt im Mühlviertel nicht voll ausgefüllt, mit der Rolle als Mutter noch viel weniger. Um die attraktive und etliche Jahre jüngere Gattin zu halten, hatte der Kommunalpolitiker eingewilligt, Geld in das kleine Unternehmen zu investieren, mit dem sich seine Frau selbst verwirklichen wollte. Geld, das sich leider nie wirklich rechnete, aber einige Zeit hielt der Herr Bürgermeister das Reisebüro der Gattin trotzdem willig am Leben…

Der Job in der Firma war nicht einfach, weil unsere Chefin eine völlige Chaotin war und als Führungspersönlichkeit zudem ungeeignet. Mit Zuckerbrot und Peitsche – einmal Gutscheine für Maniküre, dann wieder eine ewiglange Standpauke wegen nichts – demoralisierte und zermürbte sie mich zusehends. Hätte ich mich nicht mit meiner Kollegin Hanna anfangs so gut verstanden, wäre ich wohl nicht einmal vier Wochen in der Firma geblieben. So biss ich in den sauren Apfel und anfangs konnte ich mich noch recht gut wieder motivieren. In einem Reisebüro zu arbeiten hatte ich mir immer schon gut vorstellen können und an manchen Tagen kam wirklich so etwas wie Freude auf. Vor allem dann, wenn die Chefin auswärts weilte, entweder bei einem ihrer Liebhaber oder um geschäftliche Kontakte zu knüpfen. Letzteres artete allerdings oft in ausgedehnte Shopping-Touren in Wien, Salzburg oder München aus.

An einem Frühsommermorgen im Mai war ich damit beschäftigt, Kunden anzurufen, um sie zu informieren, dass ihre Reisetickets eingetroffen und abholbereit waren. Eine Arbeit, die ich an sich gerne machte, weil sich die Leute meist unheimlich darüber freuten. Oft ergab sich dabei auch die Möglichkeit, kurz mit ihnen ein wenig zu plaudern und ihnen eine schöne Reise zu wünschen. An diesem Tag telefonierte ich aber einen halben Tag einem der Kunde hinterher, ich erreichte ihn einfach nicht. Das Telefon war nämlich meistens besetzt oder es hob niemand ab. Schließlich meldete sich kurz vor 16:00 Uhr doch noch eine resolute ältere Dame am Telefon. Ich holte tief Luft, denn nun konnte ich endlich mein Anliegen loswerden.

Fast monoton betete ich meinen Namen und den Namen des Reisebüros herunter. „Ist Herr Steininger zu sprechen?“ „Der ist noch in der Arbeit! Worum geht es denn?“ Die Frau klang mehr als nur erstaunt. „Herr Steininger hat bei uns eine Woche in Florenz gebucht, und die Papiere sind abholbereit!“ Die Frau am anderen Ende der Leitung gickste fast vor Überraschung. „Eine Reise nach Florenz? Aber meine Schwiegertochter liegt doch im Spital!“ Ich schluckte das erste Mal. „Die Reise ist erst im August, genau genommen, von 17.-24.08. dieses Jahres.“ Ich spürte förmlich die Überraschung, die die Frau am Telefon ausstrahlte. „Wie bitte? Meine Schwiegertochter liegt im Spital, sie ist hochschwanger und vermutlich wird sie noch diese Woche per Kaiserschnitt von meinem Enkelkind entbunden werden, weil solche Komplikationen aufgetreten sind. Und Sie wollen mir erzählen, mein Sohn verreist mit ihr und dem Baby in nicht einmal zwei Monaten?“

Ich ertappte mich dabei, wie ich mein Hände anstarrte. Das klang in der Tat nicht gut, was mir die Frau da erzählte. Steininger musste doch gewusst haben, das seine Frau ein Baby bekam – wie konnte er da eine Reise bei uns buchen, so knapp nach der Geburt? Während ich noch um Worte rang, fuhr meine Gesprächspartnerin fort. „Und außerdem, was ich weiß, muss mein Sohn genau um die Zeit geschäftlich ins Ausland. Dieser Urlaub ist sicher ein Irrtum.“ Ich weiß nicht mehr genau, was ich sagte, ich legte schließlich auf und setzte mich hin. Mir war sehr warm geworden, und schön langsam realisierte ich, was da offenbar passiert war. Ich sah die bewussten Reiseunterlagen noch einmal durch und mir fiel auf, dass überall nur „Helmut Steininger und Begleitung“ stand. Nun verstand ich ganz genau, was Herr Steininger wirklich vorgehabt hatte.

Der Mann hatte ziemlich sicher geplant, mit seiner Freundin oder Geliebten nach Florenz zu fliegen, während die rekonvaleszente Gattin und der Säugling von der eigenen Mutter versorgt wurden. Zur Tarnung der Eskapade hatte er diesen geschäftlichen Termin im Ausland einfach erfunden. So ein Schuft! dachte ich mir. Schmerzhafte Erinnerungen wurden wieder in mir wach, Erinnerungen an den Mann, der mich vor vielen Jahren mit seiner Kollegin betrogen hatte – Richard… Nein, ich hatte nichts übrig für Fremdgänger, nicht das geringste, auch nicht für den Herrn Steininger. Obwohl es mich gar nichts anging, aber die Frau tat mir Leid. Ihr Mann würde jedenfalls durch seine Mutter informiert werden und es berührte mich nicht, wie er sich ihr gegenüber rausreden würde… Irgendwann würde er seine Tickets schon holen.

© Vivienne

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