Was freute ich mich darauf Ilse wieder zu sehen! Ilse hatte ich vor über fünfzehn Jahren in einer Firma im Linzer Zentrum kennen gelernt und ich hatte mich mit ihr angefreundet. Mittlerweile musste sie Anfang fünfzig sein, sie hatte drei Kinder, die schon ihre eigenen Wege gingen aber trotzdem gern bei Mama vorbeischauten. Und verheiratet war sie auch wieder, wie sie mir unlängst am Telefon erzählt hatte. Mit Max, einem netten Arbeiter aus der Firma, in der sie jetzt tätig war – liebevoll und herzlich wie er war verstand er es, Ilse das Desaster ihrer Ehe zeitweise vergessen zu lassen…
Ich hatte Urlaub an dem bewussten Tag und war auf dem Weg um Ilse, die halbtags arbeitete, aus der Firma abzuholen. Kurz nach zwölf betrat ich das Gebäude, wo Ilse am Eingang an einem großen Schreibtisch saß und telefonierte. Sie wirkte verzagt auf mich und etwas nervös, obwohl ein Lächeln um ihre Lippen huschte, als sie mich erkannte. Ich trat auf sie zu und drückte ihr die Hand. „Wie geht es dir?“ Ilse seufzte. „Die EDV! Ich müsste noch dringend einen Brief rausschicken, aber nichts geht… Der PC hängt sich dauernd auf.“ Unglücklich erwiderte sie meinen Blick. „Das ist die Gruber, ich weiß es genau. Sie will mich hier nicht haben, darum werkt sie immer am Server rum um mich zu ärgern. Mein Chef steht zwar hinter mir, aber sie will mich rausekeln.“
Mit offenem Mund lauschte ich dieser Eröffnung, aber nicht nur weil ich Tränen in ihren Augen erkennen zu glaubte. Eine Vorgesetzte, die ihr über die EDV Streiche spielte? War das nicht etwas weit hergeholt? Ich gab Ilse vorerst den Tipp den PC neu zu starten und siehe da, nach wenigen Minuten konnte Ilse das Schreiben ausdrucken. Ich sah mich um in dem Büro, eine kleine Firma, und für die EDV-Anlage gab es sicher keinen eigenen Betreuer. Da konnte mir Ilse erzählen was sie wollte, aber das ganze System war sicher instabil und das war auch der Grund dafür, dass Ilses PC sich öfter „aufhängte“ oder der Drucker mal nicht so arbeitete, wie er sollte. Diese Frau Gruber schien mir nicht notwendigerweise verantwortlich für solche Ausfälle. Was war nur mit Ilse los, dass sie solche Mutmaßungen anstellte?
Ilse lächelte wieder. Etwas verspätet verließen wir die Firma und schlenderten in mein Lieblingscafe im ehemaligen Landesverlag. Ilse bestellte sich einen Mokka und zündete sich eine Zigarette an. „Du rauchst wieder?“ Ich konnte mir die Frage nicht verbeißen, da Ilse mir doch vor ein paar Jahren glaubhaft versichert hatte, sie hätte dem Laster adieu gesagt. Ilse nickte und seufzte. Dann begann sie mir von ihrer Scheidung erzählen. Ihr Mann war nie ein besonders liebenswürdiges Exemplar von einem Mann gewesen. Die Hand war ihm oft ausgerutscht, aber als er dem Suff immer mehr verfiel und seinen Job verlor, wagte Ilse nach über zwanzig Jahren Ehe den Ausbruch. Mit der Scheidung allein war es aber noch nicht getan, ihr Ex terrorisierte sie einige Zeit noch weiter – rief nächtens an und bedrohte sie auch einmal. Ein richtiger Stalker also…
Tränen blitzen in Ilses Augen, als sie von dem einjährigen Intermezzo in einem Büro in Ansfelden erzählte. „Die wollten mich nicht, von Anfang an.“ Die, das waren zwei Kolleginnen im Unternehmen, die die damalige Mitvierzigerin zu mobben begannen. Einfach so und aus Spaß, weil Ilse von ihrer Ehe und den Nachwehen gezeichnet sehr labil geworden war, ein probates Opfer also… Sie veralberten Ilse mit gestellten Anrufen, versteckten ihr wichtige Unterlagen und ließen über einen Kollegen in der EDV Dateien auf ihrem Computer verschwinden, die sie dringend benötigte. „Ich war ganz fertig, bis ich schließlich begriff, woher der Wind wehte. Ich ging zu meinen Vorgesetzten, aber kein Mensch glaubte mir! Die stellten mich als verrückt hin!“ Ich schwieg betroffen. Nun verstand ich die Veränderung, die in Ilse vorgegangen war. Mobber sind infame Psychotäter, die ihren Opfern vor allem seelisch unglaublichen Schaden zufügen. Selber schon betroffen, hätte ich jeden Gesetzesantrag unterstützt, der Mobbern saftige Strafen androhen würde, inklusive Zahlung von Schmerzensgeld!
Ilses leise Stimme holte mich wieder aus meinen Überlegungen. „Ich bekam schwere Depressionen. War einige Zeit in Behandlung bei einem Facharzt und nahm Tabletten. Ich war so fertig… Ich bin froh, dass ich hier bei Herrn Grünwald untergekommen bin. Er ist nett und behandelt mich wie eine Dame…“ Ilse lächelte leise. „Und hier habe ich auch meinen Max kennen gelernt. Es könnte wirklich toll sein hier in der Firma – die Kollegen, das Arbeitsklima, es stimmt alles. Wenn halt nicht Frau Gruber wäre…“ Ihr Blick verlor sich hinter mir im Getümmel des Cafés. Es tat mir weh sie so zu sehen. Ilse hatte es nie leicht gehabt in ihrem Leben und ihre Ehe war ein Horrortripp gewesen. Aber diese Mobbinggeschichte vor ein paar Jahren hatte sie gebrochen. Das war nicht mehr die Ilse, die ich einmal gekannt hatte! Ich war mir sicher, dass Frau Gruber nichts mit den Problemen auf Ilses PC zu tun hatte, auch wenn sie vielleicht ein Ekel war. Doch Ilse konnte nicht mehr anders – sie glaubte in jedem solchen Problem gleich wieder eine versteckte Intrige zu erkennen. Eine Tragödie…
Nach einer wahren Geschichte
© Vivienne