Außenwirkungen?, Teil 3 – Frankie Millers Einsichten

„Wie denn jetzt, Miller? Die Chinesen als Vorreiter im Umweltschutz?“
Der Editor blickte mich an, wie mich bisher immer nur die Redaktionskatze angeschaut hatte, wenn ich wieder mal abends vergessen hatte, ihre Schüssel bis oben hin gefüllt zu haben.
„Tatsache ist, Editor, die Chinesen haben in ihrem Land kürzlich verboten, Viehfutter und Pflanzen für Lebensmittel der Bevölkerung, zu Biosprit zu vergären.“
„Donnerwetter, Miller, die globalisierte Verzahnung klappt ja doch noch.“
Irgendein zynischer Unterton verriet mir bei unserem Allmächtigen, dass er nun mal wieder nicht auf dem Laufenden war.
Bevor er mir seine Bürotür vollends vor der Nase zuschlagen konnte, meinte er noch lapidar:
„Vielleicht ein 20 Zeiler für die Spätausgabe, Miller?“

Was hatte mich geritten? Anstatt der Katze einen natürlich nur freundlich gemeinten Tritt in die Weichteile zu gönnen, wollte ich wohl bei unserem Chefredakteur aufs Ganze gehen.

„Den Ausschlag dürfte dabei wohl eher die Verzahnung unserer Heimischen Automobil-Industrie mit den hier Regierenden geben, Editor, und nicht die Verstrickung unserer Chinesischen Freunde mit deren heimischer Nahrungsversorgung und Lustgewinn durch gefüllte Mägen der Massen in diesem Milliardenvolk. Und 20 Zeilen für solch ein Thema? Hier gehört Recherche her und wenn ich mich nicht irre, dürften Brüssel und Berlin nicht wirklich erfreut über den Vormarsch der Parteibonzen in Peking sein.“

„Der Lustgewinn unserer Heimischen Autobonzen fand doch, soweit ich mich erinnere, immer in irgendwelchen Puffs an der Copacabana statt! Aber, Miller, wenn sie schon so weit drin stecken, machen Sie einfach was für die Wochenendausgabe daraus.“

Gut gekontert, Editor, aber Frankie Miller lässt sich auf solche Spielchen immer nur nach seinen eigenen Spielregeln ein:
„Gut, Editor, Copacabana klingt gut und die Brasilianer sind wieder mal nicht ganz so unschuldig, wie es scheint. Ich geh dann mal buchen. In Rio werde ich dann mal meine Vorort-Recherche starten.“

Einen verdatterten Editor zurücklassend, wandte ich mich um und schlurfte zu meinem Arbeitsplatz zurück ohne die Redaktionskatze nur eines einzigen Blickes zu würdigen.
Die Katze nahm `s schweigend hin und der Editor musste sich wohl erst von seinem Schrecken erholen.
Na gut, China hatte tatsächlich verboten, Reis, Raps, Soja, Mais, Palmöl, Weizen, Zuckerrohr, Zuckerrüben und sonstige der Tierfütterung und der Fütterung der Massen dienende Energie-Pflanzen für die Erzeugung von „Biosprit“ anzubauen.

Ethanol, C2H5OH, auf treudeutsch Sprit genannt also Alkohol, ist eine klare Flüssigkeit die schon seit Urzeiten beim Menschen für Verwirrung sorgt. In Maßen genossen, ein ganz wirkliches Therapeutikum. Missmutige werden euphorisch, Lustlümmel gebremst und Trottel mutig! Der berauschende Anteil dabei kommt der OH-Gruppe zu. Doch schon wenige Promille zuviel genossen, vernebeln einem das Gehirn.

Nun also, die Besoffski`s wird’s nicht nur freuen, seit einigen Jahren kommt Alkohol, historisch gesehen, in schier unglaublichen Mengen auf den Markt.
Es wird gehandelt in so kryptischen Vokabeln wie E5, E10 oder sogar E85 als Biosprit, also „Lebensgeist“!
Die Politik ist Schuld. Die, der Nachhaltigkeit Verpflichteten wollen so die Ökobilanzen schönen. Biodiesel aus Raps, Soja oder Palmfrüchten soll`s bringen.
Doch angesichts der Missernten in den USA und Russland spitzt sich die Diskussion auf die ganz einfache Formel zu : „Tank oder Teller?“
Gutmenschen meinen, dass die ungezügelte Lust am Autofahren in den „Entwickelten Staaten“, für Hungersnöte in den Schwellenländern und der Dritten Welt sorgen könnten.
Der „Bundesverband Bioenergie dagegen, sieht das Übel des Hungers eher in unfähigen Politikern und im mangelnden Demokratie-Verständnis dieser Länder, was ja auch nicht wirklich verwundert.

Im Jahre 2008, dem Jahr der Lehman-Brothers-Pleite, gingen überall auf der Welt die Massen auf die Straßen und rückwirkend erinnert man sich noch gut an die so genannte „Tortilla-Krise“, weil Mexikaner durch Missernten in den USA nicht mehr in der Lage waren, die gestiegenen Maispreise zu bezahlen.
Etwas mehr als 40% der Maisernte der USA werden heute zu Treibstoffen vergoren.
Nun warnt die FAO, die Welternährungsorganisation vor einer neuen unheilvollen Entwicklung.

Die Börsenkurse für wichtige Nahrungs- und Futtermittel, wie Weizen, Soja, Mais und sogar Reis ziehen bereits an. Zunehmend sind die Preise für Nahrungsmittel aneinander gekoppelt. Wird das eine knapp, steigen die Preise auch für die anderen Ernten.

Ethanol wird heute hauptsächlich aus Mais, Weizen und Zuckerrohr oder Zuckerrüben gewonnen, vorzugsweise aus dem regional jeweiligen billigsten Produkt. Aber auch Maniok oder Reis lässt sich in Biosprit verwandeln.

Im eher für Reisanbau unbekannten Brasilien werden zurzeit drei große Reisschnapsanlagen fertig gestellt. Im Übrigen ist der große Erdölproduzent Brasilien schon länger der Vorreiter für die Ethanolproduktion weltweit. In Rio oder Sao Paulo fahren ungezählte Flex-Fuel-Autos, die mittels Schalterstellung für beide Kraftstoff-Sorten gerüstet sind. Reines Benzin oder reiner Biosprit, je nach Preisgestaltung der Mineralöl- oder Biospritindustrie wird der jeweils günstigere Kraftstoff getankt.
Etwa 27 Milliarden Liter Ethanol produziert Brasilien jedes Jahr. Bei etwa 100 Dollar pro Barrel Erdöl ist der Biosprit absolut konkurrenzfähig.

Agrarpreise lehnen sich beinahe automatisch an die herrschenden Erdölpreise an. Fass koppelt an Bushel (Scheffel).
Steigen Spritpreise, wird mehr Ackerfläche für die Ethanolproduktion gebraucht! Diese Fläche fehlt dann natürlich für die Lebensmittelproduktion.
Farmer produzieren sehr gerne das, was den größten Gewinn bringt.

Die Bushel-Barrel-Korrelation trifft dann die armen Länder besonders. Steigt der Erdölpreis müssen sie für Grundnahrungsmittel natürlich auch tiefer in die Tasche greifen.
Und diese Kopplung wird sich noch verstärken. Denn die USA und die meisten EG-Staaten wollen den Anteil an „erneuerbaren“ Energien, also auch Bioethanol in Zukunft steigern.
Jetzt könnten solche Unwissenden, wie unser Chef-Redakteur, natürlich behaupten, dass Ethanol wenigstens ökologisch sinnvoll wäre.

Für Deutschland stellt sich diese Frage eigentlich gar nicht erst. Durch den Mangel an zusätzlichen Anbauflächen ist das Land auf kräftigste Importe angewiesen. Also hat die zukünftige Nutzung an Biomasse keinerlei Einfluss auf die Ökobilanz. Bioenergie stellt somit keinen ernstzunehmenden Beitrag zum Umweltschutz dar!
So auch Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften in einer ihrer Analysen.
Konkretisiert stellt die Studie dar, „dass die Produktion von Ethanol regional mit der Produktion mit Lebensmittel direkt konkurriert!“
Deshalb seien solche Verfahren in dicht besiedelten Gebieten, wie z.B. China oder Westeuropa, nur sehr schwer zu vermitteln!

China, beinahe im Vorgriff auf dieses Resümee, hatte schon die Produktion von Ethanolpflanzen die auch der Volksernährung dienen könnten, einfach per Gesetz verboten.
Es handelt sich also eigentlich um eine bisher noch ungelöste Frage, die da lautet:
„Wie kann die Nachhaltigkeit von Biosprit letztendlich wirklich bewiesen werden?“
Die Biosprit-Lobby beruft sich auf „Nachhaltigkeits-Zertifikate“!

Diese jedoch sind nichts wert, weil sie die „indirekten Landnutzungs-Änderungen“ nicht berücksichtigen!
Bereits bestehende Äcker werden nun einfach für Biosprit-Pflanzen genutzt. Lebensmittel-Pflanzen werden dann auf eigens dafür gerodeten Flächen angebaut. Somit kann mir Recht und Fug behauptet werden, dass für den Biosprit-Anbau keinerlei zusätzliche Waldflächen gerodet wurden.

Dazu kommt, dass Nutzungsänderungen in Brasilien oder Indonesien dazu führen, dass riesige Waldflächen; Sümpfe und Grasland in Afrika für den Anbau von Lebensmittel-Pflanzen unter den Flug kommen um den Nahrungsmittelbedarf von Südamerikanern oder Ostasiaten zu stillen.

In Afrika haben seit 2000 bereits 130 Millionen Hektar den Besitzer gewechselt! Dreieinhalb mal die Fläche des wieder vereinigten Deutschlands!
Zieht man in Betracht, dass eine Ökobilanz alle Parameter wie Klimaschutz, Arten-, Boden- und Gewässerschutz, sowie den Wasserverbrauch in trockenen Regionen beinhalten muss, kann eine gesunde Zertifizierung gar nicht geleistet werden.

Was ökologisch zutage tritt, leuchtet indess politisch nicht immer sofort ein. Die in ihren eigenen Subventionen befangene Politik will an ihren einmal gefassten Entscheidungen solange es nur zu gehen scheint, einfach festhalten.

Die Automobil-Industrie, dank Ökodiesel und E10 beim Flottenverbrauch rechnerisch von 130 Gramm CO2 pro Kilometer befangen, wird vor 2020 auch keinerlei Zugeständnisse machen. Ursprünglich waren strengere 120 Gramm gefordert worden.

Erweise sich nun der Biosprit als Klima-Flopp müsste neu gerechnet werden.
Als Riesen-Problem haben sich zudem die Export-Politik von Argentinien und Indonesien erwiesen. Diese fluten hochsubventioniert mit Billig-Diesel die Märkte, sodass die heimischen, Deutschen Biodiesel-Produktionsstätten in arge Bedrängnis kommen. Argentinien hat mit staatlicher Unterstützung riesige Weideflächen umgepflügt und für den Soja-Anbau kultiviert.

Der Europäischen Mineralölindustrie ist es egal, woher der Sprit kommt. Die Firmen kaufen alles was Gewinn verspricht.
Schon ist ein kleiner Biodiesel-Krieg entbrannt. Spanien hat erst vor kurzem ein Importverbot für Argentinischen Biodiesel verhängt.
Die Deutschen drohen noch mit Sanktionen wegen mangelhafter Nachhaltigkeit.
Die Südamerikaner, dagegen, klagen bereits vor der Welthandelsorganisation, WTO! Hier geht es um das Prinzip der offenen Märkte weltweit!

Na gut, Editor, die Fakten stehen. Brauchst keine Angst vor meiner Spesenabrechnung zu haben.
Die Nutten in Rio können einem kleinen Zeitungsmacher aus dem Badischen nicht die Taschen leeren. Da mag sich die Heimische Autoindustrie als wesentlich spendabler erweisen.
Ich schreib dann mal was auf die Schnelle, aber erst wenn ich die Katze gefüttert habe. Denn, wenn ich etwas nicht leiden kann, dann ihre so leidvollen Blicke.

A.S. im September 2012

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