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12.05.2005, © Vivienne

Das Liebesleben der Politiker 

Lange sind die Zeiten vorbei, als John F. Kennedy seine zahllosen Affairen – darunter auch Marilyn Monroe, die er mit seinem Bruder Robert F. teilte – noch vor der Öffentlichkeit verbergen musste. Und die Presse auch „von oben“ genötigt war, diese weitestgehend zu ignorieren. Heutzutage muss in den USA ein angehender Politiker ein tadelloses Familienleben vorweisen können – oder zumindest danach trachten, eine weiße Weste zu zeigen, auch wenn er etwas zu verbergen hat…

In Österreich zeigt uns Finanzminister Karl-Heinz Grasser, dass er auch in der Hinsicht andere Wege einschlagen möchte. Seine heftige wie öffentliche Romanze mit der Kristallerbin Fiona – gerade erst wieder auf Capri – ist Tagesgespräch und beschäftigt die Boulevardpresse wie die Steuerzahler in Österreich. Dass seine Ex-Verlobte durch einen dilledantischen Selbstmordversuch die Sache erst zur „öffentlichen Sache“ machte, bleibt ein pikantes Detail am Rande. Der Finanzminister, um den sich die Frauen streiten, der enormes politisches Stehvermögen bewiesen hat (etwa in Sachen Homepage) – einen derartigen Politiker hat Österreich noch nie gesehen.

Leise Parallelen drängen sich auf zu Thomas Klestil, unserem verstorbenen Bundespräsidenten, der sich ja auch während seiner höchst bemerkenswerten Amtszeit von seiner Ehefrau trennte, um Margot Löffler, seine Geliebte, zu heiraten. Klestil und seine erste Frau waren über vierzig Jahre verheiratet und schieden wegen dieses „Seitensprungs“, der sicher nicht der einzige im Leben des „aktiven“ Bundespräsidenten war, im Streit. Ich erinnere mich im Zusammenhang mit der Affaire Klestil nicht nur an das wütende Aufbäumen eines mittlerweile wieder eingeschlafenen Bunt-Billig-Formates,  in dem man sich zu den Moralaposteln des Landes erklärte.

Auch die unfreiwillig komischen Aspekte, die mir seinerzeit ein Busfahrer im Gespräch lieferte, blieben bei mir haften. „Dass ein Bundespräsident sich so einen Seitensprung nicht leisten darf!“ wie mir der gute Mann mit dem Brustton der Überzeugung weismachen wollte, hatte doch in Österreich (bezogen jetzt auf Politiker allgemein) noch nie Gültigkeit, oder irgendwo auf dieser Welt. Macht und Ruhm, Charisma und Ausstrahlung machen begehrenswert, anziehend, sexy – wie immer man das nun in Worte kleiden möchte. Ein Mann in einflussreicher Position wirkt mehr als nur interessant auf das andere Geschlecht… Auch wenn so mancher durch einen veralteten Moralkodex lange Zeit genötigt war, sich in dieser Beziehung bedeckt zu halten…

Sonnenkönig Bruno Kreisky ging es in den 70er Jahren nicht anders. Schauspielerin Senta Wengraf war die heimliche Frau an seiner Seite, mit der er so viel wie möglich von seiner raren Freizeit verbrachte. Seine Ehe war mehr oder weniger gescheitert, man lebte schon länger getrennt, auch wenn es meines Wissens nie zu einer Scheidung kam. Wengraf selbst hat sich erst vor ein paar Jahren zu dieser Beziehung bekannt. Damals wäre sie ein unglaublicher Skandal gewesen, hätte Kanzler Kreisky vermutlich ins Wanken gebracht. Auch wenn ein Seitensprung oder eine außereheliche Affaire (man denke nur an Prinz Charles) so alt ist wie die Ehe  selbst oder die Form, die wir heute kennen: einem Mann oder auch einer Frau im bedeutsamen Amt wollte man ihn nie offiziell zugestehen.

Ich bin kein Verfechter des Ehebruchs (oder Vertrauensbruchs in einer Beziehung), ganz im Gegenteil: für mich war und ist ein Seitensprung immer der Grund gewesen, eine Beziehung zu beenden. Schon im Hinweis darauf, dass etwas in dieser Bindung nicht stimmen kann, wenn einer der beiden im wahrsten Sinn des Wortes „äußerliche Stimulationen“ braucht. In so einem Fall erachte ich die Aufrechterhaltung einer engeren Beziehung als sinnlos: wozu eine Ehe oder eine eheähnliche Bindung, wenn man ohnedies  à la carte lebt? Aber dass man sich auseinander lebt, unterschiedlich weiter entwickelt oder plötzlich feststellt, dass die Gefühle füreinander erkaltet sind, ist andererseits etwas zutiefst Menschliches. Und irgendwo auch eine Tragödie…

Sex ist halt irgendwie noch immer ein Tabuthema in der Öffentlichkeit. Am ehesten dürfen noch immer Schauspieler oder Pop- und Rocksänger solche Freiheiten offen ausleben, weil die von je her als ein lockeres Volk galten (schon in ihrer damaligen „Form“) und man ihnen daher einen anderen Moralkodex noch am ehesten zugestand. Dass Politiker auch ein Privatleben haben, das sie sich verlieben können, auch wenn sie gebunden sind (bzw. verlobt), ist eine ganz natürliche Sache. Belassen wir es also dabei, gönnen wir Charly seine Liebesfreuden und die Schlagzeilen in der Regenbogenpresse. Es muss sich ja erst zeigen, ob er sich wirklich  gegen seinen Rivalen durchsetzen kann, ist der doch niemand  geringerer als Flavio Briatore… Und eine nette Ablenkung von der öden Tagespolitik ist so eine Geschichte allemal!

Schau ma mal, wer in Sachen Fiona die Nase (oder was auch immer!) vorne hat!

Vivienne
 

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